BIBERACH — In der Biber­acher Gigel­berg­hal­le ist vergan­ge­ne Woche der Landes­preis für Heimat­for­schung verlie­hen worden. Eine Auszeich­nung, die beispiel­haf­te Leistun­gen der ehren­amt­li­chen Heimat­for­schung würdigt. Die Verlei­hung war ein weite­rer Höhepunkt im Heimat­ta­ge-Jahr, das sich dem Ende entge­gen­neigt und bislang rund 190 Veran­stal­tun­gen geboten hat. „Bei den Heimat­ta­gen ist es gelun­gen, den Heimat­be­griff in seiner ganzen Vielfalt und Offen­heit deutlich werden zu lassen und dabei auch Neues und Unkon­ven­tio­nel­les zuzulas­sen“, sagte Biberachs Kultur­de­zer­nent Dr. Jörg Riedlbauer. 

Sechs Autoren und Autoren­teams aus Bühler­zell, Gottma­din­gen, Mannheim, Nürtin­gen, Wendels­heim und Zell im Wiesen­tal haben den Landes­preis für Heimat­for­schung erhal­ten. Die Forschungs­ar­bei­ten vermit­teln Zugehö­rig­keit zur Heimat – aber auch eine Vielfalt an Perspek­ti­ven und Toleranz, die Heimat anderer zu achten. Dieses Engage­ment erfährt seit mehr als 40 Jahren Wertschät­zung durch den Landes­preis, der mit insge­samt 17.500 Euro dotiert ist. Die Werke der Preis­trä­ger als auch der Empfän­ger einer Anerken­nungs­ur­kun­de werden im Haus der Geschich­te Baden-Württem­berg in Stutt­gart dokumen­tiert und archiviert. 

Kultur­de­zer­nent Riedl­bau­er erklär­te bei der Verlei­hung, dass er die Heimat­for­schung für ein eminent wichti­ges Thema halte, „um das Geschichts­be­wusst­sein in der Zivil­ge­sell­schaft wachzu­hal­ten oder auch erst einmal zu wecken, spezi­ell bei der jünge­ren Genera­ti­on.“ Bezug­neh­mend auf die Auszeich­nung für Uli Merkle, der den ersten Preis für sein Werk „Ein schwar­zes Loch in brauner Zeit – Natio­nal­so­zia­lis­mus in Zell im Wiesen­tal“ erhielt, beton­te Riedl­bau­er die Wichtig­keit histo­ri­scher Forschung im Allge­mei­nen und von Heimat­for­schern im Beson­de­ren, um diese Gescheh­nis­se den Nachge­bo­re­nen zu vermit­teln. „Es ist unerläss­lich, an die Geschich­te zu erinnern, gerade auch wie sie vor Ort konkret geschrie­ben worden ist.“ 

Insge­samt seien in diesem Jahr 118 Bewer­bun­gen für den Landes­preis Heimat­for­schung einge­reicht worden, sagte Arne Braun, Staats­se­kre­tär im Minis­te­ri­um für Wissen­schaft, Forschung und Kunst, bei seiner Festre­de. „Hinter diesen Forschungs­ar­bei­ten stehen Menschen, die mit ihrem ehren­amt­li­chen und bürger­schaft­li­chen Engage­ment Heimat­zu­ge­hö­rig­keit vermit­teln“, lobte er. „Sie schaf­fen kultu­rel­le Identi­tät, indem sie dazu beitra­gen, die Vielfalt örtli­cher und regio­na­ler Tradi­tio­nen Baden-Württem­bergs bewusst und sicht­bar zu machen.“ 

Weites Feld der Heimatforschung 

So vielfäl­tig wie der Heimat­be­griff selbst sei auch das weite Feld der Heimat­for­schung. Die in diesem Jahr ausge­zeich­ne­ten Werke behan­del­ten Inhal­te, die von der Tierwelt Baden-Württem­bergs über die verwo­be­ne Geschich­te zweier Gemein­den, die regio­na­le Indus­trie­kul­tur, die örtli­chen Auswir­kun­gen des Natio­nal­so­zia­lis­mus, die ganzheit­li­che Betrach­tung eines Dorfs bis hin zu Inschrif­ten in einer Gefäng­nis­zel­le reichen. Die Erfor­schung der Heimat, ihrer gesell­schaft­li­chen Zusam­men­hän­ge und ihres Wandels im Laufe der Zeit helfe aber auch dabei, die Heimat anderer zu achten und eine Vielfalt an Perspek­ti­ven wahrzu­neh­men. „Ich freue mich deshalb beson­ders, dass heute so viele junge Heimat­for­sche­rin­nen und ‑forscher dabei sind, die diese Toleranz vermit­teln“, sagte Braun. 

Die Preis­trä­ge­rin­nen und Preis­trä­ger wurden in kurzen Filmbei­trä­gen vorge­stellt, in denen sie ihre Projek­te präsen­tier­ten. Den Auftakt machten die 44 Schüle­rin­nen und Schüler der Klassen 4 (Schul­jah­re 2020/21 und 2022/23) der Grund­schu­le Wendels­heim (Rotten­burg) mit ihrem Werk „Wendels­hei­mer Trilo­gie“. Eine Kombi­na­ti­on aus Heimat­buch, Gesell­schafts­spiel und Podcast. Vier Jahre lang arbei­te­ten sie daran sowohl im Unter­richt als auch in ihrer Freizeit. Für das Heimat­buch waren die Kinder im Ort unter­wegs, sie fotogra­fier­ten und beschrie­ben zum Beispiel ihre Lieblings­plät­ze oder die Fasnet im Ort. Das Heimat­buch wird nun als Sachkun­de­buch für die dritte Klasse einge­setzt. Der Jugend­för­der­preis ging an Finn Zenker aus Nürtin­gen für seine Arbeit „Drei Jahre Bestands­er­fas­sung der Wasser­am­sel an der Elz und Neben­flüs­se im Landkreis Emmendingen“. 

Den Preis „Heimat­for­schung digital“ überreich­te Staats­se­kre­tär Braun an Hilde Siebert und Barba­ra Ritter vom Verein Rhein-Neckar-Indus­trie­kul­tur aus Mannheim, der für seine Websei­te ausge­zeich­net wurde, wo der Verein Gebäu­de, Objek­te und andere Elemen­te der Indus­trie­ge­schich­te bekann­ter machen will. Zweite Preise erhiel­ten Reinhard Frank aus Gottma­din­gen („Rätsel-Haft – Die Inschrif­ten der Haftzel­le in Hilzin­gen – Eine Dörfli­che Arrest­zel­le ca. 1750 – 1820“) und der Heimat- und Kultur­ver­ein Bühler­zell und Geiferts­ho­fen („Chronik Bühler­zell und Geiferts­ho­fen“). Den mit 5.000 Euro dotier­ten ersten Preis durfte Uli Merkle entge­gen­neh­men, der sich zwei Jahre lang inten­siv mit dem Natio­nal­so­zia­lis­mus in Zell im Wiesen­tal (Landkreis Lörrach) ausein­an­der­ge­setzt hatte. Denn bislang sei diese Aufar­bei­tung in seinen Augen nicht ausrei­chend erfolgt, sagte Merkle: „Ich wollte auf keinen Fall irgend­wo wohnen, wo diese Zeit nicht aufge­ar­bei­tet wurde.“ 

Sechs Anerken­nungs­ur­kun­den

Neben den mit einem Preis­geld dotier­ten Auszeich­nun­gen wurden auch sechs Arbei­ten mit Anerken­nungs­ur­kun­den für das geleis­te­te Engage­ment gewür­digt. Darun­ter eine weite­re Schul­klas­se – die Geschichts-AG des deutsch-franzö­si­schen Gymna­si­ums Freiburg hatte sich mit dem Thema „Fremde in Freiburg vom Mittel­al­ter bis heute“ befasst. Karlheinz Geppert, Vorsit­zen­der des Landes­aus­schus­ses Heimat­pfle­ge Baden-Württem­berg und Mitglied der 16-köpfi­gen Jury, die die Preis­trä­ger ausge­wählt hatte, sagte in seinem Schluss­wort, es sei wichtig, dass die ausge­zeich­ne­ten Werke beispiel­haft seien. Er hob die Bedeu­tung der ehren­amt­li­chen Heimat­for­schung für das ganze Land hervor und lobte die Stadt Biber­ach für die Ausrich­tung der Heimat­ta­ge 2023. Biber­ach sei gastfreund­lich sowie kompe­tent und erfah­ren bei der Umset­zung von Großver­an­stal­tun­gen. „Vielen Dank für ein tolles Heimat­ta­ge-Jahr 2023.“