PARIS (dpa) — Geht es in Frank­reich mit Präsi­dent Macron weiter wie bisher, oder übernimmt bald Le Pen? Noch ist im Rennen der beiden alles offen. Auch in Brüssel und Berlin schaut man gebannt auf die anste­hen­de Stichwahl.

Frank­reich steht nach dem Erfolg des libera­len Staats­chefs Emmanu­el Macron und seiner rechten Heraus­for­de­rin Marine Le Pen in der ersten Runde der Präsi­dent­schafts­wahl vor einer richtungs­wei­sen­den Entscheidung.

Beide zogen im Kampf um das höchs­te Staats­amt in die Stich­wahl am 24. April ein. Laut vorläu­fi­gem Endergeb­nis vom Montag kam Macron im ersten Durch­gang auf 27,84 Prozent der Stimmen und zog unerwar­tet klar an seiner stärks­ten Gegne­rin vorbei, die bei 23,15 Prozent der Stimmen lag. Die weite­ren zehn Kandi­da­ten schie­den aus.

Die Stich­wahl zwischen Macron und Le Pen ist eine Neuauf­la­ge ihres Duells von 2017. Damals unter­lag die Rechte dem Politik­jung­star klar. «Was am 24. April auf dem Spiel steht, ist keine Wahl der Umstän­de, sondern eine Entschei­dung für die Gesell­schaft, eine Entschei­dung für die Zivili­sa­ti­on», sagte Le Pen am Sonntag­abend. Zwei entge­gen­ge­setz­te Visio­nen für die Zukunft hätten sich durchgesetzt.

Macron: «Nichts ist entschieden»

Macron, der der Rechten Einhalt gebie­ten wollte, räumte ein: «Wenn die Rechts­extre­me in all ihren Formen so viel Rückhalt im Land hat, kann man nicht davon sprechen, dass die Dinge gut laufen.» Er mahnte weiter: «Vertun wir uns nicht, nichts ist entschieden.»

Umfra­gen sagten noch am Wahlabend einen eher knappen Ausgang dieser Stich­wahl voraus. Das renom­mier­te Insti­tut Ipsos-Sopra Steria sah Macron mit 54 Prozent der Stimmen als Sieger. Beim Insti­tut Ifop-Fiducial fällt der voraus­sicht­li­che Vorsprung Macrons mit 51 Prozent der Stimmen hinge­gen äußerst gering aus. Immer wieder mal gewann in der Stich­wahl auch ein Kandi­dat, der in der ersten Runde auf Platz zwei gelan­det war.

Macron nannte die nächs­ten zwei Wochen daher entschei­dend. Direkt am Montag begab er sich in Frank­reichs Nordos­ten, wo ihn nicht nur Le Pen überholt hatte, sondern mancher­orts auch der landes­weit dritt­plat­zier­te Linke Jean-Luc Mélen­chon. Deutlich um Bürger­nä­he bemüht, versprach der im Wahlkampf kaum sicht­ba­re Präsi­dent: «Ich bin zu allem bereit, um zu überzeu­gen.» Le Pen hinge­gen war am Tag nach der Wahl noch zurück­hal­tend unter­wegs. Am Diens­tag wolle sie dann erklä­ren, wie sie zu regie­ren gedenke.

Sieg Le Pens würde Europa schwer treffen

Ein Sieg der 53-jähri­gen Rechten würde Deutsch­land und Europa schwer treffen. Statt auf Berlin schielt die Euro-Skepti­ke­rin auf Verbün­de­te in Budapest oder Warschau. Von der Europäi­schen Union hält sie wenig, will statt­des­sen wieder mehr Eigen­stän­dig­keit für Frank­reich. Paris droht unter ihr in Brüssel vom Treiber zum Bremser zu werden. In der aktuel­len Krise zwischen dem Westen und Russland befürch­ten Europa und die USA mit Le Pen ein Bröckeln der festen Pro-Ukrai­ne-Front. Dennoch: Da die Rechte bei den bald anste­hen­den Parla­ments­wah­len wohl kaum eine Mehrheit wird hinter sich bringen können, ist zumin­dest ein strik­tes Durch­re­gie­ren ihrer­seits nicht zu befürchten.

Auch in Frank­reich bangt man aber vor einem Einzug Le Pens in den mächti­gen Élysé­e­pa­last. Die Unter­stüt­zungs­auf­ru­fe für Macron setzten schon kurz nach den ersten Hochrech­nun­gen ein. Grünen, Sozia­lis­ten und Republi­ka­ner sprachen sich im Kampf gegen Le Pen für den Libera­len aus, der Linke Mélen­chon zumin­dest eindeu­ti­ger als vor fünf Jahren gegen die Rechte. Die Formie­rung einer erneu­ten «Mauer» gegen Le Pen scheint bereits im Gange.

Die rechte Politi­ke­rin hinge­gen müsste erheb­lich gegen Macron mobili­sie­ren, um zu gewin­nen. Zwar kann sie auf Unter­stüt­zer des Rechts­extre­men Éric Zemmour und Stimmen einiger rechter Konser­va­ti­ver setzen, jedoch kaum aus dem Mitte-Links-Lager, dem sie sich nach der Wahl mit Forde­run­gen zu sozia­ler Gerech­tig­keit bereits zu nähern versuch­te. Hier würde es ihr wohl vor allem helfen, wenn von Macron frustrier­te Linke der Wahl einfach fernblie­ben und so ihre Prozen­te in die Höhe trieben.

Macron und Le Pen beton­ten auf der Suche nach Unter­stüt­zern außer­halb ihres eigenen Lagers beide, Zusam­men­schlüs­se formen zu wollen. Doch die Wahl zeigt erneut ein gespal­te­nes Frank­reich, das sich mittler­wei­le in drei Blöcken formiert. Während Macron breite Teile der Mitte einnimmt, drängt es links und rechts von ihm verstärkt zu den Rändern des politi­schen Spektrums.