AUGSBURG (dpa) — Targa ist der ältes­te Elefant Deutsch­lands — und seit einem Jahr sehr allein. Denn damals hat sie ihre langjäh­ri­ge Gefähr­tin Burma verlo­ren. Mit den anderen Elefan­ten des Zoos kann sie nicht zusammenleben.

Mit ihren Ohren fächert sie sich Wind zu, mit dem Schwanz wedelnd vertreibt sie Fliegen. Gemäch­lich verdrückt sie eine Banane nach der anderen. Etwa 50 davon isst die Elefan­ten­kuh Targa täglich im Augsbur­ger Zoo. Außer­dem bekommt sie 40 Kilogramm Gemüse, doch das muss gedüns­tet sein.

Denn mit 67 Jahren ist Targa nach Angaben des Zoos der ältes­te Elefant Deutsch­lands. Auch weltweit gehöre das Tier zu den ältes­ten Elefan­ten in mensch­li­cher Obhut überhaupt. In Menschen­le­ben umgerech­net wäre Targa etwa 100.

Essen geht da nicht mehr so leicht. «Elefan­ten bekom­men sechs Mal im Leben neue Zähne. Targa hat ihre seit über 20 Jahren», sagt Tierpfle­ger Marcus Linder. Außer ihm und seinen Kolle­gen ist niemand im Gehege. Targa ist allein. Denn vor einem Jahr, am 16. Juni 2021, ist ihre Gefähr­tin Burma im Alter von 53 Jahren gestorben.

34 Jahre gemein­sam verbracht

Nachdem die beiden Elefan­ten 34 Jahre gemein­sam verbracht hatten, musste die Elefan­ten­kuh einge­schlä­fert werden. Targa hat das schwer getrof­fen. Noch Wochen später habe sie nach Burma gesucht, erzählt Linder. Sie sei sehr in sich gekehrt, gebe nicht mehr viele Laute von sich.

Mit den Nachba­rin­nen Louise und Frosja will sie wenig zu tun haben. Die beiden Elefan­ten­kü­he haben ihren eigenen Bereich im Stall. Eigent­lich sollten alle drei nach Burmas Tod zusam­men­le­ben. Doch Elefan­ten haben Hierar­chien und Louise will sich nicht unter­ord­nen. «Das Risiko ist zu groß, dass die anderen beiden auf Targa losge­hen und sie stark verlet­zen», meint Linder.

Elefan­ten­for­sche­rin Angela Stöger-Horwath von der Univer­si­tät Wien erklärt den Hinter­grund: «Elefan­ten leben in Famili­en­grup­pen angeführt von der Leitkuh. Die Kuh mit der größten Erfah­rung führt die Herde an.» Später trete die Tochter dann oft in ihre Fußstapfen.

Targa nun allein, neben den anderen Elefanten

In freier Wildbahn ist die Rangord­nung also geklärt. Wenn aber im Zoo verschie­de­ne Elefan­ten zusam­men­ge­legt werden, muss sich ein Leittier erst durch­set­zen. Nun lebt Targa eben neben, nicht mit den beiden anderen Elefanten.

Als sie an Louise vorbei­geht, streckt diese ihren Rüssel durch den Zaun. Es sieht liebe­voll aus, wie sich ihre Rüssel berüh­ren. Doch das täuscht, meint Linder: «Wäre Targa noch näher­ge­kom­men, hätte Louise ihr eine verpasst.»

Louise und Frosja werden mit sogenann­tem geschütz­ten Kontakt gehal­ten. Zwischen Mensch und Tier bleibt stets ein Zaun. Targa ist noch anderes gewöhnt, lässt sich sogar strei­cheln. Aller­dings hat das einen bruta­len Hinter­grund. Targa wurde noch nach «alter Schule» gezähmt. Dabei verhält sich der Pfleger wie der Herden­chef und setzt sich im Zweifel auch mit Gewalt durch.

1955 in Indien zu Welt gekommen

Außer­dem werden die Tiere zeitwei­se angeket­tet. Als Targa 1955 in Indien zur Welt kommt, ist es noch üblich, für die Zoolo­gi­schen Gärten Elefan­ten­kin­der in freier Wildbahn von ihren Famili­en zu trennen. Wie sie genau in Menschen­hand kam, ist unklar. Mit sechs Jahren landet Targa in Deutsch­land — erst Hamburg, dann Osnabrück.

Seit 1987 ist sie in Augsburg. Die schlech­te Behand­lung ist für Targa inzwi­schen Geschich­te. Angeket­tet werden Elefan­ten in Augsburg seit 2004 nicht mehr. Dass sie ihre Vergan­gen­heit noch beschäf­tigt, glaubt Pfleger Marcus Linder nicht: «Ein Elefant hat kein aktives Gedächt­nis wie der Mensch. Targa erinnert sich nur an früher, wenn sie etwa mit einem Gegen­stand oder Geräusch aus der Zeit konfron­tiert wird». Stöger-Horwath hält diese Darstel­lung aller­dings für Speku­la­ti­on. Man wisse nicht genau, wie ein Elefan­ten­hirn funktio­niert, betont die Wissenschaftlerin.

Zoohal­tung ist seit langem umstritten

Unabhän­gig davon ist seit langem umstrit­ten, ob Elefan­ten überhaupt in Zoos gehören. Der Deutsche Tierschutz­bund sieht dies «sehr kritisch» und bezwei­felt, dass die riesi­gen Säuge­tie­re artge­recht gehal­ten werden können. Die Tierschutz­or­ga­ni­sa­ti­on Peta lehnt die Haltung von Wildtie­ren in Zoos generell ab und spricht von «Gefäng­nis­sen für Tiere».

Gegner der Zoohal­tung verwei­sen auf die Lebens­er­war­tung. Laut einer älteren Studie liegt diese bei Elefan­ten in Zoos unter 20 Jahren. Kriti­ker dieser Unter­su­chung wieder­um merken an, dass die Forscher die Besse­rung der Haltungs­be­din­gun­gen ausge­klam­mert haben. Wo genau die Lebens­er­war­tung liegt, ist letzt­lich umstritten.

Klar ist aber: Mit 50 Jahren ist ein Elefant sehr alt. Dass Targa so viel älter werden konnte, liegt laut Linder an den Genen, menta­ler Gesund­heit und sorgfäl­ti­ger Pflege. Doch mittler­wei­le leidet die alte Dame an Arthro­sen und hat Abszes­se an den Beinen. «Wenn Targa vor Schmer­zen nicht mehr laufen kann, müssen wir sie einschlä­fern», sagt ihr Pfleger. Doch ob und wann das passiert, ist schwer zu sagen.

Von Stefan Foag (Text) und Karl-Josef Hilden­brand (Fotos), dpa