Mit Videos wollen Promi­nen­te die Corona-Politik kommen­tie­ren. Beifall kommt sofort — auch von rechts. Es folgen in den nächs­ten Stunden: hefti­ge Kritik und gestot­ter­te Erklärversuche.

Die Videos sind nur wenige Minuten kurz und lassen viele doch ratlos zurück. Mehre­re Schau­spie­le­rin­nen und Schau­spie­ler haben satirisch gemein­te Clips veröf­fent­licht — als Kritik an den Corona-Maßnah­men der Regierung.

Darun­ter sind Namen, die Millio­nen aus dem Fernse­hen kennen. Jan Josef Liefers, Ulrich Tukur, Volker Bruch, Ulrike Folkerts etwa. Nach einigen Stunden nehmen die ersten Betei­lig­ten ihre Videos wieder runter — die Aktion stößt am Freitag auf viel Kritik.

Unter dem Motto #alles­dicht­ma­chen waren rund 50 Beiträ­ge veröf­fent­licht worden, etwa auf der Platt­form YouTube. Liefers bedank­te sich in seinem Video — mit ironi­schem Unter­ton — «bei allen Medien unseres Landes, die seit über einem Jahr unermüd­lich verant­wor­tungs­voll und mit klarer Haltung dafür sorgen, dass der Alarm genau da bleibt, wo er hinge­hört, nämlich ganz, ganz oben».

«Babylon Berlin»-Star Bruch sagt in seinem Satire­clip, er appel­lie­re an die Regie­rung: «Macht uns mehr Angst. Die Menschen im Land brauchen diese Angst jetzt.» Und Richy Müller atmet abwech­selnd in zwei Tüten. «Wenn jeder die Zwei-Tüten-Atmung benut­zen würde, hätten wir schon längst keinen Lockdown mehr», sagt er. «Also bleiben Sie gesund und unter­stüt­zen Sie die Corona-Maßnahmen.»

Etliche Kolle­gen reagie­ren empört. «Die Schauspieler*innen von #alles­dicht­ma­chen können sich ihre Ironie gerne mal tief ins Beatmungs­ge­rät schie­ben», twitter­te Modera­tor Tobias Schlegl, der auch Notfall­sa­ni­tä­ter ist. «Heute bisschen für Kolle­gen schämen», schrieb Chris­ti­an Ulmen bei Insta­gram. Elyas M’Barek kriti­sier­te: «Mit Zynis­mus ist doch keinem gehol­fen.» Jeder wolle zur Norma­li­tät zurück­keh­ren, und das werde auch passieren.

Satiri­ker Jan Böhmer­mann hielt der Aktion bei Twitter entge­gen, das einzi­ge Video, das man sich ansehen solle, «wenn man Proble­me mit Corona-Eindäm­mungs­maß­nah­men hat», sei die ARD-Doku aus der Berli­ner Chari­té mit den Titel «Stati­on 43 – Sterben». Dazu stell­te er den Hashtag #allenicht­ganz­dicht und einen weinen­den Smiley.

Beifall gab es hinge­gen vom frühe­ren Präsi­den­ten des Bundes­am­tes für Verfas­sungs­schutz, Hans-Georg Maaßen, der die Aktion auf Twitter «großar­tig» nannte. Der Hambur­ger Virolo­ge Jonas Schmidt-Chana­sit sprach von einem «Meister­werk», das «uns sehr nachdenk­lich machen» sollte. Die AfD-Bundes­tags­ab­ge­ord­ne­te Joana Cotar twitter­te: «Das ist intel­li­gen­ter Protest.» Und auch der Verschwö­rungs­er­zäh­ler Attila Hildmann, der sich «ultra­rechts» nennt, verbrei­te­te die Aktion.

Nur wenige Stunden nach der Veröf­fent­li­chung distan­zie­ren sich erste Teilneh­mer von der Aktion. So verschwin­den etwa Videos von Heike Makat­sch, Trystan Pütter und Meret Becker von der YouTube-Seite. Kunst müsse Fragen stellen können, sagte «Tatort»-Star Becker später bei Insta­gram. «Aber diese Aktion ist nach hinten losge­gan­gen.» Sie werde das Video runter­neh­men lassen. «Und ich entschul­di­ge mich dafür, dass das falsch verstan­den werden konnte.»

Sie lasse sich impfen, erklär­te Becker, sie trage Maske, halte Abstand und lasse sich testen, wenn sie mit Menschen in Kontakt trete. Dass die Aktion instru­men­ta­li­siert werde von der rechten Seite, sei das Letzte, was sie gewollt habe. «Ich möchte auch nicht mit Aluhüt­chen oder derglei­chen vergli­chen werden.»

Es sei eine vielleicht zu zynisch gestal­te­te Kunst­ak­ti­on gewesen, sagte Becker. Und erklärt dann genau­er, wo sie eigent­lich Fragen aufwer­fen wollte. Sie kriti­siert etwa, in der Pande­mie sei immer eine Tür für die Wirtschaft offen­ge­hal­ten worden. Die Theater seien zu, aber die Flieger voll. Menschen müssten zur Arbeit gehen, damit die Indus­trie weiter­lau­fe. «Wir hätten vielleicht mehr das sagen sollen, was eigent­lich gemeint ist», sagte Becker.

Sie habe das auch geäußert und gezwei­felt. Die Kunst­frei­heit oder das Infra­ge­stel­len von Dingen hätten sie dann doch überzeugt mitzu­ma­chen. «Jetzt gibt’s auf die Nase», sagte Becker. Auch der betei­lig­te Schau­spie­ler Ken Duken schrieb bei Insta­gram, er distan­zie­re sich von rechtem Gedan­ken­gut. Er habe sich auch nicht über Opfer lustig machen wollen. «Ich befür­wor­te sinnvol­le Maßnah­men und eine Impfstra­te­gie. Diese Aktion ist gründ­lich in die Hose gegangen.»

Im Impres­sum der Seite allesdichtmachen.de war der wenig bekann­te Regis­seur Bernd Wunder als verant­wort­lich genannt. Wunder sagte der dpa, er sei nicht der Initia­tor, sondern Teil einer großen Gruppe. Es gehe bei der Aktion darum, die Angemes­sen­heit der Maßnah­men zu disku­tie­ren. Auf seinem — inzwi­schen auf privat gestell­ten — Insta­gram-Account ist teils hefti­ge Kritik gegen Corona-Maßnah­men zu finden, Befür­wor­ter werden «Corona­zis» genannt. Dies würde er heute nicht mehr wieder­ho­len, sagte Wunder.

Schau­spie­ler Kida Khodr Ramadan («4 Blocks») reagier­te entsetzt. «Ey, ich mag euch Kolle­gen, immer noch», sagte er bei Insta­gram. Aber sie sollten sich genau Gedan­ken machen. «Es sterben Menschen an dieser fucking Krank­heit.» Er sei ebenfalls angefragt worden, habe aber ein schlech­tes Gefühl dabei gehabt. Er sei von den «Erfin­dern der Aktion» nie aufge­klärt worden, was das solle.

Die Kunst- und Kultur­sze­ne leidet seit mehr als einem Jahr schwer unter den Corona-Maßnah­men. «Manche unserer Kolleg*innen haben sich an dieser Aktion betei­ligt, manch andere verur­tei­len sie aufs Schärfs­te», teilte etwa der Vorstand des Bundes­ver­bands Schau­spiel (BFFS) mit. Der Verband erinner­te unter anderem an Menschen, die im Kranken­haus arbei­ten. Er verwies auch auf die Existenz­ängs­te, die auch Schau­spie­ler derzeit hätten.

Bei Verständ­nis für die Lage von Künst­le­rin­nen und Künst­lern kam viel Kritik am Vorge­hen der Promi­nen­ten auch aus der Politik. Kultur­staats­mi­nis­te­rin Monika Grütters (CDU) hätte sich «deutlich mehr Empathie für die Menschen gewünscht, die vom Corona­vi­rus betrof­fen sind oder im Gesund­heits­sys­tem harte Arbeit leisten». Es gehe in dieser Natur­ka­ta­stro­phe um die Rettung von Menschen­le­ben, «das dürfen wir nie verges­sen». Gesund­heits­mi­nis­ter Jens Spahn (CDU) machte den Initia­to­ren ein Dialogangebot.

Berlins Kultur­se­na­tor Klaus Lederer (Linke), auch Vorsit­zen­der der Kultur­mi­nis­ter­kon­fe­renz, sagte: «Zynis­mus und Hohn sind unange­bracht.» Der Präsi­dent des Deutschen Bühnen­ver­eins, Hamburgs Kultur­se­na­tor Carsten Brosda (SPD), wies darauf hin, die Kultur sei überpro­por­tio­nal getrof­fen. «Ironie und Sarkas­mus aber lösen diese aktuel­len Wider­sprü­che in die falsche Richtung auf und drohen zynisch zu wirken.» Zynis­mus könne nicht die richti­ge Haltung sein. Die Bundes­re­gie­rung hält sich mit Bewer­tun­gen zurück.

Von Gerd Roth und Julia Kilian, dpa