BERLIN/MADRID (dpa) — Die Corona­zah­len steigen in Spani­en wieder stark an. Die Bundes­re­gie­rung zieht Konse­quen­zen und stuft das belieb­te Urlaubs­land nun komplett als Risiko­ge­biet ein — inklu­si­ve der Kanaren und Mallorca.

Wegen stark steigen­der Corona-Infek­ti­ons­zah­len stuft die Bundes­re­gie­rung am Sonntag ganz Spani­en und damit auch Mallor­ca und die Kanaren als Risiko­ge­biet ein. Das gab das Robert Koch-Insti­tut bekannt.

Das bedeu­tet, dass das Auswär­ti­ge Amt mitten in den Sommer­fe­ri­en wieder von touris­ti­schen Reisen in das belieb­tes­te Urlaubs­land der Deutschen abraten wird. Prakti­sche Folgen ergeben sich für Urlau­ber aber kaum: Wer mit dem Flugzeug aus Spani­en nach Deutsch­land zurück­kehrt, muss wie bisher einen negati­ven Test oder einen Nachweis über eine vollstän­di­ge Impfung oder Genesung dabei­ha­ben. Damit entfällt dann die Quarantänepflicht.

Anders sieht es bei der ebenfalls sehr belieb­ten Urlaubs­in­sel Zypern aus, die am Sonntag als Hochin­zi­denz­ge­biet mit beson­ders hohen Infek­ti­ons­zah­len einge­stuft wird. Wer dort Urlaub macht und nicht geimpft oder genesen ist, muss künftig für fünf bis zehn Tage in Quaran­tä­ne — auch ungeach­tet eines negati­ven Tests.

Die neuen Einstu­fun­gen sind Folge der in vielen Regio­nen Europas wieder deutlich steigen­den Infek­ti­ons­zah­len. In Spani­en gelten bereits 6 der 17 Regio­nen — darun­ter die Urlaubs­ge­bie­te Katalo­ni­en und Andalu­si­en — sowie die Exkla­ve Ceuta in Nordafri­ka als Risiko­ge­bie­te. Die Balea­ren mit Mallor­ca, der belieb­tes­ten Urlaubs­in­sel der Deutschen, sowie die Kanaren blieben aber bisher verschont.

Inzidenz in Spani­en bei 179

Als Risiko­ge­bie­te werden Länder und Regio­nen einge­stuft, in denen die Neuin­fek­tio­nen pro 100.000 Einwoh­ner in sieben Tagen (Sieben-Tage-Inzidenz) über 50 liegen. Es ist die niedrigs­te von drei Risiko­stu­fen. Mallor­ca war Mitte März von der Liste der Risiko­ge­bie­te gestri­chen worden. Inzwi­schen liegt die Inzidenz auf den Balea­ren, zu denen auch Menor­ca, Ibiza und Formen­te­ra gehören, im Schnitt schon bei 141. In ganz Spani­en sind es sogar 179.

Bei einer Inzidenz über 200 droht die Einstu­fung als Hochin­zi­denz­ge­biet mit Quaran­tä­ne­pflicht für dieje­ni­gen, die nicht geimpft oder genesen sind. Erst dann wären auch für die Reise­bran­che erheb­li­che Folgen zu erwar­ten. Dass die Hochstu­fung sehr schnell kommen kann, zeigt Zypern. Das Land wurde erst vergan­ge­nen Sonntag zum Risiko­ge­biet erklärt. Schon eine Woche später wird es nun zu einem von vier Hochin­zi­denz­ge­bie­ten in Europa neben Portu­gal, Großbri­tan­ni­en und Russland.

Maas: Quaran­tä­ne­pflicht unwahrscheinlich

Außen­mi­nis­ter Heiko Maas (SPD) hatte die Spani­en-Urlau­ber erst am Montag bei einem Besuch in Madrid beruhigt und die Infek­ti­ons­la­ge als nicht besorg­nis­er­re­gend bezeich­net. «Es gibt keiner­lei Hinwei­se auf Entwick­lun­gen, die befürch­ten ließen, dass wir in abseh­ba­rer Zeit wieder Entschei­dun­gen treffen müssten, die dazu führen, dass deutsche Touris­ten in Spani­en keinen Urlaub mehr machen können», sagte er. Es bestehe weiter­hin Grund zur Vorsicht. Aber er gehe derzeit nicht davon aus, dass eine Wieder­ein­füh­rung der Quaran­tä­ne­pflicht für rückkeh­ren­de Spani­en-Urlau­ber kurz bevorstehe.

Die Inzidenz in Spani­en lag zu diesem Zeitpunkt knapp über 100 und ist seitdem um fast 80 gestie­gen. Wenn es in dem Tempo weiter­geht, könnte Spani­en nächs­te Woche dassel­be Schick­sal wie Zypern erlei­den: Hochstu­fung zum Hochin­zi­denz­ge­biet. Fünf spani­sche Regio­nen liegen bereits über 200: Asturi­en (212), Kantabri­en (255), Kasti­li­en und León (331), Katalo­ni­en (390) und Navar­ra (326).

Für Spani­en wande­le sich die Corona-Pande­mie gerade von einem Gesund­heits­pro­blem zu einem Image­scha­den, schreibt die Zeitung «La Vanguar­dia». Nur wenige Menschen erkran­ken ernst­haft und noch weniger sterben durch Corona, aber die hohen Infek­ti­ons­zah­len könnten Touris­ten verschrecken.

«Natür­lich sind wir beunru­higt», sagte die Präsi­den­tin des Verban­des der Hotel­di­rek­to­ren auf den Balea­ren (AEDH), Alicia Reina, der Deutschen Presse-Agentur. «Aber man muss auch deutlich sagen, dass die Inzidenz der Neuan­ste­ckun­gen nicht mehr so relevant ist, wenn die Inten­siv­sta­tio­nen leer sind und die Todes­ra­te niedrig ist», beton­te die Direk­to­rin des Vier-Sterne­ho­tels «Migjorn Ibiza Suites & Spa» auf Ibiza. «Die deutschen Touris­ten sind klug und können das einschät­zen», meinte Reina.

Lage in den Kranken­häu­sern bleibt entspannt

Die spani­sche Touris­mus­bran­che macht gerade eine Achter­bahn­fahrt durch. Erst erschreck­te Frank­reichs Europa­mi­nis­ter Clément Beaune mit einer Warnung vor Reisen in das Urlaubs­land. Anderer­seits kündig­te London dann an, dass vollstän­dig geimpf­te Briten nach der Rückkehr aus einem Spani­en­ur­laub ab dem 19. Juli nicht mehr in Quaran­tä­ne müssten. Und nun die Einstu­fung durch Deutsch­land als Risikogebiet.

Während die Zahl der Infek­tio­nen unter jungen Leuten explo­si­ons­ar­tig ansteigt, bleibt die Lage in den Kranken­häu­sern aber relativ entspannt und die Todes­zah­len niedrig. Landes­weit sind nur 6,55 Prozent der Betten auf Inten­siv­sta­tio­nen mit Corona-Patien­ten belegt und während der vergan­ge­nen sieben Tage wurden insge­samt 46 Corona-Tote regis­triert. Im April 2020 waren es fast 1000 pro Tag. Exper­ten erklä­ren dies mit der fortge­schrit­te­nen Impfkam­pa­gne bei Älteren und dem oft symptom­lo­sen bis milden Verlauf einer Corona-Erkran­kung bei Jüngeren.

Die Inziden­zen bei den bisher kaum geimpf­ten Jünge­ren schos­sen in einigen Regio­nen jedoch in schwin­del­erre­gen­de Höhen. Im am schwers­ten betrof­fe­nen Katalo­ni­en mit der Costa Brava und der Touris­ten­me­tro­po­le Barce­lo­na etwa beträgt die Sieben-Tage-Inzidenz bei den 12- bis 19-Jähri­gen 1576 und in der Gruppe der 20- bis 29-Jähri­gen sogar 2165. Auf den Balea­ren mit der bei Deutschen belieb­ten Urlaubs­in­sel Mallor­ca liegen die Werte bei 994 (12–19) und 558 (20–29).

Zugleich breitet sich die anste­cken­de­re Delta-Varian­te auch in Spani­en aus. Nach Recher­chen der Zeitung «El País» macht sie derzeit etwa 32 Prozent aller Neuin­fek­tio­nen aus. Das ist zwar noch weniger als in Deutsch­land, aber Exper­ten sind sich sicher, dass sie bald wie in ganz Europa auch in Spani­en dominie­rend sein wird. 

Von Micha­el Fischer und Jan-Uwe Ronne­bur­ger, dpa