VERSAILLES/BERLIN (dpa) — Klare Kante gegen Russland: In den ersten Tagen der Invasi­on Russlands in die Ukrai­ne hält die EU zusam­men. Bleibt das so? Der EU-Gipfel in Frank­reich ist eine Bewäh­rungs­pro­be für die neue Einigkeit.

Vor dem EU-Gipfel im franzö­si­schen Versailles erhöht die Ukrai­ne den Druck auf Deutsch­land, die Energie-Impor­te aus Russland zu stoppen.

Angesichts der hohen Zahl der Kriegs­op­fer unter der Zivil­be­völ­ke­rung sei das Nein der Bundes­re­gie­rung zu einem Import­stopp «moralisch nicht tragbar», sagte der ukrai­ni­sche Botschaf­ter in Berlin, Andrij Melnyk, der Deutschen Presse-Agentur. «Wir rufen die Deutschen auf, eine einzig richti­ge Entschei­dung zu treffen und dieses Embar­go unver­züg­lich einzu­füh­ren, um dem Putin­schen Krieg gegen die ukrai­ni­schen Frauen und Kinder ein Ende zu setzen.»

Melnyk forder­te Deutsch­land zudem auf, sich beim Gipfel nicht gegen eine EU-Beitritts­per­spek­ti­ve für die Ukrai­ne zu sperren. Der ukrai­ni­sche Präsi­dent Wolodym­yr Selen­skyj habe am Montag mit Scholz über dieses Thema gespro­chen und ihn um Unter­stüt­zung gebeten. «Das Gespräch war furcht­bar. Schon wieder diesel­be Blocka­de­hal­tung. Ohne Weitsicht. Aber die Ukrai­ner werden auch da die Hoffnung nicht aufge­ben. Die Ampel muss umsteu­ern und grünes Licht geben.»

Weite­rer EU-Kurs nach Russlands Invasion

Scholz und die anderen Staats- und Regie­rungs­chefs der EU-Staaten wollen an diesem Donners­tag über den weite­ren Kurs nach Russlands Angriff auf die Ukrai­ne beraten. Bei dem Treffen in Versailles nahe Paris soll es unter anderem darum gehen, die Staaten­ge­mein­schaft unabhän­gi­ger von russi­schen Öl‑, Gas- und Kohle-Impor­ten zu machen.

Die Europäi­sche Union hat Russland nach dem Einmarsch in die Ukrai­ne zwar mit massi­ven Sanktio­nen belegt. Die Kappung der milli­ar­den­schwe­ren Liefe­run­gen von Gas, Erdöl und Kohle gehört aber bisher nicht dazu. Deutsch­land ist in beson­ders hohem Maße abhän­gig von russi­schen Energie­lie­fe­run­gen. Scholz schließt deswe­gen einen Import­stopp aus, auch wenn die USA diesen Schritt bereits vollzo­gen haben. Die USA seien Expor­teur von Gas und Öl, was man für Europa insge­samt nicht sagen könne, beton­te der SPD-Politi­ker. «Und deshalb sind die Dinge, die getan werden können, auch unterschiedlich.»

Es soll bei dem Gipfel auch um den Antrag der Ukrai­ne auf eine möglichst schnel­le EU-Mitglied­schaft gehen. «Wir wünschen uns, dass Deutsch­land eine EU-Beitritts­per­spek­ti­ve für die Ukrai­ne heute mit aller Kraft unter­stützt», sagte Melnyk dazu. «Es geht nicht darum, dass wir morgen die Mitglied­schaft bekom­men. Wir wollen keinen Freifahrt­schein. Aber wir wollen, dass das in einem Eilver­fah­ren geschieht, inner­halb von wenigen Jahren.»

Vertei­di­gung, Flücht­lin­ge und weite­re Sanktionen

Bei dem Gipfel in Versailles wird es auch um den Ausbau der militä­ri­schen Vertei­di­gungs­ka­pa­zi­tä­ten der EU und um die riesi­ge Flucht­be­we­gung aus der Ukrai­ne gehen. Auch weite­re Sanktio­nen gegen Russland könnten vorbe­rei­tet werden.

Ursprüng­lich hatte Frank­reich, das derzeit turnus­ge­mäß den Vorsitz der EU-Staaten innehat, bei dem Gipfel vor allem über den wirtschaft­li­chen Aufschwung nach der Corona-Krise reden wollen. Dieses Thema steht nun für Freitag auf der Agenda. Für Frank­reichs Präsi­den­ten Emmanu­el Macron ist der Gipfel auch wichtig, weil er mitten im Wahlkampf für eine Wieder­wahl steckt.