NRW-Regie­rungs­chef Laschet sitzt bei allen Bund-Länder-Runden mit am Tisch. Und kriti­siert nun die Haltung, Bürger wie unmün­di­ge Kinder zu behan­deln. Damti verär­gert er auch den Koali­ti­ons­part­ner SPD.

BERLIN (dpa) — Der CDU-Vorsit­zen­de Armin Laschet erntet für seine deutli­che Kritik an einem schar­fen Lockdown-Kurs in der Corona-Pande­mie starken Widerspruch.

Die Grünen warfen ihm am Diens­tag vor, sich gegen die gemein­sa­me Linie aller Länder und der Bundes­re­gie­rung zu stellen, die er als Minis­ter­prä­si­dent von Nordrhein-Westfa­len selbst mitbe­schlos­sen habe. Die SPD hielt ihm «unbehol­fe­nen Populis­mus» vor. Unter­stüt­zung erhielt der nordrhein-westfä­li­sche Regie­rungs­chef dagegen von der FDP, mit der er in Düssel­dorf zusam­men regiert.

Laschet hatte am Montag­abend bei einer Digital-Veran­stal­tung des baden-württem­ber­gi­schen CDU-Wirtschafts­rats erklärt, man müsse das Virus und seine Mutatio­nen zwar ernst nehmen, aber zugleich zu einer abwägen­den Positi­on zurück­kom­men. «Populär ist, glaube ich, immer noch die Haltung: Alles verbie­ten, streng sein, die Bürger behan­deln wie unmün­di­ge Kinder.» Das trage aber nicht auf Dauer. So erlit­ten zum Beispiel Kinder, die monate­lang nicht in Schule oder Kita gingen, vielleicht Schäden fürs ganze Leben.

Laschet warnte überdies vor einer zu einsei­ti­gen Fokus­sie­rung auf die Infek­ti­ons­zah­len. «Wir können unser ganzes Leben nicht nur an Inzidenz­wer­ten abmes­sen.» Man müsse all die anderen Schäden, etwa für Gesell­schaft, Wirtschaft und Kultur, genau­so im Blick haben. Seine «Grund­po­si­ti­on» sei: Die 50 sei erreicht, «wir werden in Kürze auch die 35 errei­chen, aber man kann nicht immer neue Grenz­wer­te erfin­den, um zu verhin­dern, dass Leben wieder statt­fin­det», sagte er. Populär sei diese Positi­on noch immer nicht. «Der große Nachbar in Bayern sieht es manch­mal etwas anders.»

Die Länder­re­gie­rungs­chefs und Kanzle­rin Angela Merkel (CDU) hatten zuletzt verein­bart, den Lockdown weitge­hend bis zum 7. März zu verlän­gern. Sollte die Zahl der Neuin­fek­tio­nen pro 100.000 Einwoh­ner und Woche stabil unter 35 sinken, sollen die Länder schritt­wei­se die Beschrän­kun­gen lockern. Manche Wissen­schaft­ler sehen dafür aber sogar erst bei einem Wert von 10 Chancen. Laut Robert Koch-Insti­tut lag die bundes­wei­te Sieben-Tage-Inzidenz am Diens­tag­mor­gen bei 59.

SPD-General­se­kre­tär Lars Kling­beil warf dem CDU-Chef vor, er lege «die gefühlt 50. Wendung in seiner Corona-Politik» hin. Kling­beil werte­te die Äußerun­gen beim Redak­ti­ons­netz­werk Deutsch­land als Beleg dafür, dass die CDU tief gespal­ten sei. Der neue CDU-Chef versu­che, die Anhän­ger seines unter­le­ge­nen Konkur­ren­ten Fried­rich Merz für sich zu gewin­nen. «Mitten in der größten Krise der Nachkriegs­zeit beschäf­tigt sich die CDU nur mit sich selbst, und ein Ende ist nicht in Sicht. Die Menschen und die SPD erwar­te­ten, «dass die Union sich jetzt endlich mal am Riemen reißt», sagte Klingbeil.

Der Erste Parla­men­ta­ri­sche Geschäfts­füh­rer der SPD-Frakti­on, Carsten Schnei­der, reagier­te im «Spiegel» ähnlich: «Wenn sich die Corona-Krisen­be­kämp­fung noch weiter zum Profi­lie­rungs­the­ma für die Kanzler­kan­di­da­tur in der Union entwi­ckelt, bekommt das Land ein zusätz­li­ches Problem.»

Grünen-Bundes­ge­schäfts­füh­rer Micha­el Kellner sagte der Deutschen Presse-Agentur: «Armin Laschet blendet aus, wie fatal die Auswir­kun­gen für die Gesell­schaft wären, wenn Locke­run­gen zu früh kämen.» Er stelle sich gegen die von ihm selbst mitbe­schlos­se­ne Linie aller Länder und des Bundes. «Damit unter­gräbt er eine solida­ri­sche Pande­mie­be­kämp­fung, das höchs­te Gut in diesen Zeiten.»

Unter­stüt­zung kam hinge­gen vom FDP-Vorsit­zen­den Chris­ti­an Lindner. «Wir fühlen uns bestärkt. Den richti­gen Worten müssen nun aber umgehend Taten folgen», sagte er der Deutschen Presse-Agentur. Eine Perspek­ti­ve auf Öffnung sei möglich und dring­lich: «Die Entwick­lung der Zahlen lässt die Eingrif­fe in Grund­rech­te und die enormen Schäden des Lockdowns an vielen Stellen unver­hält­nis­mä­ßig werden.»