Geister­spie­le in den Bundes­li­gen, Still­stand im Amateur­be­reich: Der deutsche Sport wird von den verschärf­ten Corona-Maßnah­men von Bund und Ländern hart getrof­fen. Viele Verei­ne stehen vor dem Nichts.

In den Bundes­li­gen, auch im Profi­fuß­ball, dürfen ab der kommen­den Woche nur noch Geister­spie­le ausge­rich­tet werden, im Freizeit- und Amateur­be­reich wird der Betrieb fast gänzlich unter­sagt. «Wir brauchen im Novem­ber eine natio­na­le Kraft­an­stren­gung», begrün­de­te die Bundes­kanz­le­rin die am Mittwoch mit den Ländern angesichts drama­tisch steigen­der Infek­ti­ons­zah­len beschlos­se­nen Maßnah­men. Der Sport spiel­te während der Presse­kon­fe­renz keine Rolle — wird aber hart zu kämpfen haben.

Die Entschei­dung solida­risch mitzu­tra­gen, falle «nicht leicht, weil sich die bereits sicht­ba­ren und die für Viele noch unsicht­ba­ren Corona-Schäden in Sport­deutsch­land durch diese pauscha­le Maßnah­me der Politik nochmals deutlich verstär­ken», teilte der Präsi­dent des Deutschen Olympi­schen Sport­bun­des, Alfons Hörmann, mit. Der DOSB forde­re «im Bereich der angekün­dig­ten Nothil­fen, dass der Sport in seiner ganzen Vielfalt unpro­ble­ma­tisch daran teilha­ben kann».

Im Basket­ball, Handball, Eisho­ckey oder Volley­ball kann der Profi­lig­abe­trieb zwar fortge­setzt werden, oder starten — die Verei­ne sind aber stark auf die Zuschau­er­ein­nah­men angewie­sen. Die Anord­nung der Geister­spie­le wider­spre­che «eigent­lich dem, was wir letzte Woche mit den Chefs der Staats­kanz­lei­en bespro­chen haben», sagte Frank Bohmann, Geschäfts­füh­rer der Handball-Bundes­li­ga am Mittwoch der Deutschen Presse-Agentur. «Da war der Tenor noch eindeu­tig: Der Sport hat seine Hausauf­ga­ben gemacht und trägt nicht zum Infek­ti­ons­ge­sche­hen bei.»

Merkel beton­te in ihren Ausfüh­run­gen, bei hohen Corona-Zahlen könne nicht mehr gesagt werden, «dass ein bestimm­ter Bereich nicht zur Infek­ti­on beiträgt». Der bayeri­sche Minis­ter­prä­si­dent Markus Söder äußer­te, es stünden «ganz schwe­re Wochen für die Bevöl­ke­rung» bevor. «Das bisher Getane reicht nicht, wir müssen mehr tun», sagte der CSU-Chef, er äußer­te aber auch mit Nachdruck: «Wir werden Corona überste­hen, es gibt auch ein Morgen.»

Die 36 Verei­ne der Deutschen Fußball Liga müssen sich nicht gänzlich auf eine neue Situa­ti­on einstel­len: Bereits in den vergan­ge­nen Wochen hatte es aufgrund steigen­der Infek­ti­ons­zah­len zahlrei­che Spiele ohne oder nur mit wenigen Hundert Zuschau­ern gegeben. Die DFL bezeich­ne­te den Geister­spiel-Beschluss in einer Mittei­lung als «bedau­er­lich». Fans und Clubs hätten in den vergan­ge­nen Wochen, «wo immer möglich, Hygie­ne- und Abstands­re­geln nahezu ausnahms­los diszi­pli­niert umgesetzt und sind damit ihrer Verant­wor­tung gerecht geworden».

Ein umfas­sen­des Hygie­ne­kon­zept hatte dem Profi­fuß­ball im vergan­ge­nen Frühjahr die Wieder­auf­nah­me des Spiel­be­trie­bes mit Geister­spie­len ermög­licht. Für die aktuel­le Saison erhiel­ten die DFL wie der gesam­te Sport von der Politik grünes Licht, zumin­dest bis zu 20 Prozent der Gesamt­ka­pa­zi­tät der Stadi­en auslas­ten zu dürfen. Genutzt werden konnte das in den wenigs­ten Fällen.

Dass Geister­spie­le das Minimum für das wirtschaft­li­che Überle­ben der Verei­ne sind, hatten zuletzt mehre­re Bundes­li­ga-Funktio­nä­re betont. «Wenn wir die auch nicht mehr haben sollten, dann wird es ganz eng», hatte Borus­sia Dortmunds Geschäfts­füh­rer Hans-Joachim Watzke im ZDF gesagt. In den anderen Profi-Ligen sieht es dagegen bereits jetzt düste­rer aus.

«Aus unserer Sicht gibt es fachlich-hygie­nisch keine Gründe dafür», sagte Stefan Holz, der Geschäfts­füh­rer der Basket­ball-Bundes­li­ga, zu der Entschei­dung aus der Politik. «Es werden von uns Hygie­ne­kon­zep­te verlangt, für die wir viel Geld in die Hand nehmen und mit ausge­wie­se­nen Exper­ten zusam­men­ar­bei­ten. Und obwohl die Testpha­se gezeigt hat, dass die Konzep­te funktio­nie­ren, dreht man uns doch den Saft ab. Das ist bitter.»

Er sei aber froh, dass die Ligen zumin­dest ohne Zuschau­er spielen dürfen. «Von daher schwankt meine Gefühls­la­ge gerade zwischen Frust und Erleich­te­rung», sagte Holz. Die BBL will am 6. Novem­ber in ihre neue Saison starten — wie auch die zweit­höchs­te deutsche Eisho­ckey Liga. «Wir sind in erster Linie froh, dass der Spiel­be­trieb im Profi­sport erhal­ten werden kann», sagte DEL2-Geschäfts­füh­rer René Rudorisch. Die Deutsche Eisho­ckey-Liga DEL dagegen hatte den Saison-Start auf unbestimm­te Zeit verschoben.

Unter­schied­li­che Vorga­ben in den Ländern soll es nicht geben. «Die Entschei­dun­gen gelten bundes­weit», sagte Merkel. Söder beton­te, die Maßnah­men seien «kurzfris­tig hart, aber langfris­tig milder, als nichts zu tun».

Die Auswir­kun­gen auf den Amateur­sport dürften extrem sein. Fitness­stu­di­os, Schwimm- und Spaßbä­der werden geschlos­sen. Der Betrieb wird einge­stellt, Verei­ne dürfen nicht mehr trainie­ren. Allein der Indivi­du­al­sport, also etwa allei­ne joggen gehen, ist weiter erlaubt. «Der DOSB bedau­ert sehr, dass dieser tempo­rä­re Lockdown inklu­si­ve eines Verbots des Amateur­sports offen­bar nötig gewor­den ist», sagte Hörmann. Auch wenn der Profi­sport fortge­setzt werden dürfe, bleibe es dabei, «dass die gesam­te Sport­land­schaft, von der Bundes­li­ga bis zum Kinder­tur­nen, untrenn­bar zusammengehört».

Der Präsi­dent des Sächsi­schen Fußball-Verban­des (SFV), Hermann Winkler, kriti­sier­te die Beschlüs­se deutli­cher: «Ich bin entsetzt über die Ignoranz und Gering­schät­zung gegen­über dem Sport und der Verei­ne», sagte er der Deutschen Presse-Agentur.