Jugend­li­che in der Pande­mie. Corona könnte die Kluft zwischen jungen Leuten in Deutsch­land verbrei­tern, mutma­ßen Forscher. Denn die gefühl­ten Verlie­rer sind oft jene, die sich ohnehin schon abgehängt fühlen. Eine Umfra­ge beleuch­tet die Stimmung der Jugendlichen.

Die große Mehrheit der Umwelt­pro­test-erprob­ten «Genera­ti­on Greta» zeigt sich rücksichts­voll und lässt sie sich durch Corona kaum aus der Bahn werfen. Das belegt eine reprä­sen­ta­ti­ve Umfra­ge für die Studie «Junge Deutsche 2021», die am Donners­tag in Berlin vorge­stellt wurde. Dennoch sieht bis zu einem Drittel der 14- bis 39-Jähri­gen die Situa­ti­on negati­ver und blickt mit Sorge auf die eigene Zukunft.

Jugend­for­scher haben pauscha­le Medien­be­rich­te über eine hedonis­ti­sche Jugend, die in der Pande­mie ohne Rücksicht auf Verlus­te einfach weiter­fei­ert, nie für voll genom­men. Denn das würde großen Unter­su­chun­gen wie der Shell-Jugend­stu­die wider­spre­chen, die zuletzt eine solida­ri­sche junge Gesell­schaft porträ­tier­te — aller­dings mit Abstri­chen. Die neue reprä­sen­ta­ti­ve Online-Umfra­ge unter 1602 Jugend­li­chen und jungen Erwach­se­nen zwischen Mitte Oktober und Mitte Novem­ber zeich­net ein ähnli­ches Bild.

Zwei Drittel (66 Prozent) verzich­ten danach zurzeit bewusst auf Partys, um Familie und Freun­de zu schüt­zen. Ledig­lich acht Prozent geben an, dass sie dazu auf keinen Fall bereit seien. Rund ein Viertel (26 Prozent) antwor­tet mit «teils teils». 73 Prozent der Befrag­ten ist es zudem wichtig, sich an die Abstands- und Hygie­ne­re­geln zu halten und Masken zu tragen. Nur vier Prozent sagen hier «nein». Fast ein Viertel (23 Prozent) ist unentschlossen.

Dass bei der Umfra­ge sozial erwünsch­te Antwor­ten eine Rolle spielen, hält Sozial­for­scher und Mitau­tor Klaus Hurrel­mann für unwahr­schein­lich. «Die Tenden­zen sind belast­bar», urteilt er. Ledig­lich die einzel­nen Prozent­wer­te könnten durch die eher gerin­ge Zahl der Befrag­ten eine kleine Fehler­quo­te haben. Denn die rund 1600 Inter­view­ten stehen für jeweils 5,5 Millio­nen junge Bundes­bür­ger, die Sozial­wis­sen­schaft­ler die Genera­tio­nen Y (25 bis 39 Jahre) und Z (jünger als 25 Jahre) nennen.

Auffäl­lig ist, dass ein gutes Viertel der Befrag­ten beim Thema Rücksicht­nah­me nicht unbedingt mitma­chen möchte. Diese Gruppe lässt sich für die Forscher noch genau­er fassen: Es sind mehrheit­lich junge Männer — rund ein Drittel im Vergleich zu einem Fünftel junger Frauen. Sie haben oft ein eher niedri­ges Bildungs­ni­veau, leben eher in Klein- als in Großstäd­ten und kommen häufig aus schwie­ri­gen Famili­en­ver­hält­nis­sen. Durch die Corona-Krise sehen sie sich noch weiter abgehängt als vorher — in der Schule, im Beruf, finan­zi­ell und mit Blick auf ihre Perspektiven.

Für Forscher Hurrel­mann sind diese Umfra­ge-Ergeb­nis­se fast deckungs­gleich mit jenen aus großen deutschen Jugend­stu­di­en: «Ungefähr drei Viertel der jungen Leute fühlen sich in unserer Gesell­schaft wohl und spielen gern bei ihren Regeln mit.» Doch 20 bis 25 Prozent hätten damit Schwie­rig­kei­ten. Und: «Junge Männer tun sich mit Selbst­dis­zi­pli­nie­rung schwe­rer als junge Frauen. Bei Corona spitzt sich das sicht­bar zu.»

Die aktuel­le Umfra­ge zeigt auf der einen Seite eine flexi­ble und anpas­sungs­fä­hi­ge junge Genera­ti­on, die Homeschoo­ling oder Homeof­fice mehrheit­lich meistert. Ein gutes Fünftel fühlt sich mit den neuen Heraus­for­de­run­gen sogar wohler als vorher. Das hat die Forscher überrascht. «Hut ab, dass eine so große Gruppe das so aushält», sagt Hurrelmann.

Es passe aber ins Bild. «Viele junge Leute sind heute Krisen-Diagnos­ti­ker. Sie nehmen mit dem Klima­wan­del bereits eine kriti­sche und schwie­ri­ge Zeit wahr, in der man sich diszi­pli­niert verhal­ten muss.» Deswe­gen habe die Corona-Krise einen großen Teil von ihnen auch nicht total überrascht und aus den Gewohn­hei­ten gekippt. «Das ist eine junge Genera­ti­on, die weiß, dass sie sich auf nichts dauer­haft verlas­sen kann. Das ist mit einge­preist in ihr Lebens­kon­zept.» Ein großer Teil traut dabei gleich­zei­tig den Abfede­run­gen des Sozial­staats. Religi­ös gebun­de­ne junge Leute zeigten sich dazu optimis­ti­scher als andere.

Dennoch zeigt die Umfra­ge auch, dass fast ein Drittel der jungen Menschen mit Sorge auf die eigene Zukunft blickt. Häufig sind es junge Männer, die wissen, dass sie mit der Mehrheit der gebil­de­ten und weltof­fe­nen Jugend­li­chen kaum mithal­ten können. Weil sie den Mittle­ren Schul­ab­schluss nicht schaf­fen, das Abi schon gar nicht. Weil die Familie ihnen selten den Rücken stärkt. Natio­na­lis­ti­sche und autori­tä­re Positio­nen können dann einen ganz anderen Reiz bekom­men. Corona verstärkt ihre Sorgen. «Im Grunde wird diese Gruppe jetzt noch einmal weiter wegge­drückt von der Mehrheit, weil sich ihre Perspek­ti­ven verschlech­tern», sagt Hurrel­mann. «Die Genera­ti­on Corona — das sind sie.»

Nur gefühlt ist diese Benach­tei­li­gung oft nicht. Forscher gehen vor allem davon aus, dass die jünge­re Genera­ti­on Z, die noch in der Ausbil­dung ist, den Fuß durch die Corona-Krise schwe­rer in die Tür bekom­men wird. Die Konjunk­tur wird kaum anzie­hen. Mehr als ein Drittel der Jünge­ren gibt bereits jetzt an, dass sich ihre schuli­sche oder beruf­li­che Situa­ti­on verschlech­tert hat (37 Prozent). Bei den Älteren ist es ein Viertel.