STUTTGART — „Anstatt die dritte Corona-Welle mit zielge­nau­en Maßnah­men endlich wirksam einzu­däm­men, laufen die Vorschlä­ge im geplan­ten Infek­ti­ons­schutz­ge­setz auf einen nicht zielfüh­ren­den Total-Lockdown mit anschlie­ßen­dem Total-Schaden hinaus.“ Die wirtschaft­li­chen Folgen für den ohnehin geschwäch­ten Einzel­han­del sind katastro­phal, gerade für den Fachhan­del im Land wäre dies ein erneu­ter Rückschlag, kriti­siert der Handels­ver­band Baden-Württem­berg die Pläne des Bundes. „Die dritt­größ­te Branche im Land – der Einzel­han­del – steht am Abgrund. Und mit ihm Tausen­de Existen­zen und Arbeits­plät­ze“, warnt HBW-Präsi­dent Hermann Hutter*. Verband und Händler appel­lie­ren an alle Bundes­tags­ab­ge­ord­ne­ten, das Gesetz zu verhindern.

Seit Monaten erbrin­gen die Einzel­han­dels­un­ter­neh­men Sonder­op­fer, obwohl die Branche nachweis­lich kein Infek­ti­ons­trei­ber ist, was mehre­re aktuel­le Gutach­ten und Studi­en belegen. HBW-Vizeprä­si­dent Philipp Frese* sagt: „Der Handel hat neben hervor­ra­gen­den Hygie­ne­kon­zep­ten zumeist große, gut belüf­te­te Räume und ohnehin eine Flächen­be­schrän­kung pro Kunde. Es ist nicht nachvoll­zieh­bar, wo der Handel Risiko­trei­ber sein soll.“

Forde­rung: Einkau­fen nach Test oder Click & Meet – aber ohne Test

Natür­lich tut der Handel selbst — jeder Unter­neh­mer, jede Unter­neh­me­rin, jede Mitar­bei­te­rin, jeder Mitar­bei­ter – alles, um die Pande­mie wirksam einzu­däm­men und das Einkau­fen sicher zu gestal­ten. „Testmög­lich­kei­ten für Mitar­bei­ter, teilwei­se eigene Testzen­tren für Kunden, der Einsatz der LUCA-App zur Kontakt­nach­ver- folgung, Desin­fek­ti­on, intel­li­gen­te Wegefüh­rung, gestaf­fel­te Zeitfens­ter zum Einkauf (Click & Meet) und zur Waren­ab­ho­lung (Click & Collect) sind nur einige Beispie­le aus den Geschäf­ten“, berich­tet HBW-Haupt­ge­schäfts­füh­re­rin Sabine Hagmann. Als logischer nächs­ter Schritt sollten die neuen Möglich­kei­ten bei der Pande­mie­be­kämp­fung wie Impfun­gen und breite Tests inten­siv genutzt werden, anstatt den Läden wie im Infek­ti­ons­schutz­ge­setz geplant, neue Schran­ken vorzu­ge­ben. Hierzu zählen Einkaufs­mög­lich­kei­ten für tages­ak­tu­ell Getes­te­te und auch für Geimpfte.

Die geplan­te „doppel­te Zugangs­be­schrän­kung“ durch Negativ­test plus Zeitfens­ter beim Einkau­fen (Click & Meet) ist ein Einkaufs-Killer. „Erfolg­ver­spre­chen­der ist es, nach einem Negativ­test oder mit Impfnach­weis den norma­len Laden­be­such unter den üblichen Hygie­ne­auf­la­gen zuzulas­sen, wie es das Tübin­ger Modell zeigt, oder tatsäch­lich oberhalb von 100 immer Click & Meet in Verbin­dung mit Kontakt­nach­ver­fol­gung über die Luca-App zuzulas­sen“, so Hagmann weiter. „Wir dürfen unsere Innen­städ­te und damit unseren Lebens- und Begeg­nungs­raum nicht aufge­ben“, mahnt sie.

„Der Gesund­heits­schutz und Maßnah­men gegen das Corona­vi­rus liegen dem Handel sehr am Herzen. Es dürfen jedoch keine Maßnah­men getrof­fen werden, die uneffek­tiv sind, keine wesent­li­che Auswir­kun­gen auf das Infek­ti­ons­ge­sche­hen haben und im Gegen­zug einen irrever­si­blen Schaden in der Wirtschaft und an den Innen­städ­ten hinter­las­sen“, ergänzt Hermann Hutter, HBW-Präsident.

Verband befürch­tet noch größe­res Regelungs- und Infor­ma­ti­ons-Chaos für Unter­neh­men und Kunden

In einem dringen­den Appell haben sich in dieser Woche neben dem Verband auch zahlrei­che Händler an die Landes­re­gie­rung und an ihre Bundes­tags­ab­ge­ord­ne­ten vor Ort gewandt, um das Gesetz im Bundes­tag zu verhin­dern. Der Einzel­han­del darf nicht immer nur eine der wenigen Branchen sein, die mit Berufs­be­schrän­kun­gen oder –verbo­ten überzo­gen werden, ohne zum Infek­ti­ons­ge­sche­hen wesent­lich beizu­tra­gen. Das ist unlogisch und ungerecht und vor allem auch unver­hält­nis­mä­ßig. Wenn schon Lockdown, dann müssen alle Berei­che erfasst werden, die zum Infek­ti­ons­ge­sche­hen beitra­gen. Hinzu kommt: Regelun­gen müssen für Unter­neh­men und Kunden klar, nachvoll­zieh­bar und auf regio­na­le Gegeben­hei­ten abgestimmt sein. Das Regelungs-Chaos wird durch ein neues bundes­wei­tes Infek­ti­ons­schutz­ge­setz nicht besser. Der Bund hat es in über einem Jahr Pande­mie versäumt, Infek­ti­ons­ge­sche­hen und ‑orte zu identi­fi­zie­ren und daraus Konse­quen­zen zu ziehen. Erst diese Woche haben Aerosol­for­scher klar die engen Innen­räu­me (der Handel zählt also auch nicht dazu) als Gefahr ausge­macht und einen Kurswech­sel gefordert.