MANNHEIM (dpa/lsw) — Schuh­ge­schäf­te gehören nicht zur Grund­ver­sor­gung, Blumen­sträu­ße dagegen schon: Die Corona-Regeln für den Einzel­han­del standen im Südwes­ten auf dem juris­ti­schen Prüfstand. Aus Sicht des Handels­ver­ban­des lässt der Beschluss viele Fragen offen.

Ein Schuh­ge­schäft ist mit einem Eilan­trag gegen die 2G-Regel vor dem Verwal­tungs­ge­richts­hof (VGH) Baden-Württem­berg geschei­tert. Die Forde­rung, nicht nur Genese­nen und Geimpf­ten als Kunden Zutritt zu gewäh­ren, sei abgelehnt worden, weil die Infek­ti­ons­zah­len derzeit stark anstie­gen, teilten die Mannhei­mer Richter am Mittwoch mit.

Sie verwie­sen auf Empfeh­lun­gen des Robert Koch-Insti­tuts, für den Zugang zu Laden­ge­schäf­ten die 2G-Regelung, für den Zugang zu Geschäf­ten des tägli­chen Bedarfs die 3G-Regelung anzuwen­den. 3G bedeu­tet Zutritt für Genese­ne, Geimpf­te und negativ Getestete.

«Wir sind sehr enttäuscht», sagte die Haupt­ge­schäfts­füh­re­rin des Handels­ver­ban­des, Sabine Hagmann, der Deutschen Presse-Agentur. Sie bezeich­ne­te den Beschluss als scheren­schnitt­ar­tig und undif­fe­ren­ziert. Die Richter hätten sich seit langem der Unter­stüt­zung der Politik verschrie­ben, ohne die Entwick­lung in anderen Bundes­län­dern wie etwa Bayern und Nieder­sach­sen zu berück­sich­ti­gen, wo es infol­ge von Gerichts­ent­schei­dun­gen Locke­run­gen für den Einzel­han­del gegeben habe. Dass im Einzel­han­del Existen­zen auf dem Spiel stünden, inter­es­sie­re die Justiz zu wenig.

Das Gericht folgte der Argumen­ta­ti­on der Filia­le eines Unter­neh­mens mit Sitz außer­halb Baden-Württem­bergs nicht, im Einzel­han­del komme es nur in gerin­gem Umfang zu Infek­tio­nen. Die Ursachen des Infek­ti­ons­ge­sche­hens seien derzeit vielmehr diffus. Die Luca-App, auf deren Daten sich die Antrag­stel­le­rin berufe, werde im Einzel­han­del vielfach gar nicht eingesetzt.

Die Kläge­rin machte geltend, Schuh­ge­schäf­te dienten der Grund­ver­sor­gung der Bevöl­ke­rung. Dem hielt der 1. Senat entge­gen: «Üblicher­wei­se dürfte jeder Bürger über ausrei­chend Schuhe verfü­gen, um einen gegebe­nen­falls auch kurzfris­tig entste­hen­den Neuan­schaf­fungs­be­darf zu überbrü­cken.» Wenn die Antrag­stel­le­rin anfüh­re, dass jeder Deutsche pro Jahr vier Paar Schuhe kaufe, zeige das nur, dass Schuhe nicht kurzfris­tig neu angeschafft werden müssten. Das Gemein­wohl werde durch einen Verzicht auf diese Produk­te nicht beeinträchtigt.

Hagmann hinge­gen beton­te, es sei nicht zu verste­hen, dass in der Corona-Verord­nung der Kauf von Blumen­sträu­ßen als Teil der Grund­ver­sor­gung gewer­tet werde, der Erwerb von Schuhen hinge­gen nicht. Wenn die Richter von diffu­sen Infek­ti­ons­quel­len sprächen, sei daraus zu schlie­ßen, dass der Einnzel­han­del kein Infek­ti­ons­trei­ber sei — im Gegen­teil. Obwohl die Mitar­bei­ter der Geschäf­te jeden Tag an der Front stünden, machten sie unter den Infizier­ten nur einen Anteil von unter einem Prozent aus.

Der Beschluss des VGH ist unanfecht­bar (Az.: 1 S 3781/21).