TRIER (dpa) — Corona hinter­lässt psychisch deutli­che Spuren. Vor allem die Ungewiss­heit belas­te viele Menschen, sagt eine Glücks­for­sche­rin. Das große Glück sei gerade kein Thema, eher das «Irgend­wie-Durch­kom­men».

Fast zwei Jahre Corona-Pande­mie und dunkle Winter­zeit: Beides zusam­men drückt nach Beobach­tung der Trierer Glücks­for­sche­rin Michae­la Brohm-Badry zuneh­mend auf die Stimmung.

«Wenn man zurzeit nicht gut drauf ist, dann ist es total in Ordnung», sagte sie der Deutschen Presse-Agentur. Es sei absolut verständ­lich «und man kann es einfach mal für sich akzeptieren».

Auch in der Glücks­for­schung sei vom großen Glück nicht die Rede. «Es geht zurzeit eher um Wohlbe­fin­den. Um das Irgend­wie-Durch­kom­men», sagte Brohm-Badry, die die Präsi­den­tin der Deutschen Gesell­schaft für Positiv-Psycho­lo­gi­sche Forschung ist. In den Blick genom­men würden eher kleine Schrit­te, kleine Dinge, um sich zu motivie­ren und Freude zu erlan­gen. «Das kann schon ein kleiner Spazier­gang sein.»

Was in der lang andau­ern­den Pande­mie beson­ders belas­tend sei, sei «die Ungewiss­heit, die mangeln­de Planbar­keit», sagte Brohm-Badry. «Dass man nicht den nächs­ten Urlaub planen kann, dass man nicht weiß, welche Einschrän­kun­gen demnächst gelten.» Hinzu komme eine «große Ernüch­te­rung» darüber, dass die Digita­li­sie­rung den direk­ten mensch­li­chen Kontakt nicht erset­zen könne.

«Was online geht, das ist die Vermitt­lung von Inhal­ten — also der rein kogni­ti­ve Bereich. Aber die emotio­na­le Ebene, die echte Verbun­den­heit mit anderen, die fehlt weitge­hend», sagte die Profes­so­rin für Empiri­sche Lehr-Lern-Forschung und Didak­tik an der Univer­si­tät Trier. Diese Verbun­den­heit sei aber «unglaub­lich wichtig, damit es den Menschen einiger­ma­ßen gut geht». Viele sagten jetzt: «Telefon ist besser als SMS. Facetime ist besser als Telefon und analog ist besser als digital.»

Es zeige sich, dass einiges, was die Forscher zu Beginn der Krise angenom­men hatten, nicht mehr zutref­fe, sagte Brohm-Badry. So habe man gedacht, die Menschen würden aktiver werden — mehr Sport machen. Nach inter­na­tio­na­len Studi­en der Ameri­can Psycho­lo­gi­cal Associa­ti­on von 2021 aber hätten 41 Prozent der Befrag­ten angeben, dass sie körper­lich weniger aktiv seien als vor Corona. «Das höhere Energie­ni­veau, das am Anfang deutlich war, ist untergegangen.»

Menschen im Alter zwischen 20 und 40 Jahren litten am stärks­ten unter der Situa­ti­on, sagte die Wissen­schaft­le­rin. «Ich denke, es liegt daran, dass sie noch viel errei­chen und aufbau­en wollen. Und dann sind sie in ihren Entschei­dun­gen einge­schränkt.» Die Motiva­ti­on werde ausge­bremst, weil die Handlungs­frei­heit einge­schränkt sei und man sich bei geänder­ten Regeln ständig neu organi­sie­ren müsse. «Das führt zu einer Erschöp­fung der Willens­kraft.» Und: Menschen zögen sich zurück, einige isolier­ten sich teils mehr als sie müssten.

Nach der Forschung gebe es zwei Wege, um wieder aktiver und positi­ver zu werden: «Zum einen jede Möglich­keit zu suchen zum siche­ren, aber echten Kontakt mit Menschen», sagte Brohm-Badry. Und: kleine Dinge zu planen, über die man die Kontrol­le habe — wie sich draußen zu bewegen. «Jede Kleinig­keit zählt jetzt, nicht mehr die großen Dinge. Ich muss jetzt keinen halben Marathon laufen. Nein, einfach kleiner.»

Von Birgit Reichert, dpa