NEW YORK (dpa) — Facebook ist ein Inter­net-Koloss mit 3,5 Milli­ar­den Nutzern, super­reich und technisch gewieft. Wie kann es also passie­ren, dass der Tech-Konzern für Stunden offline geht?

Rund sechs Stunden ohne Facebook, Whats­App und Insta­gram: Ein ungewöhn­lich langer Total-Ausfall hat Milli­ar­den Nutzer des Online-Netzwerks zugesetzt. Nach Angaben von Facebook war der Auslö­ser eine fehler­haf­te Änderung der Netzwerk-Konfiguration.

Der Fehler sei auf den Routern passiert, die den Daten­ver­kehr zwischen Facebooks Rechen­zen­tren koordi­nier­ten, hieß es in einem Blogein­trag am Diens­tag. Als Folge sei die Kommu­ni­ka­ti­on zwischen den Rechen­zen­tren unter­bro­chen worden. Dies habe zum Ausfall der Diens­te geführt. Da dabei auch inter­ne Syste­me und Software-Werkzeu­ge gestört gewesen seien, sei es schwie­ri­ger gewesen, das Problem schnell zu diagnos­ti­zie­ren und zu lösen.

Die Facebook-Erklä­rung deckt sich mit Vermu­tun­gen von Netzex­per­ten, die von einem Fehler bei den Netzwerk-Einstel­lun­gen ausgin­gen. Facebook beton­te auch, der Konzern habe keine Hinwei­se darauf, dass bei dem Ausfall Nutzer­da­ten in Mitlei­den­schaft gezogen worden seien. Man arbei­te daran, besser zu verste­hen, was passiert sei.

«Verein­facht darge­stellt: Die Diens­te von Facebook, Whats­App und Insta­gram sind noch da — aber es fehlt im Inter­net quasi die Verknüp­fung dorthin», erläu­ter­te Rüdiger Trost von der IT-Sicher­heits­fir­ma F‑Secure der Deutschen Presse-Agentur. «Als hätte jemand auf einer Autobahn die Ausfahrts­schil­der zu den «Orten» Insta­gram, Whats­App und Facebook entfernt.»

Server manuell zurückgesetzt

Gründer und Chef Mark Zucker­berg hatte sich zunächst in einem kurzen Post entschul­digt. Insge­samt nutzen weltweit rund 3,5 Milli­ar­den Menschen mindes­tens einen Dienst des Facebook-Konzerns.

Die Störung war so schwer in Griff zu bekom­men, dass Facebook der «New York Times» zufol­ge ein Team in sein Rechen­zen­trum im kalifor­ni­schen Santa Clara schicken musste, um einen «manuel­len Reset» der Server zu versu­chen. Das wäre in etwa so, wie wenn man beim PC zuhau­se den Reset-Knopf drückt, weil nichts mehr geht.

Beim Unter­ne­men selbst seien neben der inter­nen Kommu­ni­ka­ti­ons­platt­form zum Teil auch digita­le Türschlös­ser in Büros und andere vernetz­te Technik ausge­fal­len, schrieb die «New York Times» weiter. Zwei nament­lich nicht genann­te IT-Sicher­heits­exper­ten von Facebook sagten der Zeitung, eine Cyber­at­ta­cke als Auslö­ser der Proble­me erschei­ne unwahrscheinlich.

Nutzer sorgten für erhöh­te Auslastung

Die Facebook-Diens­te waren ab etwa 18.00 Uhr deutscher Zeit nicht mehr nutzbar. Der Technik-Chef des Cloud-Dienst­leis­ters Cloud­fla­re, John Graham-Cumming, verwies darauf, dass Nutzer und auch Software weiter­hin versuch­ten, Facebook-Diens­te anzusteu­ern. Das sorge für einen massi­ven Anstieg der Auslas­tung anderer DNS-Diens­te, schrieb er bei Twitter.

Allein schon für den Austausch über den Ausfall schlug die Stunde von Twitter — und der Facebook-Konkur­rent war sich dessen bewusst. «Hallo buchstäb­lich alle», twitter­te der Account des Kurznach­rich­ten­diens­tes, auf dem sich über Stunden hinweg unzäh­li­ge Facebook-Nutzer tummel­ten, um Infor­ma­tio­nen einzuholen.

Ausfall kommt nach Whistleblower-Vorwürfen

Für Facebook, das gerade in den USA unter verstärk­tem politi­schen Druck steht, war der mehrstün­di­ge Ausfall quasi eine blama­ble Krönung ohnehin schlech­ter Wochen. Erst am Sonntag hatte eine ehema­li­ge Mitar­bei­ter sich als Whist­le­b­lo­we­rin zu erken­nen gegeben und dem Online-Netzwerk vorge­wor­fen, Profit über das Wohl der Nutzer zu stellen. Am Diens­tag soll sie im US-Senat befragt werden.

Twitter war entspre­chend voller Scher­ze darüber, wie das Verschwin­den von Facebook alles auf einen Schlag besser gemacht habe, bis hin zum Weltfrie­den. «Hoffent­lich gehen Facebook, Insta­gram und Whats­App nie wieder an», twitter­te der Satiri­ker Jan Böhmer­mann. Der NSA-Enthül­ler Edward Snowden ergriff die Gelegen­heit, um die Chat-App Signal als Alter­na­ti­ve zu empfeh­len, die mehr Daten­schutz biete.

Auf den Störungs­platt­for­men melde­ten Nutzer zum Teil Proble­me auch mit anderen Online-Diens­ten, die sich jedoch zunächst nicht weiträu­mig bestätigten.

Störun­gen keine Seltenheit

Störun­gen, die auf Netzwerk-Fehler zurück­ge­hen, gibt es im Web immer wieder mal. So hatte eine davon im Juli dafür gesorgt, dass zahlrei­che Websei­ten zeitwei­se nicht erreich­bar waren. Die Zentra­li­sie­rung der Netz-Infra­struk­tur bei großen Anbie­tern sorgt zudem dafür, dass der Ausfall bei einer Firma gleich viele Diens­te und Websites vom Netz reißen kann.

Auch Anfang Juni waren bereits zahlrei­che Websei­ten weltweit nach einer Störung bei einem im Cloud-Dienst rund eine Stunde nicht erreich­bar gewesen. Damals betrof­fen waren unter anderem die Seite der briti­schen Regie­rung, die Platt­form Reddit sowie die Nachrich­ten­por­ta­le des «Guardi­an», der «New York Times», der «Finan­cial Times» und der franzö­si­schen Zeitung «Le Monde».

Bei Facebook hatte es im Frühjahr 2019 einen großflä­chi­gen Ausfall gegeben, der dem Konzern zufol­ge auf einen Fehler bei der Server-Konfi­gu­ra­ti­on zurück­ging. Die Störung vom Montag war jedoch in ihrem Ausmaß und Dauer außergewöhnlich.

Ausfall regt Werbe­kun­den zum Nachden­ken an

Eine Frage ist, ob der Ausfall Werbe­kun­den von Facebook dazu veran­las­sen wird, über Alter­na­ti­ven nachzu­den­ken. Denn gerade viele kleine Unter­neh­men rund um die Welt verlas­sen sich auf Facebook, um Kunden anzulo­cken. Für sie bedeu­te­te die Störung verlo­re­nes Geschäft.

Die Facebook-Aktie schloss mit einem Minus von knapp fünf Prozent. Auch danach war das Unter­neh­men an der Börse immer noch rund 920 Milli­ar­den Dollar wert. Das persön­li­che Vermö­gen von Zucker­berg schrumpf­te nach Berech­nun­gen des Finanz­diens­tes Bloom­berg binnen weniger Stunden um mehr als sechs Milli­ar­den Dollar. Mit trotz­dem noch 121,6 Milli­ar­den Dollar rutsch­te er um einen Platz nach hinten auf den fünften Rang hinter Micro­soft-Gründer Bill Gates. Nachdem die Störung behoben war, legte der Kurs der Facebook-Aktie im nachbörs­li­chen Handel zeitwei­se um 0,36 Prozent zu.

Von Andrej Sokolow, dpa