MONTREUX (dpa) — Die Ankün­di­gung der Super League lässt Tausen­de Fans europa­weit wütend zurück, Protes­te gibt es auch in Deutsch­land. Viele Fragen sind offen, eine der drängends­ten: Welche Clubs ziehen noch mit?

In Dortmund setzten wüten­de BVB-Fans ein schwarz-gelbes Zeichen, in Montreux beriet man in der UEFA angespannt über mögli­che Sanktio­nen. Die Ankün­di­gung der Super League, der laut briti­schen Medien «grotes­ke Verrat», ließ Anhän­ger, Verei­ne und Verbän­de fassungs­los zurück.

Die UEFA stell­te sich bei ihrem Kongress in der Schweiz für den Macht­kampf mit den zwölf abtrün­ni­gen Topclubs auf. Karl-Heinz Rumme­nig­ge soll eine entschei­den­de Rolle zukom­men. Der Vorstands­chef des FC Bayern wurde per Akkla­ma­ti­on in das UEFA-Exeku­tiv­ko­mi­tee aufge­nom­men, in dem DFB-Vizeprä­si­dent Rainer Koch mit 47 Stimmen als Mitglied bestä­tigt wurde.

UEFA-Präsi­dent Aleksan­der Ceferin, der seine Kritik an der Super League erneu­er­te, den engli­schen Clubs aber eine kleine Hinter­tür öffne­te, würdig­te den 65 Jahre alten Rumme­nig­ge als «fantas­ti­schen Ehren­vor­sit­zen­den der European Club Assso­cia­ti­on». Der bishe­ri­ge ECA-Chef Andrea Agnel­li ist bei der UEFA als einer der Haupt­ver­ant­wort­li­chen für den großen Knall am Vortag nicht mehr erwünscht.

Nun soll es mit Rumme­nig­ge gegen die Super League gehen. «Wir sind nicht dabei, weil wir kein Teil davon sein wollen», sagte der Bayern-Chef der italie­ni­schen Zeitung «Corrie­re della Sera». «Wir sind zufrie­den, Champi­ons League zu spielen und verges­sen nicht die Verant­wor­tung, die wir gegen­über unseren Fans haben, die grund­sätz­lich gegen so eine Reform sind. Und wir spüren die Verant­wor­tung gegen­über dem Fußball als Ganzes.»

An dieser deutli­chen Absage an das durch eine US-Großbank finan­zier­te Super-League-Projekt werden sich die Bayern messen lassen müssen, auch wenn Rumme­nig­ge Ende des Jahres als Vorstand abtritt. Noch ist offen, wer die verblei­ben­den drei Gründungs­mit­glie­der werden sollen. Zwölf von 15 stehen fest, darun­ter Real Madrid, der FC Liver­pool und Agnel­lis Juven­tus Turin. Einem Bericht des «Spiegel» zufol­ge wünschen sich die bishe­ri­gen Gründer Paris Saint-Germain, den FC Bayern und Borus­sia Dortmund. Zu angeb­lich angebo­te­nen Verträ­gen, über die das Nachrich­ten­ma­ga­zin berich­te­te, äußer­te sich keiner dieser Clubs.

Dafür machten die BVB-Anhän­ger ihrem Ärger gehörig Luft. «Klare Worte statt leere Zeilen», schrie­ben die Fans in schwar­zer Schrift auf ein großes gelbes Plakat, das an einem Zaun gegen­über der Dortmun­der Geschäfts­stel­le hing. «ESL (European Super League) Absage jetzt und für immer.» BVB-Geschäfts­füh­rer Hans-Joachim Watzke hatte sich bereits ableh­nend zur Super League geäußert: Die Meinun­gen des BVB und der Bayern seien in dieser Sache deckungs­gleich mit jener der ECA, die deutli­che Kritik geübt hatte.

«Der Fußball ist offen und für alle da. Eine geschlos­se­ne Super League dagegen nur für Super­rei­che und Super­rück­sichts­lo­se», sagte auch DFB-Präsi­dent Fritz Keller. «Das egois­ti­sche Verhal­ten dieser zwölf Verei­ne hat mit dem Spiel, in das wir uns als Kinder verliebt haben, nichts mehr zu tun.» Der 64-Jähri­ge plädiert für die Verban­nung der Clubs und von deren Nachwuchs­mann­schaf­ten aus allen bestehen­den Wettbe­wer­ben. «Bis sie wieder an ihre vielen Anhän­ger denken, die sie erst zu den größten Clubs der Welt gemacht haben — und nicht nur an ihre Geldbeutel.»

Ob das recht­lich möglich ist, prüft die UEFA hände­rin­gend in mehre­ren Gesprä­chen. Laut der Statu­ten bedarf jeder neue Wettbe­werb der Zustim­mung des Dachver­ban­des — und die Anerken­nung dieser Regeln ist die Voraus­set­zung für die Zulas­sung zu UEFA-Wettbe­wer­ben. Aller­dings geht die Frage über Konkur­renz­pro­duk­te tief ins EU-Recht. Dem europäi­schen Club-Fußball droht eine Schlamm­schlacht vor Gericht, mögli­cher­wei­se schon vor dem Halbfi­na­le der aktuel­len Champi­ons-League-Saison Anfang Mai.

«Wenn einige wählen, ihren eigenen Weg zu gehen, müssen sie mit den Konse­quen­zen leben», sagte FIFA-Präsi­dent Gianni Infan­ti­no beim UEFA-Kongress ohne ins Detail zu gehen. «Sie sind verant­wort­lich. Konkret bedeu­tet das, entwe­der bist du drin — oder draußen. Du kannst nicht zu Hälfte drin und zur Hälfte draußen sein. Aber ich will nicht einmal darüber nachdenken.»

In England, der Heimat der Hälfte der bishe­ri­gen zwölf Super­li­gis­ten, drohte Premier­mi­nis­ter Boris Johnson mit schar­fen Sanktio­nen. Er kündig­te in der «Sun» an, dem «lächer­li­chen» Milli­ar­den­pro­jekt die Rote Karte zu zeigen. Sein Sport­mi­nis­ter Oliver Dowden stell­te im Parla­ment drasti­sche Ideen vor, um die «Big Six», die engli­schen Spitzen­ver­ei­ne, von einer Teilnah­me abzuhal­ten. Sogar Prinz William — Präsi­dent des natio­na­len Verban­des FA — misch­te sich ein. In Deutsch­land hielt sich die Politik zurück.

Von Jan Mies, Arne Richter, Flori­an Lütti­cke und Benedikt von Imhoff, dpa