STUTTGART (dpa/lsw) — Es ist ein Déja-vu: Schon bei ihrem Start stell­te Grün-Schwarz ihren Koali­ti­ons­ver­trag unter «Finan­zie­rungs­vor­be­halt» und hoffte auf größe­re Sprün­ge nach Corona. Dann kam der Ukrai­ne-Krieg. Dessen Folgen machen auch Grünen und CDU einen Strich durch die Rechnung.

Nach den Frakti­ons­chefs von Grünen und CDU hat auch Finanz­mi­nis­ter Danyal Bayaz das Land auf wirtschaft­lich schlech­te­re Zeiten einge­stimmt und vor zu hohen Erwar­tun­gen an den nächs­ten Doppel­haus­halt gewarnt. «Wir werden objek­tiv ärmer durch niedri­ges Wachs­tum und hohe Infla­ti­on. Ich erwar­te, dass diese Situa­ti­on die Wirtschaft im Land auch über dieses Jahr hinaus prägen wird», sagte der Grünen-Politi­ker der «Stutt­gar­ter Zeitung» und den «Stutt­gar­ter Nachrich­ten» (Diens­tag). «Das heißt, dass unser Land insge­samt weniger finan­zi­el­le Mittel hat und wir weniger Spiel­raum für zusätz­li­che Ausga­ben haben.» Es sei zwar kein Spare­tat notwen­dig, aber «ein fokus­sier­ter Haushalt mit klaren Prioritäten».

Bayaz sieht die Steuer­schät­zung auf «töner­nen Füßen»

Bayaz befürch­tet, dass die Mai-Steuer­schät­zung für Bund und Länder in dieser Woche trotz abseh­ba­rer Folgen des Ukrai­ne-Kriegs auf die Konjunk­tur zu positiv ausfal­len wird. «Die Einnah­men sind in den vergan­ge­nen Monaten im Vergleich zur vorigen Schät­zung im Novem­ber weiter gestie­gen. Die Steuer­schät­zung wird insge­samt positiv ausfal­len. Aller­dings klingt das besser, als es in Wahrheit ist», sagte er den Zeitun­gen. «Diese positi­ve Steuer­schät­zung steht auf töner­nen Füßen.» Die Folgen des Ukrai­ne-Kriegs, die hohe Teuerungs­ra­te und Belas­tun­gen der Weltwirt­schaft wie die Pande­mie und gestör­te Liefer­ket­ten würden im Laufe des Jahres auf die Konjunk­tur und die Steuer­ein­nah­men durchschlagen.

Hohe Belas­tun­gen für Doppel­etat erwartet

Bayaz sieht weite­re Belas­tun­gen, die das Land stemmen müsse. So müssten die Länder die milli­ar­den­schwe­ren Entlas­tungs­pa­ke­te des Bundes mitfi­nan­zie­ren. Hinzu kämen wachsen­de Kosten für Unter­halt und Unter­brin­gung von ukrai­ni­schen Flücht­lin­gen und das struk­tu­rel­le Defizit aus der mittel­fris­ti­gen Finanz­pla­nung von 5,4 Milli­ar­den Euro allein für den Doppel­etat 2023/2024. «Das muss man erst einmal stopfen — der Überschuss reicht dazu nicht», sagte Bayaz.

Zur Erinne­rung: Der Koali­ti­ons­ver­trag steht seit Anfang an wegen großer Lücken durch Corona unter Finan­zie­rungs­vor­be­halt. Der anste­hen­de Doppel­etat ist aller­dings der zentra­le Haushalt für die Verwirk­li­chung der Projek­te in dieser Legis­la­tur­pe­ri­ode. Das dürfte zähe Vertei­lungs­kämp­fe inner­halb der Koali­ti­on nach sich ziehen.

Zuletzt hatten auch die Frakti­ons­chefs Andre­as Schwarz (Grüne) und Manuel Hagel (CDU) vor zu hohen Erwar­tun­gen an den Etat gewarnt. «Ich rate zu deutli­cher Zurück­hal­tung bei den Haushalts­be­ra­tun­gen», sagte Schwarz. «Das wird harte Diskus­sio­nen geben.» Hagel mahnte: «Wir sind jetzt nicht bei Wünsch-dir-was.» Wer von den Minis­te­rin­nen und Minis­tern bei den Etatbe­ra­tun­gen einen Euro mehr wolle, müsse den Ehrgeiz haben zu sagen, wo man zwei Euro sparen kann. «Wer sagt, was er will, muss auch sagen, was weg kann.»

Was ist dann mit der teuren Verkehrswende?

Verkehrs­mi­nis­ter Winfried Hermann (Grüne) sagte dazu am Montag, dieses Prinzip funktio­nie­re nach seiner Erfah­rung nicht. «Das würde dann gelin­gen, wenn eine alte Aufga­be wegfal­len würde.» In der Regel kämen zu den alten Aufga­ben aber immer neue hinzu. Der Grüne sieht auch nicht ein, wegen der Appel­le zum Maßhal­ten von seinen Zielen bei der teuren Verkehrs­wen­de abzurü­cken. Um den Umstieg vom Auto auf Busse und Bahnen zu beschleu­ni­gen, müsse man deutlich mehr in Infra­struk­tur und Fahrzeu­ge inves­tie­ren. Hermann beton­te: «Der Koali­ti­ons­ver­trag besteht nicht nur aus Sparen, sondern auch aus Investieren.»

SPD wirft Grün-Schwarz «Zögern und Zaudern» vor

Der SPD-Finanz­ex­per­te Nicolas Fink kann denn auch den Pessi­mis­mus von Bayaz nicht nachvoll­zie­hen. «Zunächst einmal ist es ein Grund zur Freude, wenn die Steuer­schät­zung des Landes positiv ausfällt», sagte Fink. «Wenn die Landes­re­gie­rung aber jetzt schon ankün­digt, dass man zögern und zaudern will, wird das dem aktuel­len Handlungs­be­darf im Land nicht gerecht.» Das Land brauche jetzt bezahl­ba­ren Wohnraum, mehr Schwung bei der Energie­wen­de, siche­re Arbeits­plät­ze und ein funktio­nie­ren­des Bildungssystem.»