STUTTGART (dpa/lsw) — Überall schnel­les Inter­net, mehr Stellen für die Polizei und mehr Geld für Innova­tio­nen: Grüne und CDU wollen jede Menge inves­tie­ren. Doch die Kassen sind wegen Corona so leer wie lange nicht mehr.

Grüne und CDU im Südwes­ten haben bei ihren Koali­ti­ons­ver­hand­lun­gen weite­re Pflöcke einge­rammt, doch hinter vielen kostspie­li­gen Projek­ten steht wegen leerer Kassen ein großes Frage­zei­chen. So sind sich in der Arbeits­grup­pe zur Digita­len Infra­struk­tur dem Verneh­men nach beide einig, das ganze Land so schnell wie möglich mit schnel­lem Inter­net zu versor­gen. Doch dafür müsste die Regie­rung richtig viel Geld in die Hand nehmen. Ein anderes Beispiel: Die CDU um Innen­mi­nis­ter Thomas Strobl dringt auf deutlich mehr Stellen für die Polizei. Auch hier steht die Frage im Raum, was sich das Land leisten kann.

An diesem Donners­tag wollen die Spitzen von Grünen und CDU um Minis­ter­prä­si­dent Winfried Kretsch­mann eine erste Bilanz der Koali­ti­ons­ver­hand­lun­gen ziehen und Priori­tä­ten setzen. Am heuti­gen Mittag (13.00) wollen die beiden Grünen-Vorsit­zen­den Sandra Detzer und Oliver Hilden­brand sowie Strobl und CDU-General­se­kre­tär Manuel Hagel die Medien informieren.

Die Spitzen beider Partei­en hatten schon in ihrem Sondie­rungs­pa­pier die Leitli­ni­en für die künfti­ge Zusam­men­ar­beit ausge­ge­ben. Dabei mussten die Christ­de­mo­kra­ten nach ihrer klaren Wahlnie­der­la­ge eine Reihe von Zugeständ­nis­sen machen. Die CDU akzep­tier­te zum Beispiel das gesam­te grüne Sofort­pro­gramm für mehr Klima­schutz. In den Koali­ti­ons­ver­hand­lun­gen geht es aber auch um viele andere Themen. Einige Beispiele:

DIGITALISIERUNG: Grüne und CDU sind der Meinung, dass der Breit­band­aus­bau auf dem Land viel schnel­ler voran­ge­hen muss. Doch ein flächen­de­cken­der Glasfa­ser­aus­bau kommt richtig teuer. Die CDU hatte in ihrem Wahlpro­gramm von 1,5 Milli­ar­den Euro gespro­chen. Der Landkreis­tag hält 500 Millio­nen Euro im Jahr für nötig. Hier wird erwar­tet, dass die Spitzen der Koali­ti­on am Ende über Summen und einen mögli­chen Stufen­plan entscheiden.

FAMILIEN: Hier verzich­tet die CDU auf zwei ebenfalls kostspie­li­ge Projek­te aus ihrem Wahlpro­gramm. Die Union hatte in der Arbeits­grup­pe Bauen und Wohnen dafür gewor­ben, das Baukin­der­geld fortzu­füh­ren, nachdem der Bund Ende März seine Förde­rung beendet hat. Am Ende verstän­dig­te man sich aber, darauf zu verzich­ten. Der Bund hatte in den vergan­ge­nen zweiein­halb Jahren Baukin­der­geld an Famili­en gezahlt, wenn diese ein Haus gebaut oder eine Immobi­lie gekauft haben. Pro Kind gab es 12 000 Euro, ausge­zahlt in zehn Jahres­ra­ten zu je 1200 Euro. Die Südwest-CDU wollte eigent­lich mehr für «Häusle­bau­er» tun und auch die Grund­er­werbs­steu­er von 5 auf 3,5 Prozent senken, doch auch das musste sie abschreiben.

WAHLRECHT: Die Reform des Wahlrechts kostet kaum Geld, beendet aber einen langen Streit zwischen Grünen und CDU. Die Arbeits­grup­pe Inneres, Justiz und Verfas­sung einig­te sich wie erwar­tet darauf, dass es künftig ähnlich wie im Bund ein Zwei-Stimmen-Wahlrecht geben soll. Die Einigung ist keine Überra­schung, weil Grüne und CDU schon in ihrem Sondie­rungs­pa­pier geschrie­ben hatten, ein perso­na­li­sier­tes Verhält­nis­wahl­recht mit einer geschlos­se­nen Landes­lis­te einfüh­ren zu wollen. Zudem sollen Jünge­re schon ab 16 Jahre wählen dürfen.

Künftig sollen Wähle­rin­nen und Wähler mit der Erststim­me ihren Direkt­kan­di­da­ten im Wahlkreis in den Landtag wählen können. Die Zweit­stim­me soll wie bei der Bundes­tags­wahl an eine Partei gehen. Entspre­chend dem landes­wei­ten Stimmen­an­teil käme dann eine gewis­se Anzahl von Kandi­da­tin­nen und Kandi­da­ten von den Landes­lis­ten der Partei­en ins Parla­ment. Ziel der Reform ist unter anderem, mehr Frauen ins Parla­ment zu bekom­men. Die Partei­en könnten auf ihren Listen Frauen weit vorne platzieren.

FINANZEN: Grüne und CDU haben sich schon in der Sondie­rung darauf verstän­digt, an der Schul­den­brem­se festhal­ten zu wollen. Das heißt, dass die künfti­ge Koali­ti­on für Inves­ti­tio­nen keine neuen Kredi­te aufneh­men darf. Zugleich klaffen aber im Etat wegen der Folgen der Corona-Pande­mie Riesen­lö­cher. Allein im Jahr 2022 fehlen dem Land 3,6 Milli­ar­den Euro, 2023 werden es etwa 3,7 Milli­ar­den Euro sein und 2024 knapp 4,1 Milli­ar­den. Da heißt es sparen, umschich­ten und Priori­tä­ten setzen.

Wie schwie­rig die Lage ist, zeigt sich schon daran, dass Grüne und CDU mal wieder prüfen lassen, ob die Baden-Württem­berg-Stiftung nicht aufge­löst werden kann. Mit dem Vermö­gen der überpar­tei­li­chen Stiftung von 2,3 Milli­ar­den Euro ließe sich der Etat deutlich aufbes­sern. Doch schon frühe­re Regie­run­gen waren auf diese Idee gekom­men und dann aus steuer­li­chen Gründen davor zurück­ge­schreckt. Bei einer Auflö­sung müssten wohl die ausge­schüt­te­ten Kapital­erträ­ge der vergan­ge­nen zehn Jahre nachver­steu­ert werden.

ZEITPLAN: Bis Freitag­abend müssen alle Arbeits­grup­pen ihre gewünsch­ten Projek­te und deren Finanz­be­darf auflis­ten. Zudem sollen sie Vorschlä­ge machen, wie die geplan­ten Inves­ti­tio­nen gegen­fi­nan­ziert werden können. Am Sonntag sollen die Angaben einem Finanz­check unter­zo­gen. Am Montag will sich dann der engere Führungs­kreis von Grünen und CDU über die Ergeb­nis­se beugen und den Arbeits­grup­pen neue Ansagen machen.

Von Henning Otte, dpa