BERLIN (dpa) — Kommt die umstrit­te­ne Gasum­la­ge doch nicht? Die ableh­nen­den Stimmen mehren sich. Einig ist sich die Regie­rung, dass die hohen Gasprei­se für Bürger und Unter­neh­men runter müssen. Die Finan­zie­rung ist offen.

Der Grünen-Bundes­vor­sit­zen­de Omid Nouri­pour geht davon aus, dass die umstrit­te­ne Gasum­la­ge zunächst am 1. Oktober in Kraft tritt, aber dennoch keinen Bestand hat. «Ich muss zugeben, dass ich sogar davon ausge­he, dass die am 01.10. in Kraft tritt», sagte Nouri­pour in der Sendung «Frühstart» von RTL/ntv.

Gefragt danach, wann genau die Gasum­la­ge gekippt werden könne, sagte Nouri­pour: «So schnell es irgend­wie nur geht.» Es müssten Gesprä­che in der Bundes­re­gie­rung geführt werden, die Lage sei dynamisch. «Dass die jetzt weg muss, ist etwas, was richtig ist. Das sehen alle so.» Mit Blick auf den Bundes­wirt­schafts­mi­nis­ter aus seiner Partei fügte Nouri­pour hinzu: «Ich kann versi­chern, dass Robert Habeck alles dafür tut, damit die Umlage so schnell wie möglich fällt.»

Als «sehr geboten» bezeich­ne­te der Partei­chef einen Gaspreis­de­ckel. Alle denkba­ren Nachfol­ge­mo­del­le der Gasum­la­ge koste­ten aber Geld, das Finanz­mi­nis­ter Chris­ti­an Lindner (FDP) bereit­stel­len müsse.

Habeck sieht finanz­ver­fas­sungs­recht­li­che Fragen

Die Gasum­la­ge sollte eigent­lich Gasim­por­teu­re stützen, die wegen ausblei­ben­der russi­scher Liefe­run­gen hohe Kosten für Ersatz­be­schaf­fun­gen haben. Derzeit ist die Umlage für alle Gasnut­zer auf rund 2,4 Cent pro Kilowatt­stun­de Erdgas festge­legt — sie verteu­ert also das Gas für den Kunden. Habeck sieht finanz­ver­fas­sungs­recht­li­che Fragen zu klären, und auch Lindner zieht das Instru­ment in Zweifel.

SPD-Chef Lars Kling­beil rechnet damit, dass das Thema in der neuen Woche entschie­den wird. «Ich habe keinen Zweifel daran, dass wir in der nächs­ten Woche eine finale Entschei­dung zur Gasum­la­ge bekom­men werden», sagte er in der ZDF-Sendung «Berlin direkt». «Klar ist, wir müssen die Kraft haben, das offen zu disku­tie­ren und uns notfalls auch zu korri­gie­ren.» Am Ende müsse Habeck als zustän­di­ger Minis­ter sagen, wie es mit der Gasum­la­ge weitergehe.

Grünen-Chefin Ricar­da Lang sagte, die Gasum­la­ge könne weg, sobald es aus dem Finanz­mi­nis­te­ri­um die Bereit­schaft für eine Alter­na­ti­ve gebe. «Diese Alter­na­ti­ve heißt: eine Finan­zie­rung aus Haushalts­mit­teln», sagte Lang. Das Problem: Die im Grund­ge­setz veran­ker­te Schul­den­brem­se sieht vor, dass Bund und Länder ihre Haushal­te grund­sätz­lich ohne Kredi­te ausglei­chen müssen. Wegen Corona war die Schul­den­brem­se im Bund drei Jahre lang ausgesetzt.

Lindner pocht auf Schuldenbremse

Klar ist, dass die Bundes­re­gie­rung das Problem der hohen Gasprei­se angehen will — doch die Finan­zie­rung bleibt unklar. Die FDP pocht weiter auf die Einhal­tung der Schul­den­brem­se im Bundes­haus­halt im nächs­ten Jahr. Finanz­mi­nis­ter Lindner sagte in der ARD-Sendung «Anne Will», er habe eine Idee zur Finan­zie­rung einer Gaspreis­brem­se — diese wolle er aber nicht in der Öffent­lich­keit ausbrei­ten, sondern erst mit den Koali­ti­ons­part­nern von SPD und Grünen beraten.

Lindner sagte weiter: «Eine Gaspreis­brem­se ist für mich kein Anlass, wieder eine Ausnah­me von der Schul­den­re­gel für den Bundes­haus­halt zu machen.» Der FDP-Chef erklär­te: «Man darf nicht verges­sen: Die Schul­den, die wir heute machen, müssen ja auch irgend­wann bedient, zurück­ge­zahlt werden. Dann drohen uns im Zweifel sehr hohe Belas­tun­gen, auch Steuererhöhungen.»

FDP-Frakti­ons­chef Chris­ti­an Dürr erklär­te in der «Rheini­schen Post»: «Die Schul­den­brem­se ist eine Infla­ti­ons­brem­se und damit das beste Instru­ment zur Abmil­de­rung der Preis­stei­ge­run­gen». Man müsse an die Wurzeln der Proble­me ran. «Die Preise sind deshalb so hoch, weil es zu wenig Energie gibt. Eine Preis­brem­se auf dem Strom- und Gasmarkt, verbun­den mit einer Auswei­tung des Energie­an­ge­bots, ist die richti­ge Antwort», erklär­te Dürr. «Eine Gaspreis­brem­se muss daher in Kombi­na­ti­on mit einer Laufzeit­ver­län­ge­rung der Kernkraft­wer­ke kommen.»

Eigent­lich sollten zum Jahres­en­de alle deutschen Atomkraft­wer­ke vom Netz gehen. Pläne von Habeck sehen vor, zwei Kraft­wer­ke für den Fall von Energie­eng­päs­sen noch bis Mitte April einsatz­be­reit zu halten — der FDP reicht das aller­dings nicht.