BERLIN (dpa) — Nach der Drosse­lung russi­scher Gaslie­fe­run­gen ist die Lage angespannt. Wirtschafts­mi­nis­ter Habeck will nun reagie­ren — damit es mit Beginn der Heizpe­ri­ode im Winter nicht eng wird.

Bundes­wirt­schafts­mi­nis­ter Robert Habeck (Grüne) will angesichts gerin­ge­rer russi­scher Gaslie­fe­run­gen zusätz­li­che Maßnah­men ergrei­fen, um Gas einzu­spa­ren und die Vorsor­ge zu erhöhen.

So soll der Einsatz von Gas für die Strom­erzeu­gung und Indus­trie gesenkt und die Befül­lung der Speicher voran­ge­trie­ben werden. Dazu stellt der Bund Milli­ar­den­mit­tel bereit, wie die Deutsche Presse-Agentur aus Regie­rungs­krei­sen erfuhr. Außer­dem sollen mehr Kohle­kraft­wer­ke zum Einsatz kommen.

Die Situa­ti­on sei ernst, wird Habeck in einem fünfsei­ti­gen Papier zitiert, das der Deutschen Presse-Agentur vorlag. «Der Gasver­brauch muss weiter sinken, dafür muss mehr Gas in die Speicher, sonst wird es im Winter wirklich eng.»

Russland drossel­te Gaslieferungen

Der russi­sche Staats­kon­zern Gazprom hatte den Gasfluss durch die Ostsee­pipe­line Nord Stream in den vergan­ge­nen Tagen deutlich verrin­gert. Begrün­det wurde dies mit Verzö­ge­run­gen bei der Repara­tur von Verdich­ter­tur­bi­nen durch die Firma Siemens Energy. Habeck stufte die Maßnah­me als politisch motiviert ein.

Die angespann­te Situa­ti­on und die hohen Preise seien eine unmit­tel­ba­re Folge des russi­schen Angriffs­kriegs gegen die Ukrai­ne auf Geheiß von Präsi­dent Wladi­mir Putin, so der Grünen-Politi­ker. «Es ist offen­kun­dig die Strate­gie von Putin, uns zu verun­si­chern, die Preise in die Höhe zu treiben und uns zu spalten.»

In den vergan­ge­nen Tagen habe sich die Lage am Gasmarkt verschärft. Noch könnten die ausfal­len­den Mengen ersetzt werden, noch laufe die Befül­lung der Gasspei­cher, wenn auch zu hohen Preisen. Die Versor­gungs­si­cher­heit sei aktuell gewähr­leis­tet. Der Gasver­brauch im Strom­be­reich und in der Indus­trie solle aber nun gesenkt und die Befül­lung der Speicher forciert werden, so Habeck: «Je nach Lage werden wir weite­re Maßnah­men ergreifen.»

Milli­ar­den vom Bund

Konkret geht es um folgen­de Pläne: Um die Einspei­che­rung von Gas zu sichern, stellt die Bundes­re­gie­rung schon in Kürze eine zusätz­li­che Kredit­li­nie über die Staats­bank KfW in Höhe von 15 Milli­ar­den Euro zur Verfü­gung, wie es aus Regie­rungs­krei­sen hieß. Dieser Kredit ist demnach mit dem Finanz­mi­nis­te­ri­um bespro­chen. Der Haushalts­aus­schuss solle in der kommen­den Woche unter­rich­tet werden.

Angesichts steigen­der Gasprei­se soll mit dem Kredit der sogenann­te Markt­ge­biets­ver­ant­wort­li­che Trading Hub Europe THE die nötige Liqui­di­tät bekom­men, um Gas einzu­kau­fen und die Befül­lung der Speicher voran­zu­trei­ben. Der Kredit werde über eine Garan­tie des Bundes abgesi­chert. Die Gesell­schaft Trading Hub Europe ist durch eine Koope­ra­ti­on von Netzge­sell­schaf­ten entstanden.

Anrei­ze zum Energiesparen

Habeck plant außer­dem noch im Sommer ein Gasauk­ti­ons-Modell. Dieses soll indus­tri­el­len Gasver­brau­chern Anrei­ze bieten, Gas einzu­spa­ren. Im Kern geht es darum, dass Indus­trie­kun­den, die auf Gas verzich­ten können, ihren Verbrauch gegen Entgelt verrin­gern, das über den Markt finan­ziert wird — und das Gas zur Verfü­gung stellen, damit es einge­spei­chert werden kann.

Für das Aukti­ons­mo­dell wollen Trading Hub Europe, die Bundes­netz­agen­tur und das Wirtschafts­mi­nis­te­ri­um ein sogenann­tes Gas-Regel­en­er­gie­pro­dukt entwi­ckeln. Ein solches Produkt gibt es im Strom­markt, um Schwan­kun­gen im Netz auszugleichen.

«Alles, was wir weniger verbrau­chen, hilft», so Habeck. Die Indus­trie sei dazu ein Schlüs­sel­fak­tor. Gas ist nicht nur fürs Heizen von Wohnun­gen wichtig, sondern auch in der Indus­trie, als Rohstoff für die Produk­ti­on sowie für die Energieerzeugung.

Verstärk­ter Einsatz von Kohle

Wie von Habeck bereits angekün­digt, soll außer­dem weniger Gas zur Strom­pro­duk­ti­on genutzt werden. Statt­des­sen sollen Kohle­kraft­wer­ke «stärker zum Einsatz kommen». Ein entspre­chen­des Gesetz soll am 8. Juli vom Bundes­rat beschlos­sen werden und dann zügig in Kraft treten.

Paral­lel dazu berei­tet laut Papier das Wirtschafts­mi­nis­te­ri­um eine notwen­di­ge Minis­ter­ver­ord­nung vor, um die «Gaser­satz­re­ser­ve» in Gang zu setzen. Dafür sollen Kraft­wer­ke, die bereits als Reser­ve zur Verfü­gung stehen, ertüch­tigt werden — um kurzfris­tig an den Markt zurück­keh­ren zu können.

«Wir rufen die Gaser­satz-Reser­ve ab, sobald das Gesetz in Kraft getre­ten ist», so Habeck. «Das bedeu­tet, so ehrlich muss man sein, dann für eine Übergangs­zeit mehr Kohle­kraft­wer­ke. Das ist bitter, aber es ist in dieser Lage schier notwen­dig, um den Gasver­brauch zu senken. Wir müssen und wir werden alles daran setzen, im Sommer und Herbst so viel Gas wie möglich einzu­spei­chern.» Die Gasspei­cher müssten zum Winter hin voll sein. Das habe obers­te Priorität.

Befül­lung der Gasspeicher

Die aktuel­len Füllstän­de der Speicher in Deutsch­land liegen bei rund 56,7 Prozent, wie es im Bericht der Bundes­netz­agen­tur vom Samstag heißt. Ziel der Bundes­re­gie­rung ist es, dass die Gasspei­cher zum 1. Oktober mit 80 Prozent und zum 1. Novem­ber zu 90 Prozent befüllt sind — um für mögli­che Engpäs­se gerüs­tet zu sein.

Gas trug 2021 laut Minis­te­ri­um rund 15 Prozent zur Strom­erzeu­gung bei, der Anteil dürfte in den ersten Monaten 2022 aber schon gerin­ger gewesen sein.

Bereits im März hatte der Bund als Folge des russi­schen Angriffs auf die Ukrai­ne für den Kauf von Gas zur Einspei­che­rung 1,5 Milli­ar­den Euro bereit­ge­stellt. Daneben hatte die Bundes­re­gie­rung verschie­de­ne andere Maßnah­men ergrif­fen — wie etwa Hilfen für Energie­un­ter­neh­men sowie konkre­te Pläne für den Bau von Flüssig­gas-Termi­nals in Deutsch­land. Mittel- und langfris­tig soll der Ausbau erneu­er­ba­rer Energien aus Wind und Sonne in Deutsch­land massiv beschleu­nigt werden.