MOSKAU/BERLIN (dpa) — Inner­halb von nur zwei Tagen kürzt der russi­sche Staats­kon­zern die Gastrans­por­te nach Deutsch­land um rund 60 Prozent. Bundes­wirt­schafts­mi­nis­ter ruft nun erneut zum Energie­spa­ren auf.

Nach der Drosse­lung von Gaslie­fer­men­gen durch den russi­schen Gazprom-Konzern hat Bundes­wirt­schafts­mi­nis­ter Robert Habeck erneut zum Energie­spa­ren aufgerufen.

In einem am Mittwoch­abend über Twitter verbrei­te­ten Video dankte der Grünen-Politi­ker der Bevöl­ke­rung und den Unter­neh­men für ihre bishe­ri­gen Bemühun­gen. Habeck appel­lier­te mit Blick auf das Energie­spa­ren zugleich: «Es ist jetzt der Zeitpunkt, das zu tun. Jede Kilowatt­stun­de hilft in dieser Situation.»

Die Situa­ti­on sei ernst, sie gefähr­de die Versor­gungs­si­cher­heit in Deutsch­land aber nicht. Habeck mahnte: «Wir müssen wachsam sein. Wir müssen konzen­triert weiter­ar­bei­ten. Vor allem dürfen wir uns nicht spalten lassen. Denn das ist das, was Putin vorhat.»

Der russi­sche Energie­kon­zern Gazprom reduziert erneut die Gaslie­fer­men­gen durch die Ostsee­pipe­line Nord Stream 1 nach Deutsch­land. Von der Nacht zu Donners­tag an sollten täglich nur noch maximal 67 Millio­nen Kubik­me­ter durch die Leitung gepumpt werden, hatte Gazprom angekündigt.

Erneut begrün­de­te der Staats­kon­zern den Schritt mit Verzö­ge­run­gen bei Repara­tur­ar­bei­ten. Die Bundes­netz­agen­tur zeigte sich besorgt und nannte das Vorge­hen Moskaus «technisch nicht zu begrün­den». Habeck vermu­tet dahin­ter hinge­gen eine politi­sche Entscheidung.

Bereits am Diens­tag hatte Gazprom die Reduk­ti­on des bisher geplan­ten Tages­vo­lu­mens von 167 Millio­nen um rund 40 Prozent auf 100 Millio­nen Kubik­me­ter Gas pro Tag verkün­det und auf Verzö­ge­run­gen bei der Repara­tur von Gasver­dich­tern verwiesen.

Der Energie­tech­nik­kon­zern Siemens Energy hatte darauf­hin mitge­teilt, dass eine in Kanada überhol­te Gastur­bi­ne aufgrund der Russland-Sanktio­nen derzeit nicht aus Montré­al zurück­ge­lie­fert werden könne. Die neuer­li­che Reduk­ti­on auf 67 Millio­nen Kubik­me­ter bedeu­tet eine Drosse­lung um rund 60 Prozent inner­halb von zwei Tagen.

Bundes­netz­agen­tur spricht von «Warnsi­gnal»

Dass Gazprom seine Liefe­run­gen durch Nord Stream 1 nun auf etwa 40 Prozent senkt, ist aus Sicht des Präsi­den­ten der Bundes­netz­agen­tur, Klaus Müller, ein Warnsi­gnal. «Russland schürt damit leider Verun­si­che­rung und treibt die Gasprei­se hoch», sagte er der «Rheini­schen Post».

Wenn Gazprom über Wochen nur 40 Prozent durch Nord Stream 1 liefe­re, bekom­me Deutsch­land ein Problem, sagte Müller: «Das würde unsere Situa­ti­on erheb­lich verschlech­tern. Über den Sommer könnten wir das vielleicht aushal­ten, denn die Heizsai­son ist ja vorbei. Aller­dings müssen wir jetzt zwingend die Speicher füllen, um den Winter zu überste­hen — auch mit russi­schem Gas.» Auf die Frage, ob er fürch­te, dass Russland mit einem Gas-Liefer­stopp ernst mache, sagte Müller: «Es lag bislang in der russi­schen Logik, Deutsch­land weiter Gas verkau­fen zu wollen. Aber wir können nichts ausschließen.»

Habeck: Russland will Unruhe stiften

Auch nach Einschät­zung von Bundes­wirt­schafts­mi­nis­ter Robert Habeck will Russland mit den Liefer­kür­zun­gen Unruhe stiften. «Die Begrün­dung der russi­schen Seite ist schlicht vorge­scho­ben. Es ist offen­kun­dig die Strate­gie, zu verun­si­chern und die Preise hochzu­trei­ben», hatte der Grünen-Politi­ker gesagt. Aktuell könnten die Mengen am Markt beschafft werden, wenn auch zu hohen Preisen. Es werde aktuell noch einge­spei­chert: «Die Versor­gungs­si­cher­heit ist gewähr­leis­tet.» Die Gasspei­cher in Deutsch­land waren zuletzt zu rund 56 Prozent gefüllt.

Für Deutsch­land ist Nord Stream 1 die Haupt­ver­sor­gungs­lei­tung mit russi­schem Gas. Zuvor war schon die Leitung Jamal-Europa, die durch Polen führt, nicht mehr befüllt worden. Reduziert ist auch die Durch­lei­tung von russi­schem Gas durch die Ukrai­ne. Unter anderem durch die bishe­ri­gen Einschrän­kun­gen hatten sich die Energie­prei­se erhöht, weil insge­samt weniger Gas von Russland nach Europa fließt.