WASHINGTON (dpa) — Die USA wollen Berge von Geld in den Klima­schutz stecken. Zum Nachteil von Europa? Minis­ter Habeck und sein franzö­si­scher Kolle­ge Le Maire werben in Washing­ton für ihre Belange.

Der Aufwand ist groß, das Ergeb­nis schwer zu greifen: Mit konkre­ten Zusagen zum künfti­gen Markt­zu­gang für europäi­sche Firmen in den USA kehren Bundes­wirt­schafts­mi­nis­ter Robert Habeck (Grüne) und sein franzö­si­scher Kolle­ge Bruno Le Maire nicht von ihren Gesprä­chen in Washing­ton zurück. Es werde ein Arbeits­be­such in einer Reihe ähnli­cher Treffen, hatte Habeck schon vorher angekün­digt. «Insofern geht es nicht darum, einma­lig irgend­et­was zu unterschreiben.»

Und so kam es dann auch. «Es ist nicht unsere Absicht und es war nie unsere Absicht, das ameri­ka­ni­sche Gesetz zu ändern», sage Le Maire gestern in Washing­ton, nachdem er und Habeck gemein­sam Gesprä­che mit US-Regie­rungs­ver­tre­tern geführt hatten. Man wolle aber komplet­te Trans­pa­renz herstel­len, weil das die Basis sei für fairen Wettbe­werb. Konkre­te Zugeständ­nis­se müsse die EU-Kommis­si­on aushan­deln. Die beiden Minis­ter sahen sich hier nur in unter­stüt­zen­der Funkti­on. Doch worum genau ging es dann bei ihrem Besuch?

Geset­zes­pa­ket soll Staats­de­fi­zit verringern

Auslö­ser der europäi­schen Unruhe ist das ameri­ka­ni­sche Infla­ti­ons­be­kämp­fungs­ge­setz, auf Englisch Infla­ti­on Reduc­tion Act (IRA), das viel breiter gefasst ist, als der Name nahelegt. Klima­schutz-Maßnah­men sollen zu einer Reduzie­rung des klima­schäd­li­chen CO2-Aussto­ßes der USA um rund 40 Prozent bis 2030 im Vergleich zum Jahr 2005 führen. Die Kosten für bestimm­te Medika­men­te sollen sinken.

Mit dem Geset­zes­pa­ket sollen außer­dem Steuer­schlupf­lö­cher geschlos­sen werden. Die Regie­rung geht davon aus, dass durch das Geset­zes­pa­ket das Staats­de­fi­zit um mehr als 300 Milli­ar­den Dollar verrin­gert werden kann. Das soll auch die hohe Infla­ti­on bremsen.

Habeck will europa­freund­li­che Anwendung

Der Haken aus deutscher und europäi­scher Sicht: Viele Subven­tio­nen und Steuer­gut­schrif­ten sind daran geknüpft, dass profi­tie­ren­de Unter­neh­men US-Produk­te verwen­den oder selbst in den USA produ­zie­ren — was in der EU Sorge vor Wettbe­werbs­nach­tei­len auslöst. Verbän­de warnen vor einer handels­po­li­ti­schen Ausein­an­der­set­zung und verlan­gen besse­re Produk­ti­ons­be­din­gun­gen in Europa. Für die export­ori­en­tier­te deutsche Wirtschaft sind die USA der wichtigs­te Absatz­markt. Eine große Rolle spielen dabei Autos und Autotei­le, Maschi­nen sowie pharma­zeu­ti­sche Erzeugnisse.

Habeck und Le Maire warben deshalb für eine europa­freund­li­che Anwen­dung des Geset­zes. Erreicht haben sie nach eigenen Angaben vor allem Zusagen für mehr Trans­pa­renz über das Ausmaß staat­li­cher Unter­stüt­zung in den USA. Was das wert ist, wird sich noch zeigen.

Habeck sagte, man sei sich einig gewesen, dass man nicht Gefahr laufen dürfe, in einen Subven­ti­ons­wett­lauf zu geraten. «Mein Verständ­nis und meine Inter­pre­ta­ti­on der Gesprä­che ist, dass es eine große Bereit­schaft gibt, Formen der Zusam­men­ar­beit zu finden, ohne den IRA wieder aufzu­ma­chen», sagte Habeck. Zusam­men­ar­beit bedeu­te, die beiden Märkte zusammenzubringen.

Änderun­gen kommen für Joe Biden nicht infrage

In Europa hofft man auf günsti­ge­re Anwen­dungs­re­geln für das schon beschlos­se­ne Gesetz, an denen derzeit in Washing­ton gearbei­tet wird. In den Berei­chen Autoin­dus­trie und Batte­rien sei diese Arbeit praktisch abgeschlos­sen, bei Regelun­gen für den Energie­trä­ger Wasser­stoff und für wichti­ge Rohstof­fe aber noch nicht, so Habeck. «Wir haben also ein paar Monate noch Zeit, zu Lösun­gen zu kommen.» Zwar führe die EU-Kommis­si­on die entspre­chen­den Verhand­lun­gen, diese wolle man aber unterstützen.

Das Paket ist in einem zähen Prozess mit Zugeständ­nis­sen ausge­han­delt worden, dementspre­chend kommen nachträg­li­che Änderun­gen für US-Präsi­dent Joe Biden nicht infra­ge. «Ich werde inter­na­tio­nal dafür kriti­siert, dass ich mich zu sehr auf Ameri­ka konzen­trie­re. Zum Teufel damit», sagte Biden Ende Januar bei einer Rede. Bei seiner Rede zur Lage der Nation am Diens­tag­abend (Ortszeit) macht Biden nun erneut klar: «Wir werden sicher­stel­len, dass die Liefer­ket­te für Ameri­ka in Ameri­ka beginnt. Die Liefer­ket­te beginnt in Ameri­ka.» Er werde dafür kriti­siert, dass er auf ameri­ka­ni­sche Produk­te setze. Aber er werde sich dafür nicht entschul­di­gen, beton­te der Demokrat. «Das ist völlig im Einklang mit den inter­na­tio­na­len Handelsregeln.»

US-Wirtschaft im Fokus

Bei Habeck klingt das anders. «Der Blick, den wir aufein­an­der haben, ist ein Blick von Zugewandt­heit und von Freund­schaft», sagt er. Im Grunde sei dieser IRA mit seinem Willen zum Klima­schutz ja eine gute Sache, von der auch europäi­sche Firmen profi­tier­ten. «Das ist hoch willkom­men.» Die Ameri­ka­ner täten es damit den Europä­ern gleich, die bereits auf die Förde­rung von Elektro­au­tos und erneu­er­ba­ren Energien setzen. Aber an einigen Stellen würden ameri­ka­ni­sche Firmen und Stand­or­te eben bevor­zugt, und darüber wolle man sprechen, um «diese Kühe, diese letzten Kühe ebenfalls vom Eis zu bekommen».

Ein Stein des Ansto­ßes für die Europä­er — aber auch andere Handels­part­ner wie Japan und Südko­rea — ist die Steuer­erleich­te­rung für Elektro­fahr­zeu­ge. Hier hat das US-Finanz­mi­nis­te­ri­um noch Spiel­raum, wenn es darum geht, welche Fahrzeu­ge dafür infra­ge kommen. Das könnte den Europä­ern helfen. Fraglich ist aller­dings, wie weit die US-Regie­rung hier tatsäch­lich gehen kann — und will. Wichti­ge Kongress­mit­glie­der und auch die Regie­rung selbst haben nie einen Hehl daraus gemacht, dass das Geset­zes­pa­ket zualler­erst der US-Wirtschaft zugute­kom­men soll.

Hoffnung auf EU-Gipfel diese Woche

Als Antwort auf den IRA, aber auch auf chine­si­sche Subven­tio­nen stell­te EU-Kommis­si­ons­prä­si­den­tin Ursula von der Leyen kürzlich ein neues grünes Indus­trie­pro­gramm vor. Darin melde­te sie Bedarf zur Inves­ti­ti­on von Hunder­ten Milli­ar­den Euro in klima­freund­li­che Techno­lo­gien an. Dazu will die Behör­de den Zugang zu Förder­mit­teln erwei­tern und beschleu­ni­gen und den EU-Staaten mehr Freihei­ten geben für geziel­te Subven­tio­nen. Die Vorschlä­ge sollen beim EU-Gipfel diese Woche disku­tiert werden.

Le Maire nannte die Vorschlä­ge von der Leyens eine «exzel­len­te Grund­la­ge». Er beton­te: «Jetzt ist es Zeit zu entschei­den und zu beschleu­ni­gen. Dies ist auch eine der Konse­quen­zen, die wir aus unserem Besuch in Washing­ton ziehen sollten.»

Von Marti­na Herzog, Magda­le­na Trönd­le und Basti­an Hartig, dpa