BERLIN (dpa) — Seit Russland deutlich weniger Gas nach Deutsch­land liefert, wird über einen länge­ren Betrieb der drei verblie­be­nen Atomkraft­wer­ke disku­tiert. Nun ist das Ergeb­nis eines Stress­tests da — und eine Entscheidung.

Von den drei verblie­be­nen Atomkraft­wer­ken in Deutsch­land sollen zwei bis Mitte April als Notre­ser­ve dienen. Das erklär­te Bundes­wirt­schafts­mi­nis­ter Robert Habeck am Montag während der Vorstel­lung der Ergeb­nis­se eines zweiten Netzstresstests.

«Die beiden AKW Isar 2 und Neckar­west­heim sollen bis Mitte April 2023 noch zur Verfü­gung stehen, um falls nötig, über den Winter einen zusätz­li­chen Beitrag im Strom­netz in Süddeutsch­land 2022/23 leisten zu können», wird der Grünen-Politi­ker in einer von seinem Minis­te­ri­um verbrei­te­ten Mittei­lung zitiert.

«Stunden­wei­se krisen­haf­te Situa­tio­nen» nicht auszuschließen

Der zweite Netzstress­test komme zu dem Ergeb­nis, «dass stunden­wei­se krisen­haf­te Situa­tio­nen im Strom­sys­tem im Winter 22/23 zwar sehr unwahr­schein­lich sind, aktuell aber nicht vollstän­dig ausge­schlos­sen werden können», hieß es in der Mitteilung.

Weil Russland weniger Gas liefert und angesichts stark angestie­ge­ner Energie­prei­se wird in Deutsch­land seit Monaten über einen mögli­chen länge­ren Betrieb der drei verblie­be­nen Atomkraft­wer­ke in Deutsch­land disku­tiert. Eigent­lich war vorge­se­hen, dass die verblie­be­nen Meiler Isar 2 in Nieder­bay­ern, Emsland in Nieder­sach­sen und Neckar­west­heim 2 in Baden-Württem­berg zum Jahres­en­de vom Netz gehen.

Zuvor hatte nicht nur die opposi­tio­nel­le Union, sondern auch die an der Regie­rung betei­lig­te FDP für einen Fortbe­trieb der Atomkraft­wer­ke gewor­ben. FDP-Chef und Bundes­fi­nanz­mi­nis­ter Chris­ti­an Lindner forder­te noch am Montag den Weiter­be­trieb der drei noch produ­zie­ren­den Kernkraft­wer­ke. «In diesen Zeiten sollten alle Möglich­kei­ten genutzt werden, den Strom­preis für die Menschen und die Betrie­be zu reduzie­ren», sagte Lindner der «Süddeut­schen Zeitung». Für die Grünen dagegen gehört die Ableh­nung von Atomkraft zur politi­schen DNA.

Schar­fe Kritik aus der Union

Die Spitze der Unions­frak­ti­on hat die Entschei­dung der Bundes­re­gie­rung, zwei der drei verblie­be­nen Atomkraft­wer­ke als Notre­ser­ve bis Mitte April vorzu­hal­ten, als fatalen Fehler und partei­po­li­tisch motiviert kriti­siert. «Diese drei Kernkraft­wer­ke könnten in dieser Krise sicher, verläss­lich und bezahl­bar Energie, Strom für Deutsch­land liefern. Und das sollten sie auch mindes­tens noch in den nächs­ten zwei Wintern tun», sagte der stell­ver­tre­ten­de Unions­frak­ti­ons­chef Jens Spahn (CDU) in Berlin.

Spahn nannte es bemer­kens­wert, dass das Kernkraft­werk im nieder­säch­si­schen Emsland anschei­nend für einen Weiter­be­trieb gar nicht in Betracht gezogen werde, obwohl es das neues­te aller noch in Deutsch­land laufen­den Kernkraft­wer­ke sei.