BERLIN (dpa) — Auf Platt­for­men wie Youtube und Facebook wurden die Inhal­te von Attila Hildmann schon vor Monaten gesperrt. Nun ist jemand aus seinem Umfeld ebenfalls aktiv geworden.

Mehre­re Online-Kanäle des rechts­ra­di­ka­len Kochbuch-Autors Attila Hildmann sind von Hackern übernom­men worden. Auf seiner Websei­te erschien am Montag ein Banner des Hacker­kol­lek­tivs «Anony­mous». Auch Hildmanns Telegram-Kanal enthält eine Nachricht der Aktivistengruppe.

Das Hacker­kol­lek­tiv hat in einem Blogbei­trag die Übernah­me der Kanäle für sich rekla­miert und behaup­tet, im Besitz zahlrei­cher E‑Mails von Hildmann und anderen sensi­blen Daten zu sein.

Dem Beken­ner­schrei­ben zufol­ge soll ein ehema­li­ger Vertrau­ter Hildmanns die Zugriffs­da­ten zur Verfü­gung gestellt haben. Der Verschwö­rungs­er­zäh­ler bestä­tig­te die Übernah­me seiner Kanäle in einer Sprach­nach­richt auf einem weite­ren Telegram-Kanal, der ihm zugeord­net werden kann.

Dem jungen Mann, der in Hildmanns Umfeld als IT-Adminis­tra­tor gearbei­tet haben soll, war es offen­bar gelun­gen, den Eindruck zu erwecken, die Daten seien bei ihm sicher vor dem Zugriff der deutschen Straf­ver­fol­gungs­be­hör­den. Deswe­gen habe Hildmann ihm die Logins und Inter­net-Domains freiwil­lig übergeben.

Details sollen folgen

«Anony­mous» behaup­tet, die Daten gäben einen tiefen Einblick in die Welt des Holocaust-Leugners. In den kommen­den Tagen würden Details veröf­fent­licht werden, damit die Presse und Straf­ver­fol­gungs­be­hör­den sie auswer­ten könnten. So soll aus den erbeu­te­ten E‑Mails hervor­ge­hen, welche Unter­neh­men nach der Radika­li­sie­rung Hildmanns sich von ihm distan­ziert und eine Zusam­men­ar­beit mit dem einst erfolg­rei­chen TV-Koch einge­stellt haben und welche Firmen die Koope­ra­ti­on fortge­setzt haben.

In dem Beken­ner-Beitrag schreibt «Anony­mous» auf der Inter­net­sei­te anonleaks.net zudem, das Kollek­tiv sei im Besitz von Bildern, die den Vorwurf unter­mau­ern würden, dass der Haftbe­fehl gegen Hildmann aus der Berli­ner Justiz durch­ge­sto­chen worden sei. Die Berli­ner Staats­an­walt­schaft hatte im Mai 2021 mitge­teilt, dass gegen Unbekannt wegen Verlet­zung von Dienst­ge­heim­nis­sen ermit­telt werde. Es werde vermu­tet, dass Infor­ma­tio­nen über einen Haftbe­fehl gegen Hildmann aus den eigenen Reihen unzuläs­sig weiter­ge­reicht wurden.

Kein Still­stand im Ermittlungsverfahren

Gegen Hildmann wird auch wegen des Verdachts der Volks­ver­het­zung ermit­telt. Im Juli teilte die Berli­ner Staats­an­walt­schaft mit, dass ein Ende der Ermitt­lun­gen nicht abzuse­hen sei. Es kämen auch neue Verdachts­fäl­le durch aktuel­le Äußerun­gen im Inter­net hinzu, sagte eine Spreche­rin der Berli­ner Staats­an­walt­schaft. Es gebe keinen Still­stand in dem Ermittlungsverfahren.

Ein Haftbe­fehl gegen Hildmann kann nicht vollstreckt werden — er soll zuletzt in der Türkei gewesen sein. Der 40-Jähri­ge hat laut Staats­an­walt­schaft neben der deutschen auch die türki­sche Staatsbürgerschaft.

Früher als veganer Kochbuch­au­tor und Fitness-Guru bekannt, nennt Hildmann sich inzwi­schen selbst «ultra­rechts» und einen Verschwö­rungs­pre­di­ger. Er trat bei Protes­ten gegen die Corona-Schutz­maß­nah­men auf. Seine Äußerun­gen lösten Kritik und Entset­zen aus — etwa bei seinem Kochbuch-Verlag, der die verle­ge­ri­sche Zusam­men­ar­beit schon vor Jahren einstellte.

Seit dem Sommer 2020 fiel Hildmann auf dem Messen­ger-Dienst Telegram mit immer unver­hoh­le­ne­rem Juden­hass auf. Er poste­te wieder­holt Haken­kreu­ze, leugne­te den Holocaust und überzog Perso­nen des öffent­li­chen Lebens mit antise­mi­ti­schen Schmä­hun­gen. «Ich bin Natio­nal­so­zia­list», schrieb er im Mai dieses Jahres.

Rechts­an­walt Chris­ti­an Solme­cke wies darauf hin, dass Hildmann gegen die Übertra­gung der Inter­net-Adres­sen (Domain) an eine andere Person bei der Denic-Organi­sa­ti­on einen Wider­spruch einle­gen kann. «Damit könnte verhin­dert werden, dass die Domain noch weiter übertra­gen wird.» In einem zivil­recht­li­chen Verfah­ren müsste dann geklärt werden, wer der wahre Eigen­tü­mer der Domains sei.

Neben der eigent­li­chen Domain­über­tra­gung stünden dem Verschwö­rungs­er­zäh­ler auch Ansprü­che aus seinem Namens­recht, dem Marken­recht und dem Urheber­recht zu. «Mit Hilfe dieser Rechte könnte er auch eine Rücküber­tra­gung seines Telegram-Accounts fordern.»

Die angekün­dig­te Veröf­fent­li­chung der Tausen­den E‑Mails werte­te der Spezia­list für Online­recht als Verlet­zung der Persön­lich­keits­rech­te von Hildmann. Dabei könnten viele Tausend Euro Schadens­er­satz auf die Betei­lig­ten zukom­men, sofern sie denn gefasst werden können. «Letzt­lich haben in unserem Rechts­staat auch Verschwö­rungs­theo­re­ti­ker Rechte und können sie mithil­fe einer Justiz, deren Existenz sie teils selbst leugnen, durchsetzen.»

Dabei spiele auch keine Rolle, dass Hildmann selbst in die Türkei geflo­hen sei, um den deutschen Straf­ver­fol­gungs­be­hör­den zu entge­hen, da es hier um einen zivil­recht­li­chen Anspruch und nicht um die Verfol­gung durch den deutschen Staat gehe.