ÜBERLINGEN — Der Schock bei den Zunft-Mitglie­dern sitzt tief: der längjäh­ri­ge Vorsit­zen­de der Hänse­le­zunft Überlin­gen (HZÜ) Harald Kirch­mai­er hat mit sofor­ti­ger Wirkung seinen Rücktritt verkün­det. Im Rahmen der jährli­chen Hänse­le­ver­samm­lung, die nach einer pande­mie­be­ding­ten Pause nun bereits im Oktober statt­fand, verkün­de­te Kirch­mai­er seinen Amtsver­zicht und nannte auch die Gründe.

Auslö­ser waren die Ereig­nis­se rund um die Fastnachts­ta­ge 2021. Obwohl damals aufgrund der Corona-Pande­mie auch in Überlin­gen alle offizi­el­len Fastnachts­ver­an­stal­tun­gen abgesagt wurden, war die Fastnacht an sich nicht verbo­ten worden. Wenn in dieser Zeit dann die Polizei das Karbat­schen­schnel­len am Fastnachts­sams­tag als “Verkehrs­be­hin­de­rung” und das Spielen des Narren­mar­sches aus einem Fenster heraus als “Ruhestö­rung” ahndet, dann sei das laut Kirch­mai­er „ein Skandal“ und nicht würdig für eine brauch­tums­rei­che alte Narren­stadt wie Überlin­gen. Zudem betrie­ben Zunft­mit­glie­der, die bei Polizei und auch im Ordnungs­amt arbei­ten würden, ein Verfah­ren gegen den Hänse­le­va­ter Kirch­mai­er. Er hätte in einem Radio­in­ter­view zum Einschnel­len an Dreikö­nig aufge­ru­fen. Erwie­se­ner­ma­ßen war das Gegen­teil der Fall. Außer­dem hätte Kirch­mai­er sich mit dem Schnel­len seiner Karbat­sche auf einem Parkplatz fernab der Innen­stadt auch selbst gegen Corona­ver­ord­nun­gen wider­setzt. Das Medien­echo war deutsch­land­weit riesen­groß. Kirch­mai­er bekam sogar Angebo­te von Anwäl­ten, ihn kosten­los zu vertei­di­gen. „Ich war geschockt und gerührt zu gleich“, beschreibt der Hänse­le­va­ter seine Gefühlslage.

Das alles hätte ihm gesund­heit­lich derart zugesetzt und aufs Gemüt geschla­gen, dass ein „Weiter­ma­chen“ für ihn nicht mehr gehen würde. „Wenn das städti­sche Umfeld Brauch­tums­wer­te so mit Füssen tritt, das Ehren­amt zur Zielschei­be wird, muss man Konse­quen­zen ziehen“, begrün­det Harald Kirch­mai­er seinen Entschluss. „Ein Hänse­le­va­ter muss vertrau­ens­voll mit Behör­den zusam­men­ar­bei­ten können.“ Doch das gehe nach den Ereig­nis­sen vom Febru­ar 2021 mit ihm nicht mehr. „Es ist einfach viel Porzel­lan zerschla­gen worden“, meint Kirchmaier.

Nun führt kommis­sa­risch bis zur regulä­ren Vorstands­wahl im Novem­ber 2022 Vize-Hänse­le­va­ter Uwe Wolfen­sper­ger die Hänse­le­zunft. In persön­li­chen Worten bedank­te sich Wolfen­sper­ger bei Kirch­mai­er für dessen großar­ti­ge Arbeit. „28 Jahre im Vorstand, davon drei Jahre Hänsele­rat, neun Jahre Vize sowie 16 Jahre Hänse­le­va­ter – das ist eine Leistung, vor der man nur die Kappe ziehen kann“, sagt Wolfen­sper­ger und verkün­det, dass man aktuell an den Plänen für eine Fastnacht 2022 festhält. Der nächs­te Narren­tag des Vierer­bun­des in Obern­dorf am Neckar wird indes um ein Jahr auf 2024 verscho­ben. Die Gründe hier sind weniger bei Corona zu suchen als vielmehr bei einigen bauli­chen Maßnah­men in der Stadt, die ein unbeschwer­tes närri­sches Feiern eben erst 2024 möglich machen würden, heißt es aus Oberndorf.