Lange gab es Zweifel, ob es dazu jemals kommen würde: Der neue Flugha­fen geht tatsäch­lich ans Netz. Die ersten Maschi­nen docken an. Doch von großem Andrang kann vorerst keine Rede sein.

SCHÖNEFELD (dpa) — Mit neun Jahren Verspä­tung ist am Samstag der neue Haupt­stadt­flug­ha­fen BER eröff­net worden. Flugzeu­ge von Easyjet und Lufthan­sa brach­ten die ersten Fluggäs­te zum neuen Terminal.

Aus Sicher­heits­grün­den lande­ten die Flugzeu­ge nicht wie geplant paral­lel auf beiden Start- und Lande­bah­nen, sondern mit einem Abstand von gut vier Minuten auf der Nordbahn. Leider habe das Wetter nicht mitge­spielt, sagte Patrick Muller, am BER verant­wort­lich für die Abläu­fe. 30 Jahre nach der Wieder­ver­ei­ni­gung wird der Luftver­kehr Berlins und Branden­burgs am Stand­ort des frühe­ren DDR-Flugha­fens Schöne­feld konzen­triert. Der Innen­stadt­flug­ha­fen Tegel schließt. Dort soll am 8. Novem­ber die letzte Maschi­ne abheben.

Der Eröff­nungs­tag ist aus Sicht des Flugha­fen­chefs Engel­bert Lütke Daldrup «kein histo­ri­scher Tag». «Aber es ist für uns, für Berlin und Branden­burg, für Ostdeutsch­land ein ganz wichti­ger Tag», sagte er am Samstag. «Endlich können wir unseren Flugha­fen in Betrieb nehmen. Endlich.»

Der Bau des BER war geprägt von Planungs­feh­lern, techni­schen Proble­men und Baumän­geln. Sechs Mal wurde die Eröff­nung verscho­ben. Die Kosten für den Bau und den Schall­schutz der Anwoh­ner verdrei­fach­ten sich auf Rund sechs Milli­ar­den Euro.

Bundes­ver­kehrs­mi­nis­ter Andre­as Scheu­er (CSU) rief am Samstag dazu auf, nach vorn zu blicken. «Die Zeit der Jokes über den BER muss jetzt zu Ende sein», forder­te er. Er sicher­te zu, alles dafür zu tun, dass der Flugha­fen ein inter­na­tio­na­les Drehkreuz werde.

Die Eröff­nung fällt in die schwers­te Krise der Luftfahrt seit dem Zweiten Weltkrieg, wie es in der Branche heißt. Nur wenige Tausen­de Passa­gie­re pro Tag werden in den nächs­ten Wochen in Schöne­feld erwar­tet. Die Sonder­ma­schi­nen von Easyjet und Lufthan­sa brach­ten gelade­ne Gäste zum neuen Termi­nal. An diesem Sonntag sollen dort die ersten Fluggäs­te einchecken.

Berlins Regie­ren­der Bürger­meis­ter Micha­el Müller (SPD) sagte: «Dieser Flugha­fen ist auch ein Stück weit Wieder­ver­ei­ni­gung und Nachwen­de­ge­schich­te.» Müller erinner­te an die die zahllo­sen Proble­me in der 14-jähri­gen Bauge­schich­te des Termi­nals. «Es gab in den vergan­ge­nen Jahren Tage, die waren zum Verzweifeln.»

Aus Sicht des branden­bur­gi­schen Minis­ter­prä­si­den­ten Dietmar Woidke (SPD) sind am BER mehr Inter­kon­ti­nen­tal­ver­bin­dun­gen notwen­dig. «Wir brauchen die Augen­hö­he mit den Flughä­fen Frank­furt am Main und München», sagte Woidke bei der Eröff­nung. Der Start sei ein Zeichen des Optimis­mus in der Corona-Krise.

Für die Lufthan­sa soll der neue Berli­ner Haupt­stadt­flug­ha­fen BER aller­dings kein inter­na­tio­na­les Drehkreuz wie Frank­furt und München werden. «Es gibt histo­ri­sche Gründe, warum in Deutsch­land der Langstre­cken­ver­kehr nicht von den beiden größten Städten aus statt­fin­det, sondern von den beiden Drehkreu­zen München und Frank­furt», sagte Lufthan­sa-Vorstands­chef Carsten Spohr am Samstag. «Und ich glaube, daran wird auch der BER in der Tat nichts ändern.»

Berlin, Branden­burg und der Bund hatten sich 1996 entschie­den, den Flugha­fen am Rande der Haupt­stadt auszu­bau­en. Die Wahl des Stand­orts löste im dicht besie­del­ten Umland Protes­te und jahre­lan­gen Streit um die Flugrou­ten aus.

Die Schlie­ßung Tegels soll Hundert­tau­sen­de von Fluglärm entlas­ten und Platz schaf­fen für einen Forschungs- und Gewer­be­stand­ort. Zur Sicher­heit bleibt der Flugha­fen im Westen der Stadt aber noch ein halbes Jahr betriebs­be­reit. Der Tradi­ti­ons­flug­ha­fen Tempel­hof ist schon seit 2008 geschlos­sen. Das Gelän­de ist als Park für die Bürger geöffnet.

Das Termi­nal des frühe­ren Zentral­flug­ha­fens der DDR in Schöne­feld bleibt vorerst als Teil des BER erhal­ten. Vom alten Flugha­fen übernimmt der BER auch eine Start- und Lande­bahn. Die neue zweite Bahn geht am 4. Novem­ber in Betrieb, dann gilt an dem Stand­ort erstmals ein Nachtflugverbot.

Der Bau des neuen Termi­nals war durch den Verzicht auf einen General­un­ter­neh­mer und zahlrei­che Umpla­nun­gen außer Kontrol­le geraten. 2012 wurde die Eröff­nung wenige Wochen vor dem Termin abgesagt. Auch inter­na­tio­nal löste das Staunen und Hohn aus. Die folgen­den Arbei­ten kamen einer Sanie­rung des Neubaus gleich. Jahre­lang wurde umgebaut, vor allem beim Brandschutz.

Bereits seit vergan­ge­ner Woche ist das Regie­rungs­ter­mi­nal auf dem BER-Gelän­de in Betrieb. Ein weite­res Fluggast­ter­mi­nal ist fertig, soll wegen des coronabe­ding­ten Einbruchs der Passa­gier­zah­len aber erst nächs­tes Jahr in Betrieb gehen. Zusam­men fassen die drei BER-Termi­nals nach Betrei­ber­an­ga­ben bis zu 41 Millio­nen Fluggäs­te im Jahr. Der Wirtschafts­plan geht für nächs­tes Jahr von etwa 18 Millio­nen aus, halb so viele wie 2019.