Das waren noch Zeiten, als der Hausarzt sich zweimal die Woche auf den Weg machte — raus aus der Praxis, hin zu den Patien­ten nach Hause, die bettlä­ge­rig, sehr krank oder einfach sehr bedürf­tig waren. Das ist vorbei. Aber es gibt Alternativen.

Diese bekla­gen vor allem das aus ihrer Sicht zu gerin­ge Entgelt: Für einen Hausbe­such dürfen sie gut 23 Euro für 30 Minuten abrech­nen plus Fahrt­pau­scha­le, erklärt ein in Karls­ru­he nieder­ge­las­se­ner Hausarzt, der nament­lich nicht genannt werden will. Ein Aufwand, der sich so nicht rechne. «In der gleichen Zeit könnte ich mehre­re Menschen in der Sprech­stun­de behan­deln.» Er kennt nach eigenen Worten einige Kolle­gen, die Hausbe­su­che grund­sätz­lich nicht mehr machen wollen — «Patien­ten wandern deshalb zu uns ab».

Die KVBW wendet ein: «Sicher­lich ist ein Hausbe­such für einen Arzt mit einem gewis­sen Aufwand verbun­den. Wir könnten aber nicht sagen, dass die jungen Hausärz­te weniger bereit sind, Hausbe­su­che zu absol­vie­ren als die älteren», sagt der Sprecher. Grund­sätz­lich sei ein Arzt verpflich­tet, notwen­di­ge Hausbe­su­che auch zu machen.

«Bei den Hausbe­su­chen steht der Aufwand in keinem Verhält­nis zur Entloh­nung», sagt der Sprecher des Hausärz­te­ver­ban­des, Manfred King. Zudem seien die Praxen so voll, dass es die Zeit nicht mehr herge­be, zu den Menschen zu fahren. «Es liegt auf der Hand, dass immer weniger Hausärz­te mit immer mehr Patien­ten das aus logis­ti­schen und Zeitgrün­den nicht mehr machen können», sagt er.

Der Rückgang von Hausbe­su­chen durch den Arzt ist auch bundes­weit kein neues Phäno­men. Laut Statis­tik der Kassen­ärzt­li­chen Bundes­ver­ei­ni­gung haben Ärzte im vergan­ge­nen Jahr 24,6 Millio­nen Hausbe­su­che absol­viert, sechs Millio­nen weniger als im Jahr 2009.

Längst wird versucht, über andere Lösun­gen den Mangel an Hausbe­su­chen wettzu­ma­chen: So arbei­ten in Baden-Württem­berg inzwi­schen Tausen­de Medizi­ni­sche Fachan­ge­stell­te, die zu sogenann­ten Versor­gungs­as­sis­ten­ten in der Hausarzt­pra­xis (Verah) oder Nicht-ärztli­chen Praxis­as­sis­ten­ten (Näpa) fortge­bil­det wurden.

Sie besuchen im Auftrag des Arztes Patien­ten, messen den Blutdruck oder setzen eine Sprit­ze. Damit hätten die Patien­ten weiter­hin einen zwischen­mensch­li­chen Austausch und Betreu­ung durch vertrau­tes Praxis­per­so­nal, betont ein Sprecher der AOK Baden-Württem­berg. Nach Angaben des Hausärz­te­ver­bands und der KVBW gibt es inzwi­schen über 3500 Verahs im Südwes­ten und rund 1300 Näpas. Letzte­re absol­vier­ten 2018 immer­hin schon über 65 500 Hausbe­su­che — 11,5 Prozent mehr als 2017.

Für den Hausarzt aus Karls­ru­he geht es um Zuwen­dung und Kontrol­le, er hält ärztli­che Hausbe­su­che weiter­hin für nötig — realis­tisch gesehen aber für ein Auslauf­mo­dell. Das Gesche­hen habe sich gewan­delt, bekräf­tigt auch der Sprecher der KVBW. Neben Näpas und Verahs werde auch immer besse­re Technik weite­re Möglich­kei­ten mit sich bringen, etwa Videosprechstunden.

So nutzen Arztpra­xen in Baden-Württem­berg immer häufi­ger digita­le Angebo­te, heißt es im KVBW-Bericht «Die ambulan­te medizi­ni­sche Versor­gung 2020». Waren es im Febru­ar 2020 nur neun Praxen in Baden-Württem­berg, die eine Video­sprech­stun­de abhiel­ten, so nutzten im Juni 2020 bereits mehr als 3800 Praxen diese Möglich­keit der Patien­ten­ver­sor­gung. Zwar können Online-Sprech­stun­den schon länger abgehal­ten und durch­ge­führt werden. «Jedoch hat erst die Corona-Pande­mie zu einer breiten Akzep­tanz bei Patien­ten und Ärzten beigetragen.»