Hilft gegen die Ausbrei­tung des Corona­vi­rus nur die erneu­te Schlie­ßung von Läden, Schulen und Restau­rants? Am Mittwoch beraten Bund und Länder wieder, weite­re Einschrän­kun­gen sind so gut wie sicher. Ein radika­ler Vorschlag kommt aus dem Süden.

«Wenn die Zahlen sich weiter so entwi­ckeln, dann müssen wir Maßnah­men in den Blick nehmen, etwa, dass wir auch einmal für eine Woche alles dicht machen, dass von Freitag bis Sonntag die Woche drauf gar nichts mehr geht», sagte Strobl dem Nachrich­ten­por­tal «The Pioneer» (Diens­tag). Auf die Frage, ob die Schlie­ßung auch Schulen, Kitas und Geschäf­te betref­fen würde, sagte Strobl: «Alles heißt alles.» Das bedeu­te auch Einschrän­kun­gen im Grenzverkehr.

Damit könne man das Infek­ti­ons­ge­sche­hen zum Still­stand bringen, argumen­tier­te Strobl, ohne auf Details einzu­ge­hen. Der Vorteil dieser «sehr, sehr harten» Lösung wäre die zeitli­che Begren­zung. Der CDU-Politi­ker beton­te aber auch, dann wären ein Weihnachts­ge­schäft und eine gemein­sa­me Weihnachts­zeit mit der Familie wieder möglich.

Auf breiten Zuspruch für seinen Vorschlag kann Strobl zunächst nicht hoffen. Aus Regie­rungs­krei­sen in Stutt­gart hieß es am Diens­tag, es werde wegen des Lernerfolgs aus den Monaten März und April weiter alles daran gesetzt, Schulen, Kitas und die Wirtschaft unter Pande­mie­be­din­gun­gen in Betrieb halten zu können. Zudem würden nach der neuen Bund-Länder-Runde am Mittwoch «erheb­li­che Maßnah­men zu Kontak­ten der Menschen in Alltag und Geschäft» erwar­tet, hieß es weiter. Dem Vorschlag Strobls stehe man skeptisch gegenüber.

Gegen­wind bekommt Strobl auch aus den eigenen Reihen. «Unser Land in einen komplet­ten Lockdown zu verset­zen und alles dicht­zu­ma­chen und herun­ter­zu­fah­ren, hätte nicht nur wirtschaft­lich, sozial und bildungs­po­li­tisch verhee­ren­de Folgen», sagte die CDU-Spitzen­kan­di­da­tin für die Landtags­wahl im kommen­den März, Susan­ne Eisen­mann. «Es wäre derzeit auch nicht verhält­nis­mä­ßig.» Das Land müsse «zielge­rich­tet agieren und reagie­ren.» Ein einwö­chi­ger sogenann­ter Lockdown (englisch wörtlich für: Ausgangs­sper­re) hätte nach Überzeu­gung der Landes­kul­tus­mi­nis­te­rin aber nur einen kurzen, zeitwei­sen Effekt. «Das Virus verschwin­det deshalb ja nicht.»

Grünen-Frakti­ons­chef Andre­as Schwarz sprach von einem «media­len Schnell­schuss» des Minis­ters. Die Video-Konfe­renz von Kanzle­rin Angela Merkel (CDU) und den Minis­ter­prä­si­den­ten der Länder sei der richti­ge Ort, um die nächs­ten Schrit­te zu beraten und über Maßnah­men zu entschei­den. Kopfschüt­teln auch bei der SPD: «Offen­sicht­lich hat der Innen­mi­nis­ter überhaupt nichts aus den folgen­schwe­ren Grenz­schlie­ßun­gen im Frühjahr gelernt», kriti­sier­te deren Frakti­ons­chef Andre­as Stoch. «Das Virus kennt keine Grenze und überträgt sich auch nicht von Nation zu Nation.»

Die FDP warnt ebenfalls vor einem Lockdown: «Das hätte fatale Folgen für unsere Wirtschaft», sagte Frakti­ons­chef Hans-Ulrich Rülke. Für den rechts­po­li­ti­schen Sprecher der Frakti­on, Nico Weinmann, wäre eine Schlie­ßung von Schulen, Kitas, Gastro­no­mie, Einzel­han­del und den Grenzen nicht verhält­nis­mä­ßig und wahrschein­lich verfas­sungs­wid­rig. «Er wird vor den Gerich­ten kaum Bestand haben», sagte Weinmann.

Bei den Gesprä­chen am Mittwoch will das Kanzler­amt nach «Bild»-Informationen für mögli­che weite­re Einschrän­kun­gen des öffent­li­chen Lebens werben. Im Gegen­satz zum Lockdown im Frühjahr sollten Schulen und Kitas jedoch weiter geöff­net bleiben, außer in Regio­nen mit katastro­phal hohen Infek­ti­ons­zah­len, berich­te­te die Zeitung am Montag­abend. Auch der Einzel­han­del solle mit neuen Einschrän­kun­gen offen bleiben. Laut «Bild» will das Kanzler­amt vor allem bei Gastro­no­mie und Veran­stal­tun­gen hart vorgehen.

Dagegen hält die Göttin­ger Forsche­rin Viola Priese­mann vom Max-Planck-Insti­tut für Dynamik und Selbst­or­ga­ni­sa­ti­on einen befris­te­ten Lockdown durch­aus für sinnvoll: «Wenn man den Lockdown kurz und konzer­tiert macht, ist es für alle gut», sagte sie dem Deutsch­land­funk. «Für die Menschen, für die Wirtschaft, für die Gesund­heit, für unser Sozial­le­ben.» Es reiche nicht aus, wenn sich 70 Prozent der Leute ein wenig zurück­näh­men und 30 Prozent der Menschen nicht. Insofern werde es ohne eine konzer­tier­te Aktion enorm schwie­rig, die Fallzah­len wieder herunterzubekommen.

Inzwi­schen rechnen fast zwei Drittel der Deutschen nach einer Umfra­ge des Meinungs­for­schungs­in­sti­tuts YouGov im Auftrag der Deutschen Presse-Agentur damit, dass es wegen der drama­tisch steigen­den Corona-Infek­ti­ons­zah­len wieder zu Schlie­ßun­gen von Geschäf­ten, Restau­rants oder Schulen kommen wird. Demnach sagten 63 Prozent, dass sie einen solchen Lockdown erwar­ten. Nur 23 Prozent glauben nicht daran, 13 Prozent machten keine Angaben. Einer weite­ren Umfra­ge zufol­ge hält gut jeder zweite Deutsche die gelten­den Aufla­gen zur Eindäm­mung der Pande­mie für angemessen.

Ein sogenann­ter Lockdown (englisch wörtlich für: Ausgangs­sper­re) umfasst weitrei­chen­de Einschrän­kun­gen des öffent­li­chen Lebens. Zur Bekämp­fung der ersten Corona-Welle hatten Bund und Länder beschlos­sen, Schulen und Kitas zu schlie­ßen sowie Kultur- und Sport­ein­rich­tun­gen für die Öffent­lich­keit zu sperren. Die meisten Gaststät­ten, Läden und Dienst­leis­ter durften keine Kundschaft empfan­gen, Zusam­men­künf­te etwa in Kirchen oder Sport­ver­ei­nen waren verbo­ten. Ansamm­lun­gen von mehr als zwei Perso­nen unter­schied­li­cher Haushal­te waren über Wochen nicht zulässig.