BIBERACH — Das Land braucht ein nachhal­ti­ges, leistungs­fä­hi­ges Gesund­heits­we­sen. Darüber besteht ein partei­über­grei­fen­der Konsens. Wie ein solches Gesund­heits­we­sen im Detail ausse­hen kann, dazu infor­mier­te sich der Bundes­tags­ab­ge­ord­ne­te Martin Gerster bei einem Besuch im AOK-Haus in Biber­ach. Gemein­sam mit der Ulm-Biber­acher AOK-Geschäfts­füh­re­rin Dr. Sabine Schwenk und deren Stell­ver­tre­ter Jürgen Weber disku­tier­te der SPD-Politi­ker die aktuel­len Entwick­lun­gen im Gesundheitswesen.

Das deutsche Gesund­heits­we­sen steht derzeit vor immensen finan­zi­el­len Heraus­for­de­run­gen. Viele davon sind hausge­macht: Stark gestie­ge­ne Ausga­ben durch neu verab­schie­de­te Geset­ze und die Verän­de­run­gen im Risiko­struk­tur­aus­gleich zwischen den Kassen belas­ten auch die Beitrags­zah­ler der AOK Baden-Württem­berg. Exper­ten schät­zen, dass die gesetz­li­che Kranken­ver­si­che­rung (GKV) im Jahr 2022 ein Defizit von 16 Milli­ar­den Euro aufwei­sen wird. Korrek­tur­be­darf sieht Sabine Schwenk vor allem bei der sogenann­ten Regio­nal­kom­po­nen­te: “Sie setzt negati­ve Wirtschaft­lich­keits­an­rei­ze, zieht dadurch Geld aus ländli­chen Regio­nen ab und zemen­tiert Über- und Fehlver­sor­gung in anderen Regio­nen.” Dieses Geld werde aber dringend zur Aufrecht­erhal­tung und weite­ren quali­ta­ti­ven Verbes­se­rung der Versor­gung in der Region benötigt. Daher sei es wichtig, den Bund zu einem Umden­ken hinsicht­lich tiefgrei­fen­der ordnungs­po­li­ti­scher Eingrif­fe in die Finanz­au­to­no­mie der gesetz­li­chen Kranken­ver­si­che­rung zu bewegen.

Bei der Gesprächs­run­de waren sich alle Betei­lig­ten einig, dass beim Thema Digita­li­sie­rung noch ein großes Entwick­lungs­po­ten­ti­al vorhan­den ist. “Die Digita­li­sie­rung ist gerade im ländli­chen Raum ein großes Thema”, so Martin Gerster. “Wir müssen dringend daran arbei­ten, schnel­le­re, besse­re und stabi­le­re Daten­ver­bin­dun­gen zu erhal­ten. Davon profi­tie­ren alle Bürge­rin­nen und Bürger und auf diese Weise lassen sich ganz neue Versor­gungs­struk­tu­ren schaffen.”

Mit den Digita­len Gesund­heits­an­wen­dun­gen (DiGA), auch “Apps auf Rezept” genannt, ist ein ganz neuer, aber auch sehr teurer Bereich für Innova­tio­nen im Gesund­heits­be­reich entstan­den. “Es ist zwar unbestrit­ten, dass die Apps die gesund­heit­li­che Versor­gung verbes­sern können”, so Jürgen Weber. “Es ist aber nicht akzep­ta­bel, dass die Kranken­kas­sen teilwei­se das Fünffa­che dessen bezah­len müssen, was die App-Anbie­ter vorher auf dem freien Markt verlangt haben. Daher bedarf es dringend einer überge­ord­ne­ten Versor­gungs­stra­te­gie und eines gesetz­li­chen Rahmens zur zeitna­hen Preis­ver­hand­lungs­mög­lich­keit bei Markteinführung.”

Um die großen Heraus­for­de­run­gen für Gesund­heit und Pflege — sei es der demogra­phi­sche Wandel, die Digita­li­sie­rung oder der Klima­wan­del — bewäl­ti­gen zu können, brauche es echte, von der Politik auf den Weg gebrach­te Struk­tur­re­for­men. Eine quali­ta­tiv hochwer­ti­ge und zugleich effizi­en­te Gesund­heits­ver­sor­gung, die sich am Bedarf der Menschen orien­tiert, sei das wichtigs­te Ziel — und müsse auch das der künfti­gen Bundes­re­gie­rung sein, so die Geschäfts­füh­rung der AOK Ulm-Biber­ach abschließend.