BIBERACH — Hunder­te Gäste aus der Region zwischen Alb und Boden­see kamen am 15. Febru­ar zum Neujahrs­emp­fang der Indus­trie- und Handels­kam­mern Boden­see-Oberschwa­ben und Ulm in die Stadt­hal­le Biberach.

Der tradi­tio­nel­le gemein­sa­me Neujahrs­emp­fang der Indus­trie- und Handels­kam­mern (IHKs) Boden­see-Oberschwa­ben und Ulm hat das Ziel, viele Menschen zusam­men­brin­gen, die sich für den Wirtschafts­stand­ort und die Region einset­zen und mit Weitsicht und Mut die Geschi­cke der heimi­schen Unter­neh­men steuern, sagte Petra Engst­ler-Karrasch, Haupt­ge­schäfts­füh­re­rin der IHK Ulm, in ihrer Begrü­ßung. Dies ist nach zweijäh­ri­ger Corona-Pause auch wieder gelun­gen. Zahlrei­chen­am­haf­te Vertre­ter aus Wirtschaft, Politik, Wissen­schaft und Verwal­tung aus der Region zwischen Alb und Boden­see kamen am vergan­ge­nen Mittwoch­abend in die Stadt­hal­le Biber­ach – unter ihnen Festred­ne­rin Dr. Franzis­ka Brant­ner, Parla­men­ta­ri­sche Staats­se­kre­tä­rin im Bundes­mi­nis­te­ri­um für Wirtschaft und Klimaschutz. 

Wirtschaft­li­che Herausforderungen

Mit den Folgen des Ukrai­ne-Kriegs und den damit verbun­de­nen Heraus­for­de­run­gen, Wirrnis­sen und Ängsten werde auch die Region zwischen Alb und Boden­see weiter­hin zu kämpfen haben, sagte Dr. Jan Stefan Roell, Präsi­dent der IHK Ulm. Dennoch hätten sich die Aussich­ten für die regio­na­le Konjunk­tur nach dem jüngs­ten IHK-Konjunk­tur­be­richt etwas aufge­hellt: „Die regio­na­len Unter­neh­men blicken lange nicht mehr so pessi­mis­tisch nach vorne wie vor einigen Monaten. Unsicher­hei­ten bestehen aber weiter­hin“, so der IHK-Präsi­dent. In Sachen Klima­schutz und Energie beschäf­ti­ge die Wirtschaft neben der Bezahl­bar­keit insbe­son­de­re die Versor­gungs­si­cher­heit. Eine funktio­nie­ren­de Infra­struk­tur sei dafür wichti­ge Voraus­set­zung. Das für den wirtschafts­star­ken Süden so wichti­ge Strom­tras­sen-Projekt SuedLink, mit dem grüner Windstrom aus dem Norden zur Einspei­sung in die Strom­net­ze in Baden-Württem­berg und Bayern fließen soll, komme aber leider nicht entschei­dend voran, bedau­er­te Roell. Die um sechs Jahre verzö­ger­te voraus­sicht­li­che Inbetrieb­nah­me im Jahr 2028 sei für die Wirtschaft nur schwer nachvoll­zieh­bar. Erst vor kurzem habe ein Strom­eng­pass mit einem Mix aus Markt- und Reser­ve­kraft­wer­ken sowie Strom­im­por­ten aus dem Ausland gemeis­tert werden müssen, da der im Norden produ­zier­te Strom aufgrund mangeln­der Leitun­gen nicht in den Süden trans­por­tiert werden konnte. „Die Planungs- und Geneh­mi­gungs­ver­fah­ren für den Ausbau erneu­er­ba­rer Energien und vor allem deren Integra­ti­on ins Strom­netz müssen deutlich beschleu­nigt werden“, forder­te Roell und verwies auf das erfolg­reich umgesetz­te LNG-Beschleunigungsgesetz. 

Der IHK-Präsi­dent mahnte zudem innova­tions- und inves­ti­ti­ons­freund­li­che­re Rahmen­be­din­gun­gen für die Wirtschaft an. „Eine mangeln­de Techno­lo­gie­of­fen­heit führt zur Abwan­de­rung von Know-how und Innova­ti­on“, warnte Roell. Deutsch­land brauche eine Carbon Manage­ment-Strate­gie. Auch die mangeln­de Verfüg­bar­keit von Arbeits- und Fachkräf­ten werde zum zentra­len Wachs­tums­hemm­nis. Hier seien neue pragma­ti­sche und unbüro­kra­ti­sche Einwan­de­rungs­re­geln, aber auch ein ausrei­chen­des Wohnungs­an­ge­bot dringend erforderlich.

Kritik übte der IHK-Präsi­dent auch an lähmen­den Verwal­tungs­pro­zes­sen und der teils unzurei­chen­den Politik­fol­gen­ab­schät­zung. „Es kann doch nicht sein, dass sich seit Jahren erfolg­rei­che und sehr stand­ort­ver­bun­de­ne Unter­neh­men durch Regelun­gen wie das neue Gesetz zur Stabi­li­sie­rung der gesetz­li­chen Kranken­ver­si­che­rung massiv ausge­bremst sehen, da bestimm­te Klassen von Innova­tio­nen nicht mehr vergü­tet würden“, so der Präsi­dent der IHK Ulm.

Eine pauscha­le Kritik an der Politik liege ihm fern, beton­te Roell zum Abschluss. Die Wirtschaft brauche aller­dings etwas, womit sie arbei­ten könne, und keine bloßen Verspre­chun­gen. „Ich setze dabei aber große Hoffnung in das Wirtschafts­mi­nis­te­ri­um als politi­sche Instanz der Unter­neh­men und insbe­son­de­re in Sie als Person, Frau Dr. Brant­ner“, schloss Roell zuver­sicht­lich und an die Parla­men­ta­ri­sche Staats­se­kre­tä­rin im Bundes­mi­nis­te­ri­um für Wirtschaft und Klima­schutz gerichtet.

Gemein­sa­me Anstrengungen 

Der Ukrai­ne-Krieg erfor­de­re von allen enorme Anstren­gun­gen, sagte Staats­se­kre­tä­rin Dr. Franzis­ka Brant­ner in ihrem Festvor­trag und verwies unter anderem auf die anhal­ten­den russi­schen Angrif­fe auf die zivile Infra­struk­tur der Ukrai­ne. Hier sei konti­nu­ier­li­che Hilfe erfor­der­lich. Brant­ner lobte das große Engage­ment und gute Krisen­ma­nage­ment der Wirtschaft, um einer drohen­den Energie­man­gel­la­ge entge­gen­zu­wir­ken. Die Regie­rung habe massiv daran gearbei­tet, den Ausbau regene­ra­ti­ver Energien zu beschleu­ni­gen, habe schnel­le­re Verfah­ren und Infra­struk­tur­maß­nah­men auf den Weg gebracht und entspre­chen­de Geset­ze erlas­sen. Deutsch­land und seine Wirtschaft stünden jedoch auch weiter­hin vor großen Heraus­for­de­run­gen, gab sie mit Blick auf Daten­schutz­be­lan­ge, Fachkräf­te- und Wohnungs­man­gel, Infra­struk­tur- und Klima­schutz­maß­nah­men, Techno­lo­gie- und Innova­ti­ons­för­de­rung, Entbü­ro­kra­ti­sie­rung, Trans­pa­renz und vieles mehr zu beden­ken. „Wir benöti­gen dafür vor Ort Menschen, die Verant­wor­tung überneh­men und Mut bewei­sen“, beton­te sie. „Demokra­tie ist eine Aufga­be von uns allen.“ 

Demokra­tie brauche Politik, Wirtschaft und Gesell­schaft, müsse täglich neu belebt werden und erfor­de­re Eigen­ver­ant­wor­tung, bestä­tig­te Martin Buck, Präsi­dent der IHK Boden­see-Oberschwa­ben, in seinem Schluss­wort. Eine dauer­haf­te Rückkehr zu vermeint­lich guten alten Zeiten sei aber keine Lösung, warnte Buck. Vielmehr müssten die großen Heraus­for­de­run­gen vorwärts­ge­rich­tet und mit Innova­tio­nen angegan­gen werden. Die Wirtschaft könne das und sei bereit, Eigen­ver­ant­wor­tung zu überneh­men – sofern diese nicht durch fehlen­de Planungs­si­cher­heit und überbor­den­de Bürokra­tie unter­gra­ben werde. Der Weg zu mehr Nachhal­tig­keit und Resili­enz müsse ökolo­gi­sche, ökono­mi­sche und sozia­le Belan­ge berück­sich­ti­gen. Die Politik sei gefor­dert, bestehen­de Hürden aus dem Weg zu räumen. In den Vollver­samm­lun­gen der IHKs hätten Wirtschafts­ver­tre­ter gute Möglich­kei­ten, Verant­wor­tung zu überneh­men und aktiv mitzu­ge­stal­ten, sagte Buck und verwies auf die im April und Mai bei beiden IHKs anste­hen­den Wahlen zur Vollver­samm­lung: „Machen Sie von Ihrem Wahlrecht Gebrauch. Demokra­tie lebt von Beteiligung.“