STUTTGART (dpa/lsw) — Russland als allei­ni­ger Bösewicht, der schon immer seine Inter­es­sen mit militä­ri­scher Gewalt durch­setzt? Dem Pazifis­ten Winfried Hermann ist diese Sicht etwas zu einseitig.

Vor dem Hinter­grund des Krieges in der Ukrai­ne hat der baden-württem­ber­gi­sche Verkehrs­mi­nis­ter Winfried Hermann (Grüne) vor einem zu einsei­ti­gen Blick auf die Rolle Russlands und des Westens gewarnt. «Die militä­ri­schen Konflik­te und Kriegs­be­tei­li­gun­gen der vergan­ge­nen 30 Jahre recht­fer­ti­gen nicht das Bild, dass nur Russland «kriege­risch» und «böse» seine Inter­es­sen immer wieder mit militä­ri­scher Gewalt durch­setz­te», schreibt Hermann in einem Thesen­pa­pier zum Krieg, das der Deutschen Presse-Agentur vorliegt. «Vor allem die US-ameri­ka­ni­schen Inter­ven­tio­nen brach­ten statt Frieden und Demokra­tie viel Zerstörung.»

Russland habe seit dem Ende der Sowjet­uni­on bruta­le, völker­rechts­wid­ri­ge Kriege mit nachweis­li­chen Kriegs­ver­bre­chen in den vermeint­li­chen russi­schen Inter­es­sens­zo­nen etwa in Tsche­tsche­ni­en, Georgi­en, Syrien geführt, so Hermann weiter. Die USA — unter­stützt von einzel­nen Nato-Staaten wie Frank­reich, Großbri­tan­ni­en und Deutsch­land habe aber «mit geball­ter militä­ri­scher Gewalt und teilwei­se ebenfalls völker­rechts­wid­rig im selben Zeitraum zweimal im Irak, in Jugosla­wi­en, Kosovo, in Afgha­ni­stan usw.» interveniert.

Hermann kriti­sier­te zugleich «verpass­te Friedens­chan­cen» seit dem Ende der Sowjet­uni­on und des Warschau­er Paktes. Die Chance auf eine neue «Sicher­heits­ar­chi­tek­tur mit Rüstungs­kon­trol­le und Abrüs­tung, die auch die Inter­es­sen der ehemals sowje­ti­schen Staaten und Russlands berück­sich­tigt», sei zuguns­ten einer Osterwei­te­rung der NATO vertan worden.

FDP-Landtags­frak­ti­ons­chef Hans-Ulrich Rülke kriti­sier­te den Grünen-Politi­ker scharf. «Ich bin entsetzt über die jüngs­ten Aussa­gen des Hobby-Außen­po­li­ti­kers Winfried Hermann, der sich als Putin-Verste­her outet.» Er forde­re von Minis­ter­prä­si­dent Winfried Kretsch­mann (Grüne) ein sofor­ti­ges Eingrei­fen. Es schade dem Ansehen des Landes Baden-Württem­berg massiv, wenn ein Mitglied der Landes­re­gie­rung Putins verbre­che­ri­schen Angriffs­krieg relati­vie­re. Kretsch­mann müsse richtig­stel­len, dass dies nicht die Haltung der Landes­re­gie­rung ist.

Hermann ist Pazifist und wird dem linken Spektrum der Grünen zugerech­net. Politik, zumal Außen- und Sicher­heits­po­li­tik, dürfe sich nicht primär von Emotio­nen leiten lassen, mahnte der Minis­ter. Er stell­te in Frage, ob die Waffen­lie­fe­run­gen des Westens wirklich den Krieg beenden oder die gewalt­sa­me Ausein­an­der­set­zung verlän­gern. «Am Ende muss der Friedens­ver­trag auch mit dem Kriegs­geg­ner Russland geschlos­sen werden, egal welche Kriegs­ver­bre­chen er began­gen hat», beton­te er. «Das ist die bitte­re, unaus­weich­li­che Wahrheit.»