RAVENSBURG — Elend ist die aktuel­le Situa­ti­on für mich und meine Kolle­gen als Konzert­fo­to­graf. Corona lässt die inter­na­tio­na­len Stars zu Hause bleiben und aktuell gibt es höchs­tens ein paar Highlights im kleinen Rahmen zu sehen. Süchtig nach Musik muss seit Monaten deshalb Spoti­fy herhal­ten und liefert dazu die nötigen Highlights von denen man künftig mal ein paar Bilder machen möchte.

Letzte Woche horch­te ich plötz­lich auf, ein sagen­haft, ja sogar schon gnaden­los gutes „Hey Joe“, bekannt vom Gitar­ren­gott Jimi Hendrix, in einer Gypsy Swing Versi­on auf der Gitar­re. Wer ist das? Warum kenne ich das nicht? Den will ich unbedingt vor die Linse kriegen, wenn es wieder geht, so schießt es mir spontan durch den Kopf.

Gleich mal gegoo­gelt und auch sofort gefun­den: Es ist der Deutsche Joscho Stephan mit seinem Trio. Sapper­lot, wie kann das sein, dass ich diesen begna­de­ten Musiker nicht kenne. Und dann der Knaller, ich schau auf seinen Tourka­len­der und er tritt tatsäch­lich zwei Tage später am Freitag in der Zehnt­scheu­er in Ravens­burg auf. Was für eine Fügung, was für ein Zufall!

Die ganzen Corona Regeln machen nicht nur den Künst­lern und Musikern immense Proble­me, auch Veran­stal­ter und alles was weiter daran hängt, ist durch die Pande­mie schwer angeschla­gen. Klein­kunst­büh­nen wie die Ravens­bur­ger Zehnt­scheu­er haben aktuell wenigs­tens wieder die Chance im corona-konfor­men Rahmen Veran­stal­tun­gen auf die Beine zu stellen, aber angesichts der vorge­schrie­be­nen Abstän­de und etwa nur einem Drittel vom sonst üblichen Publi­kum ist es tatsäch­lich sehr fraglich ob da überhaupt irgend­ein finan­zi­el­ler Gewinn für Künst­ler, Veran­stal­ter und Gastro­nom hängen bleibt.

Jörg Eberspä­cher, 1. Vorsit­zen­der des Vereins Zehnt­scheu­er Ravens­burg e.V., hat dazu eine ganz pragma­ti­sche Meinung: „Wir fahren jetzt eben auf Sicht und haben aktuell nur in Deutsch­land leben­de Künst­ler im Programm, da ist dann wenigs­tens einiger­ma­ßen gewähr­leis­tet, dass diese auch anrei­sen können“.

Eberspä­cher sieht aber das größte Problem beim Publi­kum selbst. Das von vielen zitier­te „kultu­rel­le Vakuum“ und der damit erwar­te­te Ansturm auf die ersten Veran­stal­tun­gen blieb aus seiner Erfah­rung leider aus. „Die Leute haben wegen Corona Angst auf Veran­stal­tun­gen zu gehen, auch der Vorver­kauf für unsere aktuel­len Veran­stal­tun­gen läuft daher eher zäh, die Menschen sind auch eher zurück­hal­tend sich für eine Veran­stal­tung in ein oder zwei Monaten zu entschei­den, es weiß ja keiner was bis dahin ist“, so die eher pessi­mis­ti­sche Einschät­zung des Zehnscheuer-Chefs.

Joscho Stephan betritt pünkt­lich um 20:00 Uhr die Bühne der Zehnt­scheu­er, beglei­tet von Volker Kamp am Bass und seinem Vater Günter Stephan an der Rhythmusgitarre.

Stephan hat keine Berüh­rungs­ängs­te mit anderen Genres, er liefert einen Parforce­ritt durch eigene Kompo­si­tio­nen, Gypsy-Swing Standard von Django Reinhardt und viel Jazzi­gem ab. Er startet mit einem Beatles-Klassi­ker, „Can’t Buy Me Love“, gefolgt vom „Minor Blues“ von Django Reinhardt oder er stimmt seine Eigen­kom­po­si­ti­on „Linea Blanca“ an und versetzt diese mit Anklän­gen von „On Broad­way“, dem Ohrwurm von George Benson. Hui, das geht ab, da müsste sich sogar George Benson warm anzie­hen, was Joscho Stephan da abliefert.

Einein­halb Stunden Gitar­ren-Jazz im Weltklas­se-Format, ganz Corona-konform ohne Pause, damit es keine unnöti­gen Kontak­te gibt. Als einer der Zugaben dann auch das absolut end-geile Hendrix-Cover, dass mich diesen unver­gess­li­chen Abend erst erleben ließ. „Hey Joscho“ sage ich leise vor mich hin, das war echt Klasse!

Was ich noch sagen wollte: Gehen sie trotz Corona mal wieder auf eine Kultur­ver­an­stal­tung. Es gibt keiner­lei Grund sich dort unwohl zu fühlen, die Abstän­de stimmen, die Regeln werden strengs­tens einge­hal­ten. Nicht nur, dass es den Künst­lern, Gastro­no­men und Veran­stal­tern hilft. Sie werden dann vielleicht auch merken, wie wichtig Kultur und Kunst für sie und unsere Gesell­schaft sind.

Weite­re Infos zu Joscho Stephan: https://www.joscho-stephan.de/

Hier das aktuel­le Programm der Zehnt­scheu­er: https://www.zehntscheuer-ravensburg.de/page/programm/aktuelles-programm.php

Bilder: Oliver Hofmann