Ein schnel­les Zurück aus dem Lockdown gibt es nicht — darauf berei­tet die Bundes­re­gie­rung die Bürger nun vor. Zeitgleich gibt es Aufre­gung um die ersehn­ten Impfun­gen. «Richtig und wichtig» ist aus Sicht des Gesund­heits­mi­nis­ters, Geimpf­ten bestimm­te Privi­le­gi­en zu gewähren.

Die Zahl der gemel­de­ten Todes­fäl­le in Zusam­men­hang mit dem Corona­vi­rus hat zum ersten Mal die Marke von 1000 überschrit­ten und damit einen Höchst­stand erreicht.

Binnen eines Tages melde­ten die deutschen Gesund­heits­äm­ter dem Robert Koch-Insti­tut (RKI) 1129 neue Todes­fäl­le, wie aus den RKI-Zahlen vom Morgen hervor­geht. Das waren 167 mehr als vor einer Woche. Grund­sätz­lich war ein Anstieg der Todes­fäl­le infol­ge des steilen Anstiegs bei den Neuin­fek­tio­nen erwar­tet worden. Die Inter­pre­ta­ti­on der Zahlen rund um die Feier­ta­ge und den Jahres­wech­sel ist grund­sätz­lich schwie­rig. Das RKI hatte darauf hinge­wie­sen, dass der Tod von Covid-19-Patien­ten häufig nachge­mel­det werde. Ungeach­tet der aktuel­len Zahlen müssen sich die Bürger auf eine Verlän­ge­rung der einschnei­den­den staat­li­chen Corona-Beschrän­kun­gen auch nach Frist­ab­lauf am 10. Januar gefasst machen.

Gesund­heits­mi­nis­ter Jens Spahn stimm­te darauf bereits ein und sagte am Diens­tag­abend in den ARD-«Tagesthemen», bei der Eindäm­mung der Pande­mie sei Deutsch­land «bei weitem noch nicht da, wo wir hin müssen». Deshalb werde es nach dem 10. Januar «ohne Zweifel Maßnah­men geben». In welchem Umfang, müssten Bund und Länder bei ihrer geplan­ten Konfe­renz am kommen­den Diens­tag entscheiden.

Das RKI melde­te am Morgen zudem nicht deutlich weniger Neuin­fek­tio­nen als vor einer Woche. 22.459 Neuin­fek­tio­nen wurden regis­triert, am vergan­ge­nen Mittwoch (23.12.) waren es 24.740 Neuin­fek­tio­nen. In der Weihnachts­wo­che ist die Zahl der Labor­tests auf das Corona­vi­rus in Deutsch­land nach Verbands­da­ten einge­bro­chen. In der Woche vom 21. bis 27. Dezem­ber seien rund ein Drittel weniger PCR-Tests durch­ge­führt worden, hatte der Verein Akkre­di­tier­te Labore in der Medizin (ALM) am Diens­tag mitgeteilt.

Seit Beginn der Pande­mie wurden 1.687.185 nachge­wie­se­ne Infek­tio­nen mit Sars-CoV‑2 in Deutsch­land (Stand: 30.12., 00.00 Uhr) regis­triert. Die Gesamt­zahl der Menschen, die an oder unter Betei­li­gung einer nachge­wie­se­nen Infek­ti­on mit Sars-CoV‑2 gestor­ben sind, stieg auf 32.107.

Zu den Proble­men bei der Termin­ver­ga­be für die Corona-Impfung sagte Spahn, zu Beginn ließen sich Warte­zei­ten in den Telefon­lei­tun­gen leider nicht vermei­den. Er könne nur um Verständ­nis und Geduld bitten. Da jedes Bundes­land ein anderes System habe, herrsche «etwas födera­les Durcheinander».

Spahn trat erneut dem Eindruck entge­gen, der Rest der Welt habe ganz viel Impfstoff und Deutsch­land habe weniger. «Wir begin­nen alle unter den Bedin­gun­gen der Knapp­heit», sagte er. Auch Bundes­tags­prä­si­dent Wolfgang Schäub­le wies Vorwür­fe zurück, die Bundes­re­gie­rung habe für Deutsch­land nicht genug Corona-Impfstoff­do­sen gesichert. «Ich kann die Kritik zwar nachvoll­zie­hen, aber ich halte sie dennoch für falsch», sagte Schäub­le der «Neuen Osnabrü­cker Zeitung» (Mittwoch). «Wir können unsere Ungeduld nicht zum Maß aller Dinge machen und den Menschen in ärmeren Weltre­gio­nen den Impfstoff wegschnappen.»

Aller­dings hatte die Hilfs­or­ga­ni­sa­ti­on Caritas inter­na­tio­nal bereits am Montag darauf hinge­wie­sen, dass die entwi­ckel­ten Länder den Großteil der weltwei­ten Impfpro­duk­ti­on bereits reser­viert hätten. Dabei lebten in diesen Ländern nur 14 Prozent der Weltbe­völ­ke­rung. Die Organi­sa­ti­on rechne damit, dass im kommen­den Jahr in 70 ärmeren Ländern nur zehn Prozent der Bevöl­ke­rung geimpft werden könnten.

Die Debat­te, ob Corona-Geimpf­te bestimm­te Privi­le­gi­en wie etwa Zutritt zu Restau­rants erhal­ten sollen, nannte Spahn «durch­aus richtig und wichtig», wie er bei «Bild live» sagte. Der privat-gewerb­li­che Bereich habe in dieser Frage mehr Spiel­raum. Nach seinem juris­ti­schen Verständ­nis wäre etwa eine Pizze­ria nur für Geimpf­te «das, was möglich ist».

Im öffent­li­chen Bereich und bei der Daseins­vor­sor­ge, also etwa in Kranken­häu­sern, Rathäu­sern oder dem öffent­li­chen Nahver­kehr, könne man aus seiner Sicht aber keinen Unter­schied zwischen Geimpf­ten und Nicht-Geimpf­ten machen. Er fügte hinzu, dass unklar sei, ob Geimpf­te weiter­hin andere anste­cken könnten. Das mache «einen ganz entschei­den­den Unter­schied». Er empfeh­le, die Erkennt­nis­se dazu abzuwarten.

Der Präsi­dent der Bundes­ärz­te­kam­mer, Klaus Reinhardt, rechnet damit, dass die Bereit­schaft für eine Corona-Impfung in den kommen­den Monaten steigt. «Für Geimpf­te verliert die Pande­mie ihren Schre­cken, sie werden sich besser fühlen und entspann­ter sein. Das wird anste­ckend sein, aber im positi­ven Sinne», sagte er dem Redak­ti­ons­netz­werk Deutsch­land. Für eine Herden­im­mu­ni­tät ist mindes­tens eine Impfquo­te zwischen 65 und 70 Prozent nötig.

Wenn genügend Impfstoff zur Verfü­gung steht, dürfen Impfgeg­ner nach Ansicht von Reinhardt aber nicht mehr mit der Rücksicht­nah­me der Gesell­schaft rechnen. «Sie müssen mit dem Risiko leben, unter Umstän­den auch schwer an Covid-19 zu erkran­ken. Sie können die Gesell­schaft nicht in Geisel­haft nehmen», sagte der Ärztepräsident.

Der Pflege­be­voll­mäch­tig­te der Bundes­re­gie­rung appel­lier­te an alle Pflege­kräf­te hierzu­lan­de, sich gegen Corona impfen zu lassen. Je mehr Menschen geimpft werden, desto weniger Wirte finde das Virus und die Ausbrei­tung werde einge­dämmt, sagte Andre­as Wester­fell­haus der «Rheini­schen Post» (Mittwoch). «Und ich bin mir sicher, dass diese Einsicht auch die meisten Pflege­kräf­te haben und sich impfen lassen», sagte er. In Alten- und Pflege­hei­men sterben zurzeit sehr viele Menschen an oder mit Covid-19.

Der SPD-Gesund­heits­exper­te Karl Lauter­bach wies darauf hin, dass Pflege­per­so­nal nach dem Infek­ti­ons­schutz­ge­setz auch zur Impfung gezwun­gen werden könnte. «Aber die Bundes­re­gie­rung hat verspro­chen, dass es keine Impfpflicht geben wird. Dabei wird es bleiben, und das ist auch richtig», sagte Lauter­bach der «Rheini­schen Post».