BERLIN (dpa) — Einein­halb Jahre Leben mit dem Corona­vi­rus schlaucht. Viele sind gestor­ben, manche sind pleite, andere psychisch belas­tet. Und wohl alle fragen sich, wann das ein Ende hat. Einer nennt einen Zeitraum.

Nach einein­halb Jahren Corona-Pande­mie fragen sich viele Menschen erschöpft: Wie lange noch? Vielleicht noch ein halbes bis Dreivier­tel­jahr, meint der Chef der Kassen­ärzt­li­chen Bundes­ver­ei­ni­gung (KBV).

«Ich gehe davon aus, dass im Frühjahr 2022 Schluss sein wird mit Corona», sagte Andre­as Gassen der Düssel­dor­fer «Rheini­schen Post» (Donners­tag). «Bis dahin wird die Impfquo­te noch einmal etwas höher liegen, vor allem nimmt aber auch die Zahl der Genese­nen mit Antikör­pern zu. Einschrän­kun­gen werden dann wohl gänzlich unnötig werden.»

Der General­se­kre­tär der Deutschen Inter­dis­zi­pli­nä­ren Verei­ni­gung für Inten­siv- und Notfall­me­di­zin (DIVI), Flori­an Hoffmann, rechnet ab 2022 mit Impfstof­fen auch für Säuglin­ge. «Wir gehen fest davon aus, dass es ab kommen­dem Jahr Impfstof­fe für alle Alters­klas­sen geben wird, sogar zugelas­sen bis hin zu Neuge­bo­re­nen», sagte der Kinder­arzt den Zeitun­gen der Funke-Medien­grup­pe (Donners­tag). Aktuell liefen verschie­de­ne Studi­en von Biontech und Moder­na, zum Teil sogar mit Säuglin­gen. Einen Impfstoff für Kinder unter zwölf Jahren erwar­te er bereits Ende dieses Jahres, so Hoffmann. Diese Gruppe werde voraus­sicht­lich eine reduzier­te Impfstoff­do­sis bekommen.

Gassen sagte aber auch, im Herbst würden die Infek­ti­ons­zah­len noch einmal steigen. Die Zahl schwe­rer Erkran­kun­gen werde aller­dings deutlich unter der des letzten Winters bleiben.

Der Sieben-Tage-Wert der Covid-19-Kranken­haus­auf­nah­men je 100 000 Einwoh­ner steigt seit Wochen langsam an. Am Mittwoch gab das Robert Koch-Insti­tut (RKI) ihn mit 1,81 an. Der bishe­ri­ge Höchst­wert lag um die Weihnachts­zeit bei rund 15,5. Ein bundes­wei­ter Schwel­len­wert, ab wann die Lage kritisch ist, ist für die Hospi­ta­li­sie­rungs-Inzidenz unter anderem wegen großer regio­na­ler Unter­schie­de nicht vorge­se­hen. Der Wert spiegelt die Infek­ti­ons­la­ge aber nur merklich verzö­gert wider, da zwischen einer Infek­ti­on und der Kranken­haus­ein­wei­sung im Schnitt zehn Tage vergehen.

Diskus­si­on über Auffrischungsimpfungen

Inzwi­schen haben viele Bundes­län­der mit Auffri­schungs­imp­fun­gen für Senio­ren und Immun­ge­schwäch­te begon­nen. In der Regel ist es für sie die dritte Corona-Sprit­ze, zu verab­rei­chen frühes­tens nach sechs Monaten. Ärzte­prä­si­dent Klaus Reinhardt kriti­sier­te das Vorpre­schen ohne eine entspre­chen­de Empfeh­lung der Ständi­gen Impfkom­mis­si­on (Stiko). Zwar spreche theore­tisch einiges für eine solche sogenann­te Booster­imp­fung, sagte Reinhardt dem Redak­ti­ons­netz­werk Deutsch­land (Donners­tag). Es fehlten aber noch aussa­ge­kräf­ti­ge Studi­en, ob, für wen und wann sie nötig sei. «Da ist also von der Politik eine Erwar­tungs­hal­tung bei den Patien­ten geschürt worden, die viele Ärztin­nen und Ärzte ohne eine wissen­schaft­lich fundier­te Impfemp­feh­lung nicht bedie­nen wollen.»

Die Stiko plant eine Empfeh­lung zeitnah, wie ihr Chef Thomas Mertens am Mittwoch der Deutschen Presse-Agentur gesagt hatte. Die Aufar­bei­tung der vorlie­gen­den Daten sei in vollem Gange. Auf ein genau­es Datum könne er sich aber noch nicht festlegen.

Der Grünen-Gesund­heits­exper­te Janosch Dahmen warf der Bundes­re­gie­rung eine unkla­re und verspä­te­te Strate­gie für die Auffri­schungs­imp­fun­gen gegen Covid-19 vor. «Zwar wurde ein Anspruch auf Auffri­schungs­imp­fun­gen in der neuen Impfver­ord­nung veran­kert, aber die konkre­te Impfstra­te­gie ist völlig unklar und selbst angesichts der vierten Welle im Sommer nicht vorbe­rei­tet worden», sagte er der Düssel­dor­fer «Rheini­schen Post» (Donners­tag). «Die Bundes­re­gie­rung hat es verpasst, frühzei­tig syste­ma­tisch Daten für Deutsch­land zu erheben, für wen und wann sogenann­te Booster-Impfun­gen zwingend sinnvoll sind.»

Der SPD-Gesund­heits­exper­te Karl Lauter­bach sagte der Zeitung: «Ich befürch­te, dass jetzt viele mit einer dritten Impfung verse­hen werden, die davon nicht profi­tie­ren, während dieje­ni­gen, die sie dringend benöti­gen würden, sie nicht bekommen.»

Was bringt «2G»?

Der Bonner Virolo­ge Hendrik Streeck sprach sich gegen «2G»-Begrenzungen aus, also Angebo­te nur für Geimpf­te und Genese­ne. Dies sei «weder sozial noch medizi­nisch sinnvoll», sagte er der «Neuen Osnabrü­cker Zeitung» (Donners­tag). Diese Art der Beschrän­kung werde wenig bewir­ken. «Es ist doch nicht so, dass Menschen, die nicht geimpft oder genesen sind, nur noch frustriert allei­ne zu Hause sitzen und kein sozia­les Leben mehr haben», erklär­te er. «Wir würden ledig­lich mehr unkon­trol­lier­te und unkon­trol­lier­ba­re Ausbrü­che im priva­ten Bereich haben, die dann auch nicht getes­tet werden.»

Hamburg hatte am Wochen­en­de das bislang bundes­weit einma­li­ge «2G»-Modell einge­führt: Veran­stal­ter und Wirte können nur geimpf­te und genese­ne Gäste einlas­sen und sind dann weitge­hend von den bishe­ri­gen Corona-Einschrän­kun­gen befreit. Alter­na­tiv können sie auch Getes­te­te einlas­sen, dann aber mit begrenz­ter Gäste­zahl und anderen Auflagen.