TOKIO (dpa) — Der Kanute Ronald Rauhe darf zum Abschluss seiner Karrie­re die deutsche Fahne tragen. Um 22.07 Uhr Ortszeit erklärt IOC-Präsi­dent Thomas Bach die Olympi­schen Spiele in Tokio für beendet.

Mit einer fröhli­chen Feier und einer gelun­ge­nen Mischung aus moder­nen Elemen­ten und Tradi­tio­nel­lem sind die wohl ungewöhn­lichs­ten Olympi­schen Spiele zu Ende gegangen.

In einem wie schon bei der Eröff­nungs­fei­er und allen Wettkämp­fen nahezu leeren Natio­nal­sta­di­on von Tokio sprach IOC-Präsi­dent Thomas Bach um 22.03 Uhr Ortszeit von den «Olympi­schen Spielen der Hoffnung, der Solida­ri­tät und des Friedens» und erklär­te vier Minuten später die XXXII. Olympi­schen Spiele mit der offizi­el­len Schluss­for­mel für beendet. Wenig später erlosch auch das olympi­sche Feuer.

Der finale Akt dieser Spiele bot schöne und typische Elemen­te der tradi­tio­nel­len Kultur Japans und einen letzten kurzen Einblick in die faszi­nie­ren­de Kultur des Landes — von der Olympia-Teilneh­mer wegen der Corona­vi­rus-Pande­mie kaum etwas zu sehen bekom­men hatten. Dennoch hätten die Aktiven «die Magie dieser Olympi­schen Spiele geschaf­fen», wie es Bach in seiner Rede formu­lier­te und beton­te: «Ihr habt uns inspi­riert mit der einigen­den Kraft des Sports.»

Paris Gastge­ber 2024

Die geplan­te spekta­ku­lä­re Präsen­ta­ti­on des kommen­den Gastge­bers Paris fiel anders aus als geplant. Eigent­lich wollten die Organi­sa­to­ren für 2024 eine gigan­ti­sche Flagge fast in der Größe eines Fußball­fel­des mit den Maßen von 90 mal 60 Metern am Eiffel­turm hissen. Doch wegen zu starken Windes in Paris fiel dieser Part der Zeremo­nie weg — und wurde durch Aufnah­men von einer Probe von Anfang Juni ersetzt. «Au revoir à Paris», sagte Bach am Ende seiner Rede.

In Tokio waren wegen der Corona­vi­rus-Pande­mie keine Zuschau­er in den Sport­stät­ten zugelas­sen. Die Athle­tin­nen und Athle­ten mussten spätes­tens 48 Stunden nach ihrem letzten Wettkampf abrei­sen, so dass auch deutsche Olympia­sie­ger wie Tennis­pro­fi Alexan­der Zverev, Weitsprin­ge­rin Malai­ka Miham­bo oder Ringe­rin Aline Rotter-Focken nicht mehr im Land waren, als die kleine deutsche Delega­ti­on angeführt von Fahnen­trä­ger Ronald Rauhe das Stadi­on betrat. Vor den Augen von IOC-Chef Bach und Japans Kronprinz Akishi­no, der statt seines älteren Bruders, Kaiser Naruhi­to, der Feier beiwohnte.

Deutsch­lands erfolg­reichs­ter Kanute hatte am Abschluss-Wochen­en­de Gold mit dem Kajak-Vierer gewon­nen und seine Karrie­re beendet. «Die Fahne aus dem Stadi­on zu tragen, ist die Krönung meiner Karrie­re», hatte der 39-Jähri­ge gesagt. Beim Einmarsch der Athle­ten der 205 Natio­nen und des Flücht­lings­teams herrsch­te eine ausge­las­se­ne Stimmung im Inneren des Stadi­ons. Abstands­re­geln schie­nen außer Kraft gesetzt, es wurde getanzt und Arm im Arm Erinne­rungs­fo­tos gemacht. Die deutschen Sport­le­rin­nen und Sport­ler verschenk­ten ihre kleinen Fahnen an die Volun­teers. Freiwil­li­ge trugen auch die Fahnen derje­ni­gen Länder, deren Aktive bereits aus Japan abgereist waren.

Marathon-Sieger werden geehrt

Bekann­te japani­sche Lieder wie «Ue o Muite Arukou» (etwa: «Lass uns nach oben schau­en, wenn wir gehen») von Kyuu Sakamo­to aus dem Jahr 1961 sorgten für eine bewegen­de Atmosphä­re vor der Sieger­eh­rung für die Medail­len­ge­win­ne­rin­nen und ‑gewin­ner der beiden Marathon-Wettb­wer­be, die am Morgen in Sappo­ro ausge­tra­gen wurden.

Wie auch schon bei der Eröff­nungs­fei­er wurde die Zeremo­nie von einem kleinen, fried­li­chen Protest beglei­tet. Rund um das Natio­nal­sta­di­on hatten sich etwa 50 Aktivis­tin­nen und Aktivis­ten versam­melt. «No Olympics» war auf einem Plakat zu lesen. Dass Olympia mit Teilneh­mern aus aller Welt trotz stark steigen­der Fallzah­len während der Pande­mie in der Millio­nen­stadt Tokio statt­fin­den durfte, wurde in Japan teilwei­se sehr kritisch gesehen. Am Sonntag wurden 4066 Neuin­fek­tio­nen in Tokio vermel­det und damit am fünften Tag in Folge mehr als 4000. Am Tag der Eröff­nungs­fei­er waren es 1359 gewesen.

Atmosphä­risch wirkte der Schluss­akt dennoch ausge­las­se­ner und positi­ver als die Ouver­tü­re vor gut zwei Wochen, die eher unspek­ta­ku­lär und ohne Flair bei den meisten Betrach­tern angekom­men war. Als die franzö­si­sche Natio­nal­hym­ne Marseil­lai­se erklang und Bilder von den Dächern über Paris, den maleri­schen Wettkampf­stät­ten am Eiffel­turm oder am Schloss Versailles einge­spielt wurden, war Tokio schon (fast) Geschich­te und die Metro­po­le an der Seine die olympi­sche Sommer-Zukunft.

Von Lars Nicolay­sen, Thomas Wolfer und Wolfgang Müller, dpa