MÜNCHEN (dpa) — 2022 wird das teuers­te Tankjahr aller Zeiten. Die Preise haben seit Beginn des Ukrai­ne-Krieges alle bishe­ri­gen Rekor­de überstie­gen. Am Sprit­ver­brauch hat das aller­dings nicht beson­ders viel geändert.

Jetzt steht es auch rein rechne­risch fest: 2022 ist das teuers­te Tankjahr aller Zeiten. Schon zwei Monate vor Jahres­en­de wäre daran selbst dann nichts mehr zu ändern, wenn Benzin und Diesel ab Sonntag verschenkt würden, wie Berech­nun­gen der Deutschen Presse-Agentur auf Basis von Daten des ADAC zeigen.

Bei Super­ben­zin der Sorte E10 wurde die Grenze mit dem Samstag überschrit­ten, beim beson­ders stark von den Preis­stei­ge­run­gen betrof­fe­nen Diesel war sie schon vor einem Monat gefallen.

Im bishe­ri­gen Rekord­jahr 2012 hatte E10 im Schnitt 1,589 Euro pro Liter gekos­tet, Diesel 1,478 Euro. Im laufen­den Jahr gab es noch keinen einzi­gen Tag, an dem auch nur eine der Sorten im bundes­wei­ten Durch­schnitt billi­ger gewesen wäre. «2022 ist ein bezüg­lich der Kraft­stoff­prei­se extre­mes Jahr», sagt der ADAC-Exper­te Chris­ti­an Laberer. «Die Sprit­prei­se befin­den sich nach wie vor auf einem überteu­er­ten Niveau, insbe­son­de­re bei Diesel.»

Ukrai­ne-Krieg treibt Preise in die Höhe

Seit sie kurz nach Beginn des Ukrai­ne-Krieges in die Höhe geschos­sen waren — Diesel koste­te damals kurzzei­tig mehr als 2,30 Euro, Benzin über 2,20 Euro pro Liter — sind die Preise nicht mehr auf alte Niveaus gesun­ken. Zwar ging es strecken­wei­se nach unten und die vorüber­ge­hen­de Steuer­sen­kung im Sommer dämpf­te für drei Monate die Kosten.

Doch wenn man für den Rest des Jahres etwa gleich­blei­ben­de Sprit­prei­se annimmt, werden an dessen Ende Durch­schnitts­prei­se stehen, die die alten Rekor­de gerade­zu pulve­ri­sie­ren. Bei E10 ergäben sich ein Jahres­durch­schnitt von etwa 1,88 Euro — rund 29 Cent über dem alten Rekord. Bei Diesel ergäbe sich ein Wert von rund 1,98 Euro pro Liter — das sind ganze 50 Cent mehr als der bishe­ri­ge Rekord.

Schnel­le Entspan­nung ist nicht unbedingt in Sicht. «Es besteht die Gefahr, dass sich die hohen Preise für länge­re Zeit am Markt verfes­ti­gen», sagt Laberer. Um das zu verhin­dern, müssten die Verbrau­cher ihre Markt­macht nutzen und bewusst günstig tanken, um den Wettbe­werb anzukurbeln.

Situa­ti­on bei Diesel «sehr viel härter»

Ein kleines bisschen Hoffnung macht Laberer Autofah­rern aller­dings: «Im Moment sind wir noch weit von einer Norma­li­sie­rung entfernt, zuletzt schien der Wettbe­werb aber zumin­dest bei Benzin wieder stärker zu greifen, so dass die Preise nicht mehr so deutlich vom Ölpreis entkop­pelt sind, wie in den Monaten seit Beginn des Ukrai­ne-Krieges. Es gibt aber noch viel Luft nach unten», sagt er.

Und bei Diesel sei die Situa­ti­on «sehr viel härter». Dazu tragen auch Sonder­ef­fek­te bei, wie Laberer erklärt: «Die Indus­trie ersetzt Gas durch Diesel und aktuell zieht die Nachfra­ge nach dem sehr ähnli­chen Heizöl wieder an. Aber das recht­fer­tigt nicht, wie stark die aktuel­len Preise überhöht sind.»

Wie stark die hohen Sprit­prei­se Autofah­rer belas­ten, hängt davon ab, wie viel ihr Fahrzeug verbraucht und wie weit sie jedes Jahr fahren. Doch geht man von den hochge­rech­ne­ten Werten für das Gesamt­jahr aus, zieht typische Fahrzeu­ge und Fahrleis­tun­gen heran und vergleicht mit den Durch­schnitts­prei­sen der zehn Jahre davor, sind es Hunder­te Euro.

Bei einem Diesel mit einer Jahres­fahr­leis­tung von 20.000 Kilome­tern und einem Verbrauch von 6 Litern auf 100 Kilome­tern steigen die Kosten um rund 860 Euro im Jahr. Benzi­ner legen in der Regel kürze­re Strecken zurück, verbrau­chen aber mehr. Setzt man hier typische 10.500 Kilome­ter und 7,5 Liter auf 100 Kilome­ter an, liegen die Mehrkos­ten bei rund 360 Euro.

Sprit­kos­ten dämpfen nicht den Verbrauch

Wer darauf gehofft hat, dass die hohen Sprit­kos­ten dem Klima­schutz helfen, wird aller­dings enttäuscht. Bislang ist kein starker dämpfen­der Effekt auf den Sprit­ver­brauch festzu­stel­len. Direk­te Zahlen gibt es hier zwar nicht, die vom Bundes­amt für Wirtschaft und Ausfuhr­kon­trol­le veröf­fent­lich­ten Inlands­ab­lie­fe­run­gen für Diesel und Benzin geben aber einen guten Anhaltspunkt.

Und hier steht nach sieben Monaten — aktuel­le­re Zahlen liegen noch nicht vor — sogar ein Anstieg: 9,66 Millio­nen Tonnen Benzin wurden ausge­lie­fert — das sind 7,7 Prozent mehr als im Vorjah­res­zeit­raum. Bei Diesel waren es 19,5 Millio­nen Tonnen — 1,1 Prozent mehr als im Vorjahr.

Der Anstieg geht wohl vor allem darauf zurück, dass es 2022 deutlich weniger Corona-Restrik­tio­nen gab als noch im Vorjahr. Dieser Effekt war offen­sicht­lich stärker als mögli­che Auswir­kun­gen der gestie­ge­nen Preise. Aller­dings liegt das diesjäh­ri­ge Auslie­fe­rungs­ni­veau unter dem der Jahre vor der Pandemie.

Auf die Wahl, welches Benzin in den Tank kommt, schei­nen die gestie­ge­nen Preise aber Auswir­kun­gen zu haben: Der Anteil des günsti­ge­ren E10 am Benzin­ver­brauch ist kräftig gestie­gen. In den ersten sieben Monaten des Jahres lag er bei 22,8 Prozent, im Vorjah­res­zeit­raum erst bei 15,8. Und noch viel mehr Autofah­rer könnten so sparen, sagt Laberer. «Fast alle Benzi­ner vertra­gen das, wenn es sich nicht gerade um Oldti­mer handelt. Der Preis­un­ter­schied beträgt meist 5 bis 6 Cent. Trotz­dem wird immer noch viel mehr norma­les Super als E10 getankt.»

Von Chris­tof Rührmair, dpa