STUTTGART (dpa/lsw) — Der Verfas­sungs­schutz hält bewaff­ne­te «Reichs­bür­ger» poten­zi­ell für gefähr­lich, ebenso Rechts­extre­mis­ten. Sie werden regel­mä­ßig überprüft. Mit welchem Ergebnis?

Verfas­sungs­schüt­zer in Baden-Württem­berg haben zwischen Febru­ar 2020 und Anfang August 2022 mehr als 194.000 Anfra­gen von Waffen­be­hör­den im Zusam­men­hang mit dem Waffen­recht beant­wor­tet. In rund 460 Fällen erhiel­ten «Reichs­bür­ger», Rechts­extre­mis­ten und andere Gruppen mit verfas­sungs­feind­li­chen Bestre­bun­gen keine neue Waffen­er­laub­nis oder eine bestehen­de wurde entzo­gen, wie aus einer Antwort des Innen­mi­nis­te­ri­ums auf eine parla­men­ta­ri­sche Anfra­ge der Landtags­grü­nen in Stutt­gart hervorgeht.

Innen­mi­nis­ter Thomas Strobl (CDU) sagte: «Unsere Sicher­heits­be­hör­den gehen konse­quent gegen «Reichs­bür­ger» und Extre­mis­ten vor, sie bekom­men keine waffen­recht­li­chen Erlaub­nis­se mehr und bereits erteil­te Geneh­mi­gun­gen werden wo irgend möglich wider­ru­fen.» Jede einge­zo­ge­ne Schuss­waf­fe sei eine Schuss­waf­fe weniger in der Hand eines Extre­mis­ten und damit eine Gefahr weniger.

Die sogenann­te Regel­an­fra­ge beim Landes­amt für Verfas­sungs­schutz gilt seit dem Inkraft­tre­ten des geänder­ten Waffen­ge­set­zes im Febru­ar 2020. Damit soll verhin­dert werden, dass bestimm­te Gruppen legal in den Besitz von Waffen kommen bezie­hungs­wei­se diese behal­ten können. Die rund 150 Waffen­be­hör­den im Land müssen beim Verfas­sungs­schutz abfra­gen, ob die betref­fen­de Person dort als Extre­mist bekannt ist. Dies nennt man Zuverlässigkeitsprüfung.

«Reichs­bür­ger» und «Selbst­ver­wal­ter» zweifeln die Legiti­mi­tät der Bundes­re­pu­blik an. Sie weigern sich oft, Steuern zu zahlen. Zu den überre­gio­nal aktiven Gruppie­run­gen zählen Zusam­men­schlüs­se mit Namen wie «Staaten­bund Deutsches Reich» oder «König­reich Deutsch­land». Der Verfas­sungs­schutz rechnet der Szene rund 21.000 Anhän­ger zu.

Wie aus der Landtags­an­fra­ge darüber hinaus hervor­geht, wurden die Verfas­sungs­schüt­zer und das Landes­kri­mi­nal­amt auch von sich aus tätig — und zwar noch vor der Änderung des dritten Waffen­rechts­ge­set­zes. Sie hätten die Waffen­be­hör­den in Dutzen­den Fällen seit 2017 in eigener Initia­ti­ve infor­miert. Hierbei handel­te es sich zu einem Großteil wieder um «Reichs­bür­ger» und Rechtsextremisten.

Die Verfas­sungs­schüt­zer schät­zen die Gefahr, die etwa von bewaff­ne­ten «Reichs­bür­gern» und «Selbst­ver­wal­tern» ausgeht, als grund­sätz­lich hoch ein. Auch wenn nicht alle mit ihren Waffen Straf­ta­ten begehen, bieten ihnen extre­mis­ti­sche Verschwö­rungs­er­zäh­lun­gen eine vermeint­li­che Legiti­ma­ti­on zur Gegen­wehr gegen die propa­gier­ten Feind­bil­der, wie das Innen­mi­nis­te­ri­um in seiner Antwort schrieb.

«Hierzu gehören Politi­ker, staat­li­che Reprä­sen­tan­ten oder andere Perso­nen­grup­pen, die als «Mitver­schwö­rer» erach­tet werden. Dies kann dazu führen, dass sich einzel­ne Perso­nen oder Perso­nen­grup­pen dazu berufen fühlen, zur Tat zu schrei­ten und auch mittels Waffen­ge­walt gegen ihre jewei­li­gen Feind­bil­der vorzu­ge­hen», hieß es weiter.

Dassel­be gelte für bewaff­ne­te Rechts­extre­mis­ten. In diesem Bereich kommt laut Innen­mi­nis­te­ri­um hinzu, dass eine vermeint­li­che Legiti­ma­ti­on von Gewalt nicht nur aus Verschwö­rungs­ideo­lo­gien herge­lei­tet werde. «Vielmehr kann die Gewalt­le­gi­ti­ma­ti­on bei Rechts­extre­mis­ten auch auf zentra­len rechts­extre­mis­ti­schen Einstel­lungs­mus­tern beruhen, wie Rassis­mus oder generel­ler Fremdenfeindlichkeit.»

Zuletzt hatte ein Fall im Main-Tauber-Kreis für Aufse­hen gesorgt: Wegen des Verdachts auf illega­len Waffen­be­sitz hatte die Polizei am 20. April in Boxberg ein Grund­stück durch­sucht, auf dem ein «Reichs­bür­ger» um sich schoss. Der Mann feuer­te mit einem vollau­to­ma­ti­schen Gewehr mehre­re dutzend Mal aus fünf verschie­de­nen Schuss­po­si­tio­nen auf 14 Polizis­ten. Dabei wurden zwei Beamte verletzt. Am Tatort fanden die Ermitt­ler ein ganzes Waffenarsenal.

Die Waffen­be­hör­de überprüft alle fünf Jahre, ob eine Notwen­dig­keit für den Besitz von Schuss­waf­fen noch vorliegt.