WEINGARTEN – Die Fortschrei­bung des Regio­nal­plans biegt auf die Zielge­ra­de ein. Anläss­lich ihrer jüngs­ten Stellung­nah­me als Träger öffent­li­cher Belan­ge unter­streicht die Indus­trie- und Handels­kam­mer Boden­see-Oberschwa­ben (IHK) ihre Unter­stüt­zung für den aktuel­len Entwurf und weist die in Teilen der Öffent­lich­keit geäußer­te Kritik am Regio­nal­plan entschie­den zurück. 

Insge­samt beschei­nigt die IHK dem Entwurf des Regio­nal­plans, der Aufga­be einer zukunfts­wei­sen­den und verant­wor­tungs­vol­len Auswei­sung von Flächen gerecht zu werden. Angesichts von Flächen­knapp­heit habe eine sorgsa­me Abwägung unter­schied­li­cher Inter­es­sen stattgefunden.

Gewer­be­flä­chen und Wohnraum

Eine vom Regio­nal­ver­band in Auftrag gegebe­ne Gewer­be­flä­chen­pro­gno­se kommt auf einen Bedarf von 600 bis 1.500 ha für die nächs­ten 15 Jahre. Das darauf basie­ren­de Gewer­be­flä­chen­ent­wick­lungs­kon­zept, das der Regio­nal­ver­band in Zusam­men­ar­beit mit den Kommu­nen unter Berück­sich­ti­gung anspruchs­vol­ler Eignungs­kri­te­ri­en insbe­son­de­re im Umwelt- und Natur­schutz in einem umfang­rei­chen Verfah­ren erstellt und in seinen Gremi­en beschlos­sen hat, sieht Schwer­punk­te für Indus­trie und Gewer­be vor, darun­ter vor allem Inter­kom­mu­na­le Gewer­be­ge­bie­te. Im aktuel­len Entwurf sind insge­samt noch 800 ha Gewer­be­flä­chen ausge­wie­sen, nachdem im ersten Entwurf noch 937 ha vorge­se­hen waren. Im Boden­see­kreis wurden die ursprüng­lich geplan­ten 160 ha auf 118 ha reduziert. Diese ha liegen deutlich unter dem Bedarf des Boden­see­krei­ses (unterer Progno­se­wert: 225 ha). Haupt­grund für die Verknap­pung ist der Wegfall von Gewer­be­flä­chen in Uhldin­gen-Mühlho­fen und in Kress­bronn. Für einen wirtschafts­star­ken Stand­ort wie den Boden­see­kreis ist die Verknap­pung von Gewer­be­flä­chen nach Auffas­sung der IHK ein großer Stand­ort­nach­teil und kann durch Gewer­be­flä­chen in den anderen Landkrei­sen kaum wettge­macht werden. Auch im Landkreis Ravens­burg wurden rund 70 ha Gewer­be­flä­chen seit dem ersten Anhörungs­ent­wurf gestri­chen. Im Landkreis Sigma­rin­gen wurden ebenfalls zwei größe­re Gewer­be­flä­chen­po­ten­zia­le mit insge­samt rund 30 ha gestri­chen. „Die Zahlen zeigen, dass der Vorwurf einer ungezü­gel­ten Flächen­in­an­spruch­nah­me unzutref­fend ist, denn wir bewegen uns mittler­wei­le bei den geplan­ten Gewer­be­flä­chen für die Region in der Nähe der unteren Progno­se­gren­ze, im Boden­see­kreis sogar darun­ter. Noch weniger Flächen auszu­wei­sen, würde dem gesetz­li­chen Auftrag des Regio­nal­plans, eine bedarfs­ge­rech­te und voraus­schau­en­de Flächen­pla­nung zu betrei­ben, nicht gerecht. Wir halten es sogar für dringend geboten, an anderer Stelle für den Ersatz der gestri­che­nen Gewer­be­flä­chen zu sorgen“, so die Einschät­zung von IHK-Haupt­ge­schäfts­füh­rer Profes­sor Dr. Peter Jany. 

Die Wirtschaft beken­ne sich ausdrück­lich zum verant­wor­tungs­be­wuss­ten Umgang mit der Gewer­be­flä­chen­in­an­spruch­nah­me und auch das Prinzip der Innen- vor Außen­ent­wick­lung sei richtig. Als allei­ni­ge Richt­schnur reiche dies laut IHK aber nicht aus, da die Bevöl­ke­rung den mit dem inner­städ­ti­schen Gewer­be zwangs­läu­fig verbun­de­nen Wirtschafts­ver­kehr meist ableh­ne: ein Interessenskonflikt. 

Es braucht aus Sicht der Wirtschaft daher zusätz­li­che Stand­or­te mit Schwer­punk­ten für Indus­trie und Gewer­be, damit sich ortsan­säs­si­ge Betrie­be weiter­ent­wi­ckeln und dem Stand­ort die Treue halten können. „Wir haben bei der langwie­ri­gen Stand­ort­su­che von MTU und der Ansied­lung in Kluft­ern gesehen, wie wichtig ein gewis­ses Maß an Vorrats­flä­chen ist. Solche Poten­zi­al­flä­chen helfen, ansäs­si­gen Betrie­ben eine Perspek­ti­ve für plötz­li­chen oder mittel­fris­tig abseh­ba­ren Flächen­be­darf zu geben. Es ist ein Trugschluss zu glauben, mit einer restrik­ti­ven Flächen­po­li­tik ließen sich Flächen sparen. Expan­die­ren­de Betrie­be holen sich ihre Flächen, wenn nicht bei uns, dann außer­halb der Region oder an auslän­di­schen Stand­or­ten, sie nehmen dann die Arbeits- und Ausbil­dungs­plät­ze mit, ebenso die Gewer­be­steu­er, die in unserer Region für mehr als ein Drittel des Steuer­auf­kom­mens sorgt. Daran kann unser Wirtschafts­stand­ort kein Inter­es­se haben“, zeigt sich Jany überzeugt. 

Die IHK weist darauf hin, dass nicht benötig­te Gewer­be­flä­chen von den Kommu­nen auch nicht entwi­ckelt und in konkre­te Bebau­ungs­plä­ne überführt werden müssen. Wenn kein Bedarf bestehe oder eine Kommu­ne einen Gewer­be­stand­ort nicht entwi­ckeln wolle, bleibe die Fläche das, was sie jetzt ist. „Die Kommu­ne behält das Heft des Handelns also trotz ausge­wie­se­ner Gewer­be­flä­chen in der Hand. Aber die Kommu­ne ist anders­rum quasi macht­los, wenn keine Vorrats- bezie­hungs­wei­se Reser­ve­flä­chen im Regio­nal­plan vorge­se­hen sind. Denn das bedeu­tet dann, dass den Kommu­nen und ihren ansäs­si­gen Betrie­ben keine solche Entwick­lungs­op­ti­on geboten werden kann. Und das ganz ohne Not“, so Jany. 

Auch hinsicht­lich der im aktuel­len Entwurf des Regio­nal­plans geplan­ten Flächen für Wohnbe­bau­ung spricht sich die IHK dafür aus, die vorge­se­he­nen Flächen beizu­be­hal­ten und nicht weiter einzu­schrän­ken. „Ausrei­chen­der und bezahl­ba­rer Wohnraum – und dazu gehört auch Baugrund – ist ein Schlüs­sel­fak­tor für die Fachkräf­te­si­che­rung. Wohnraum ist in unserer Region äußerst knapp und mancher­orts fast unerschwing­lich gewor­den. Das ist nicht nur ein Problem für unsere bestehen­den Arbeits­kräf­te, auch so mancher neue Arbeits­ver­trag ist schon geschei­tert, weil die von auswärts angewor­be­ne Fachkraft keine adäqua­te Wohnmög­lich­keit gefun­den hat. Kein anderer Stand­ort­fak­tor hat sich im Urteil der Firmen­chefs in der IHK-Umfra­ge zur Stand­ort­zu­frie­den­heit im Laufe der Zeit so massiv verschlech­tert“, mahnt Jany.

Rohstoff­ab­bau

Die IHK appel­liert vor dem Hinter­grund der teilwei­se hitzi­gen Diskus­si­on in der Öffent­lich­keit um Abbau­stel­len für Kies an alle Betei­lig­ten und Betrof­fe­nen sowie politi­schen Entschei­dungs­trä­ger und Medien, die Diskus­si­on fair und sachlich sowie unter Berück­sich­ti­gung vorlie­gen­der Fakten zu führen. „Es ist ein Wider­spruch, für Klima­schutz zu sein, eine Energie­wen­de zu befür­wor­ten und nachhal­ti­ge Mobili­täts­kon­zep­te mit mehr Schie­ne und Radwe­gen sowie besse­rem ÖPNV zu fordern und nicht gleich­zei­tig die Voraus­set­zun­gen dafür zur Kennt­nis zu nehmen: Ein Windrad­fun­da­ment (mit 3 MW Nennleis­tung) benötigt 1.300 t Gesteins­roh­stof­fe, 1 km Radweg 11.000 t, 1 km Schie­nen­weg 35.000 t“, erläu­tert Jany.

Die IHK verken­ne nicht, dass der Abbau von Rohstof­fen zusätz­li­chen Verkehr auslö­se. Die Alter­na­ti­ve sei, dass wegen des hohen Bedarfs zusätz­lich von außer­halb impor­tiert werde. Die damit verbun­de­nen Trans­port­we­ge würden nach Ansicht der IHK größe­re Verkehrs­be­las­tun­gen als der ortsna­he Abbau mit sich bringen. Eine regio­na­le und damit verbrau­cher­na­he Rohstoff­ver­sor­gung ist daher aus Sicht der IHK grund­sätz­lich sinnvoll und auch klimaschonend.

Weiter weist die IHK darauf hin, dass über den Rohstoff­ab­bau an einem Stand­ort das Geneh­mi­gungs­ver­fah­ren entschei­de und der Regio­nal­plan nur die Vorstu­fe darstel­le. Sollten sich im eigent­li­chen Rechts­ver­fah­ren Gefah­ren für das Grund­was­ser oder andere schutz­wür­di­ge Umwelt­gü­ter ergeben, werde keine Geneh­mi­gung erteilt und finde kein Abbau statt. Ferner weist die IHK darauf hin, dass Rohstoff­ab­bau zwar mit Eingrif­fen in die Natur verbun­den, die Flächen­in­an­spruch­nah­me aber immer nur vorüber­ge­hend sei. Zwar hande­le es sich oft um bleiben­de Landschafts­ver­än­de­run­gen, aber umfas­sen­de Renatu­rie­rungs- und Umwelt­schutz­maß­nah­men seien für die Unter­neh­men verpflich­tend. Auch von Umwelt- und Natur­schutz­ver­bän­den würden diese Maßnah­men inzwi­schen überwie­gend positiv beurteilt. Oft genug würden neue Naturschutzgebiete/Biotope mit geschütz­ten Arten­vor­kom­men oder belieb­te Freizeit­ein­rich­tun­gen entste­hen, die den Touris­mus stärken und Einnah­men für Kommu­nen generieren.

Die IHK hält die jüngs­te Kritik von Kreis­rat Rudolf Bindig und Klima­ak­ti­vis­ten am Kiesexport für wenig überzeu­gend. „Bedenkt man, dass die einzi­gen Rohstof­fe in unserer Region Kiese und Sande sind und alle anderen, auch Zement oder Natur­stei­ne, impor­tiert werden müssen, zum Teil aus Öster­reich oder der Schweiz, wird klar, dass das im Raum stehen­de Vorur­teil, die hiesi­gen Abbau­stel­len würden primär andere Regio­nen versor­gen, auf töner­nen Füßen steht“, betont Jany. Das IAW Tübin­gen hatte 2017 in einer IHK-Auftrags­stu­die den Anteil des Kiesexports für Baden-Württem­berg und die Region Boden­see-Oberschwa­ben auf Basis der amtli­chen Statis­tik auf etwa acht Prozent geschätzt. „Wir wundern uns schon sehr, dass Kreis­rat Bindig ohne Belege und Quellen von einem Mehrfa­chen ausgeht. Für uns grenzt das schon an die Verbrei­tung von fake news. Außer­dem frage ich mich, wie man in einer Region, deren wirtschaft­li­cher Wohlstand so deutlich vom Export abhän­gig ist und wir für die Herstel­lung dieser Export­gü­ter dringendst auf die Rohstof­fe und Impor­te anderer Länder angewie­sen sind, gleich­zei­tig den überschau­ba­ren Export unserer einzi­gen Rohstof­fe so ableh­nen und proble­ma­ti­sie­ren kann. Das ist aus meiner Sicht eine Form des protek­tio­nis­ti­schen Denkens, das ich entschie­den ableh­ne. Gute Handels­be­zie­hun­gen sehen für mich anders aus“, gibt Jany zu bedenken. 

Klima­schutz

Den aktuel­len Entwurf des Regio­nal­plans als „Klima­höl­len­plan“ zu bezeich­nen, wie es einige sogenann­te Klima­ak­ti­vis­ten tun, entbeh­re aus Sicht der IHK jegli­cher Grund­la­ge. Die mit den Klima­zie­len kompa­ti­blen jährli­chen Ausstoß­men­gen an Klima­ga­sen, seit dem Jahr 2005 durch das europäi­sche Emissi­ons­han­dels­sys­tem für die Indus­trie und ab dem Jahr 2021 ergän­zend durch den natio­na­len Emissi­ons­han­del für die Berei­che Gebäu­de und Verkehr, seien festge­legt. Diese Instru­men­te wirken und haben zu großen CO2-Einspa­run­gen geführt. „Eine logische Konse­quenz dieses Rechts- und Handels­rah­mens ist, dass lokale oder regio­na­le Mehran­stren­gun­gen zwar die Abhän­gig­keit von fossi­len Energie­trä­gern vermin­dern und Energie­kos­ten reduzie­ren können, aber in der Gesamt­heit keine Klima­schutz­wir­kung entfal­ten. Die Entschei­dun­gen über die zuläs­si­gen Emissio­nen fallen auf europäi­scher und natio­na­ler, nicht auf regio­na­ler oder kommu­na­ler Ebene“, macht Jany deutlich. 

Abschlie­ßend merkt die IHK zur Bedeu­tung des Regio­nal­plans an: „Der Regio­nal­plan entsteht in einem langjäh­ri­gen, ausführ­li­chen und trans­pa­ren­ten wie öffent­li­chen Verfah­ren. Die Abstim­mung und Beschluss­fas­sung erfolgt im zustän­di­gen Regio­nal­par­la­ment (Verbands­ver­samm­lung des Regio­nal­ver­bands). Das Ergeb­nis kann man kriti­sie­ren – auch wir als IHK tun das, so halten wir zum Beispiel die ausge­wie­se­nen Gewer­be­flä­chen für zu niedrig –, aber das Ergeb­nis gilt und wer dieses nicht als bindend und ausrei­chend legiti­miert ansieht, bewegt sich außer­halb unserer demokra­ti­schen Grund­ord­nung. Ich appel­lie­re an die politi­schen Entschei­dungs­trä­ger in der Verbands­ver­samm­lung die Fortschrei­bung des Regio­nal­plans in der aktuel­len Entwurfs­fas­sung Ende Juni in der Verbands­ver­samm­lung zu beschlie­ßen“, so Jany abschließend.