WEINGARTEN — Die Vollver­samm­lung der Indus­trie- und Handels­kam­mer Boden­see-Oberschwa­ben (IHK) tagte am vergan­ge­nen Mittwoch bei ihrer Herbst­sit­zung in den Räumen der IHK in Weingarten. 

Noch immer sei die Lage im Zeichen von Krieg und Energie­kri­se drama­tisch, bedau­er­te IHK-Präsi­dent Martin Buck in seiner Begrü­ßung. Die IHK nutze alle zur Verfü­gung stehen­den Kanäle, um die Sorgen, Nöte und Lösungs­vor­schlä­ge aus der Wirtschaft in der Politik zu platzie­ren. „Insbe­son­de­re die Themen Energie­ver­sor­gungs­si­cher­heit und Energie­prei­se konnten wir, auch im Zusam­men­wir­ken mit dem Deutschen Indus­trie- und Handels­kam­mer­tag – DIHK, in der politi­schen Debat­te platzie­ren“, so Buck weiter. In einem Brief an die regio­na­len Abgeord­ne­ten habe die IHK nicht nur die Mobili­sie­rung aller konven­tio­nel­len Kraft­wer­ke zur Energie­ver­sor­gung, sondern auch Entlas­tun­gen bei den Energie­prei­sen, Hilfen für in Not gerate­ne Unter­neh­men und einen Abbau von bürokra­ti­schen Bremsen für die Energie­wen­de gefor­dert. „Alle diese Punkte finden sich in den aktuel­len Paketen der Bundes­re­gie­rung. Genau­so das von uns gefor­der­te Morato­ri­um für weite­re Bürokra­tie­be­las­tun­gen“, so der IHK-Präsi­dent. Auf ein ausge­wo­ge­nes Verhält­nis von Entlas­tun­gen und Einspar­an­rei­zen für Energie zu setzen, sei genau der richti­ge Ansatz. Wichtig sei jetzt, dass die Bundes­re­gie­rung die Vorschlä­ge rasch in Geset­ze umset­ze, um den Unter­neh­men mehr Planungs­si­cher­heit für den Winter zu geben. Auch was den Strom­preis­de­ckel angehe, brauche es jetzt rasch Signa­le und dann schnellst­mög­lich ein klares Konzept, wie die Hilfen umgesetzt werden, ohne unver­hält­nis­mä­ßi­gen bürokra­ti­schen Aufwand für die Wirtschaft mit sich zu bringen. Buck: „Die Unter­neh­men brauchen aktuell alle verfüg­ba­ren Kräfte, um ihr wirtschaft­li­ches Überle­ben über den Winter hinaus zu sichern.“

Schwer­punkt­the­ma Cybersicherheit

Einer aktuel­len Studie zufol­ge seien 46 Prozent aller Unter­neh­men in Deutsch­land in den vergan­ge­nen zwölf Monaten von einer Cyber­at­ta­cke betrof­fen gewesen, berich­te­te IHK-Präsi­dent Buck. Er verwies außer­dem auf den aktuel­len Angriff auf die IT-Struk­tu­ren der IHK-Organi­sa­ti­on. Dieser sei zwar gestoppt worden, bevor größe­rer Schaden entstan­den sei, dennoch hätten viele Services der IHK Boden­see-Oberschwa­ben sowie E‑Mail und Telefon über zwei Monate nur einge­schränkt zur Verfü­gung gestan­den. Insbe­son­de­re die zuneh­men­de Digita­li­sie­rung sowie die aktuel­le geopo­li­ti­sche Lage machten klar, dass jedes Unter­neh­men heute mit dem Risiko umgehen müsse, Opfer eines Cyber­an­griffs zu werden. Aus diesem Grund habe man das Thema zum Schwer­punkt­the­ma der Vollver­samm­lungs­sit­zungs­sit­zung gemacht. Als Exper­te geladen war Torsten Seeberg, Beamter in der Zentra­len Ansprech­stel­le Cyber­crime (ZAC) des Landes­kri­mi­nal­amts Baden-Württem­berg. Er stell­te klar: „Der Wirtschafts­stand­ort steht durch­ge­hend im Fokus von Cyber­kri­mi­nel­len.“ Spezi­el­le Suchma­schi­nen böten Hackern einen einfa­chen Überblick über angreif­ba­re Rechner­net­ze. Diese würden dann automa­ti­siert angegrif­fen. Es könne jedes Unter­neh­men treffen, insbe­son­de­re wenn dessen IT-Infra­struk­tur Sicher­heits­lü­cken aufwei­se. Seeberg ermutig­te zugleich die betrof­fe­nen Unter­neh­men: „Nehmen Sie im Schadens­fall unmit­tel­bar Kontakt mit uns auf. Wir unter­stüt­zen sowohl bei akuten Abwehr­maß­nah­men als auch bei der Wieder­her­stel­lung und Siche­rung der Syste­me.“ Die im Jahr 2012 ins Leben gerufe­ne ZAC sei an 365 Tagen im Jahr rund um die Uhr erreich­bar, „notfalls werden Beamte auch nachts oder aus dem Urlaub heraus kontak­tiert“. ZACs gebe es in allen 16 Bundes­län­dern und auf Ebene des Bundes. Deren Kompe­tenz­team umfas­se vor allem klassi­sche Krimi­nal­po­li­zis­tin­nen und Polizis­ten, aber auch Infor­ma­ti­ke­rin­nen und Infor­ma­ti­ker, alle spezi­ell geschul­te Exper­tin­nen und Exper­ten für Cyber­kri­mi­na­li­tät. Neben der Verfol­gung von Straf­ta­ten sei die ZAC auch in Sachen Präven­ti­on unter­wegs – mit Unter­la­gen, Warnmel­dun­gen, Aware­ness-Vorträ­gen, Situa­ti­ons­be­rich­ten, Messe­auf­trit­ten und vielem mehr. 

Seeberg appel­lier­te an die anwesen­den Unter­neh­me­rin­nen und Unter­neh­mer: „Inves­tie­ren Sie Zeit, Perso­nal und Geld in das Thema Sicher­heit. Die von uns regis­trier­ten Fälle von Cyber­kri­mi­na­li­tät nehmen von Jahr zu Jahr weiter zu.“ Sicher­heits­ri­si­ken lägen vor allem in der Nutzung mobiler oder priva­ter Geräte, in der „Sorglo­sig­keit“ und Unwis­sen­heit der Beleg­schaft – aber auch bei IT-Mitar­bei­ten­den und exter­nen IT-Dienst­leis­tern, warnte er. Regel­mä­ßi­ge Fortbil­dun­gen seien für IT-Mitar­bei­te­rin­nen und ‑Mitar­bei­ter ein Muss, so Seeberg. Der Cyber­si­cher­heits-Exper­te empfahl den Wirtschafts­ver­tre­te­rin­nen und ‑vertre­tern zudem, betriebs­kri­ti­sche IT-Syste­me oder sensi­ble Daten­ban­ken ohne direk­te Inter­net­an­bin­dung einzu­rich­ten und eine Check­lis­te für den Notfall vorzubereiten.

Von dem Cyber-Angriff auf die IHK-Organi­sa­ti­on berich­te­te im Anschluss Dr. Sönke Voss, neu bestell­ter Haupt­ge­schäfts­füh­rer der IHK Boden­see-Oberschwa­ben. Am Abend des 3. August habe der zentra­le Dienst­leis­ter der deutschen IHKs, die IHK-Gesell­schaft für Infor­ma­ti­ons­ver­ar­bei­tung (GfI), verdäch­ti­ge Aktivi­tä­ten auf ihren Servern regis­triert. Um den Schaden zu begren­zen, hätten die deutschen IHKs vorsorg­lich ihre Online-Diens­te herun­ter­ge­fah­ren und ihre zentra­le Infra­struk­tur vom Inter­net getrennt. „Wir mussten von einem Tag auf den anderen auf Papier, Post, Telefo­na­te und weite­re analo­ge Prozes­se umstei­gen, um die zahlrei­chen Services, Verwal­tungs­ver­fah­ren und die politi­sche Inter­es­sen­ver­tre­tung aufrecht­zu­er­hal­ten“, so Voss. Der Angriff habe abgewehrt werden können, bevor durch Abflie­ßen oder Verschlüs­seln von Daten größe­rer Schaden entstan­den sei. Aufgrund der Komple­xi­tät des Angriffs und des erfor­der­li­chen Aufwands zur Härtung, Säube­rung und Absiche­rung der Syste­me würden die Diens­te der IHKs und die einzel­nen Kammern nur nach und nach wieder online gehen. Die IHK Boden­see-Oberschwa­ben ist seit 6. Oktober wieder weitge­hend online. 

Aktuel­les aus der IHK-Arbeit

Studie zur Stand­ort­zu­frie­den­heit: Betti­na Wolf, Referen­tin der IHK im Geschäfts­be­reich Unter­neh­mens­för­de­rung und Regio­nal­ent­wick­lung, infor­mier­te die Vollver­samm­lungs­mit­glie­der über die Ergeb­nis­se der IHK-Umfra­ge zur Stand­ort­zu­frie­den­heit. „Mit der Gesamt­no­te 2,17 geben die Unter­neh­men in der Region Boden­see-Oberschwa­ben ihrem Wirtschafts­stand­ort gute Noten“, so Betti­na Wolf. Dies liege auf dem gleichen Niveau wie die Note 2,12 aus der Umfra­ge aus dem Jahr 2017. Damals habe aber eine anhal­tend gute Konjunk­tur geherrscht. Die Stand­ort­um­fra­ge wurde von Mitte Febru­ar bis Ende April zeitgleich mit den IHKs Ulm und Reutlin­gen sowie mit Unter­stüt­zung des EWAS-Insti­tuts für Empiri­sche Wirtschafts­for­schung und angewand­te Statis­tik in Hanno­ver durch­ge­führt, berich­te­te Wolf. „Wir haben 11.864 Unter­neh­men angeschrie­ben und 1.595 Antwor­ten erhal­ten.“ Durch den hohen Rücklauf in Höhe von 13,4 Prozent lägen reprä­sen­ta­ti­ve Ergeb­nis­se für die ganze Region, die drei Landkrei­se Ravens­burg, Sigma­rin­gen und Boden­see­kreis sowie 20 Kommu­nen vor. Die Unter­neh­men konnten ihre Bewer­tun­gen und Anmer­kun­gen zu 32 Stand­ort­fak­to­ren in den vier Feldern „Infra­struk­tur und Verkehr“, „Fachkräf­te und Bildung“, „Attrak­ti­vi­tät ihrer Stadt und Gemein­de“ sowie „Verwal­tung und Kommu­nal­po­li­tik“ abgeben. Als größte Stärken der Wirtschafts­re­gi­on nannten die antwor­ten­den Unter­neh­men die Versor­gungs­si­cher­heit mit Strom, die allge­mei­ne Sicher­heit, Einkaufs­mög­lich­kei­ten, Sport- und Freizeit­an­ge­bo­te sowie die medizi­ni­sche Versor­gung. Dringen­den Handlungs­be­darf sähen sie vor allem bei der Mobil­funk-Netzab­de­ckung und Breit­band­ver­sor­gung, bei der Verfüg­bar­keit von Wohnraum und von beruf­lich quali­fi­zier­ten Fachkräf­ten sowie bei den Kosten für Gewer­be­im­mo­bi­li­en. Die IHK werde jetzt in inter­es­sier­ten Kommu­nen mit reprä­sen­ta­ti­ven Umfra­ge­er­geb­nis­sen ihre Stand­ort­um­fra­ge vorstel­len, mit den politi­schen Entschei­de­rin­nen und Entschei­dern disku­tie­ren und Handlungs­emp­feh­lun­gen geben, so Wolf. 

Die IHK-Referen­tin gab auch einen kurzen Ausblick auf die aktuell durch­ge­führ­te Herbst-Konjunk­tur­um­fra­ge der IHK. Die Auswer­tung sei zwar noch nicht abgeschlos­sen und es gebe noch keine konkre­ten Zahlen, aber es zeich­ne sich ab, dass sich die regio­na­le Konjunk­tur abgekühlt habe. „Die Unter­neh­men beurtei­len ihre aktuel­le Geschäfts­la­ge deutlich verhal­ten­der als bei der vergan­ge­nen Umfra­ge und die Erwar­tun­gen sind stark einge­bro­chen – im zweistel­li­gen Bereich“, so Betti­na Wolf. Die Auftrags­ein­gän­ge verzeich­ne­ten einen Rückgang. Dies habe auch negati­ve Auswir­kun­gen auf die Inves­ti­ti­ons- und Beschäf­ti­gungs­ab­sich­ten der Unter­neh­men. Außer­dem werde neben den hohen Energie- und Rohstoff­prei­sen immer noch der Fachkräf­te­man­gel beklagt. Zudem gebe zwar die Mehrheit der Unter­neh­men an, dass die aktuel­le Finanz­la­ge unpro­ble­ma­tisch sei, aller­dings gebe es bei einigen bereits Liqui­di­täts­eng­päs­se und einen Rückgang des Eigenkapitals.

Aktuel­le Ausbil­dungs­zah­len: Die Zahl der neu einge­tra­ge­nen Ausbil­dungs­ver­trä­ge verzeich­ne zum Stich­tag 30. Septem­ber mit 2.251 Verträ­gen einen Zuwachs um 0,8 Prozent gegen­über dem Vorjahr, infor­mier­te IHK-Ausbil­dungs­be­ra­ter Clemens Besen­fel­der die Vollver­samm­lungs­mit­glie­der. 1.146 Ausbil­dungs­ver­trä­ge gebe es in den kaufmän­ni­schen Berufen, 922 in den gewerb­lich-techni­schen Berufen und 183 in den Hotel- und Gaststät­ten­be­ru­fen. Trotz eines Zuwach­ses bei den Indus­trie- und Bankkauf­leu­ten sei die Zahl der Neuver­trä­ge in den kaufmän­ni­schen Berufen um 3,5 Prozent gesun­ken, bedau­er­te Besen­fel­der. Gestie­gen sei die Zahl der Ausbil­dungs­ver­trä­ge hinge­gen in den gewerb­lich-techni­schen Berufen um 2,6 Prozent und in den Hotel- und Gaststät­ten­be­ru­fen sogar um 24,5 Prozent. Letzte­rer Anstieg sei aller­dings auch auf die zum 1. August 2022 in Kraft getre­te­ne Neuord­nung der gastge­werb­li­chen Berufe zurück­zu­füh­ren. Auch IHK-Aktio­nen wie der „Sommer der Berufs­aus­bil­dung“ seien wichti­ge Impul­se, die den Jugend­li­chen die vielfäl­ti­gen Chancen und Möglich­kei­ten einer dualen Berufs­aus­bil­dung vermit­tel­ten, so Besenfelder.