LONDON (dpa) — Das deutsche Kriegs­dra­ma «Im Westen nichts Neues» ist der große Gewin­ner bei den Briti­schen Filmprei­sen und stellt sogar einen Rekord auf. Ein anderer Topfa­vo­rit geht derweil fast leer aus.

Das für neun Oscars nominier­te deutsche Kriegs­dra­ma «Im Westen nichts Neues» hat drei Wochen vor der Preis­ver­lei­hung in Los Angeles bei den als Baftas bekann­ten Briti­schen Filmprei­sen abgeräumt und ist als Bester Film ausge­zeich­net worden.

Der Film von Regis­seur Edward Berger holte am Sonntag­abend in London insge­samt sieben der Bafta-Trophä­en, so viele wie kein nicht-englisch­spra­chi­ger Film zuvor. «Was für ein Abend, ich kann es nicht glauben», schwärm­te Berger, der auch den begehr­ten Preis als Bester Regis­seur erhielt.

«Es ist ein deutscher Film um Gottes Willen, wer stimmt denn dafür?», scherz­te der 53-Jähri­ge. In der anschlie­ßen­den Presse­kon­fe­renz kam Berger beim Zählen der Auszeich­nun­gen durch­ein­an­der. «Ich bin mir nicht mehr ganz sicher. Aber es sind sehr viel mehr, als wir erwar­tet hatten.» Die Neuver­fil­mung des Romans von Erich Maria Remar­que wurde auch als Bester Nicht-englisch­spra­chi­ger Film prämiert.Komponist Volker Bertel­mann alias Hausch­ka erhielt einen Bafta für seine Filmmu­sik. Außer­dem bekam der Film über die Schre­cken des Ersten Weltkrie­ges Preise für Kamera­ar­beit, Adaptier­tes Drehbuch und Sound.

Cate Blanchett kämpft mit den Tränen

In der tradi­ti­ons­rei­chen Londo­ner Royal Festi­val Hall direkt am Südufer der Themse gab es weite­re Überra­schun­gen. Cate Blanchett («Tár») setzte sich als Beste Haupt­dar­stel­le­rin unter anderem gegen die favori­sier­te Michel­le Yeoh («Every­thing Every­whe­re All At Once»), Viola Davis («The Woman King») und Emma Thomp­son («Good Luck to You, Leo Grande») durch. Die austra­lisch-ameri­ka­ni­sche Schau­spie­le­rin war sicht­bar überwäl­tigt und kämpf­te bei ihrer Dankes­re­de mit den Tränen.

Bei den Männern freute sich Austin Butler («Elvis») über den Bafta als Bester Haupt­dar­stel­ler. Sicht­lich bewegt dankte er der Familie von Elvis Presley für ihr Vertrau­en. Für Baz Luhrmanns Biopic gab es insge­samt vier golde­ne Masken-Trophä­en, auch für Casting, Kostü­me sowie in der Katego­rie Make-up und Haar. Bereits bei den Golden Globes war «Elvis» erfolg­reich. Kurz darauf war Presleys Tochter Lisa Marie überra­schend gestorben.

Topfa­vo­rit Colin Farrell ging als Haupt­dar­stel­ler in «The Banshees Of Inishe­rin») zwar leer aus. Doch immer­hin erhielt die Tragi­ko­mö­die des irischen Filme­ma­chers Martin McDonagh vier Baftas — für die beiden Neben­dar­stel­ler Kerry Condon und Barry Keoghan und für das Beste Origi­nal­dreh­buch. Dass der durch und durch irische Film auch als Heraus­ra­gen­der Briti­scher Film prämiert wurde, sorgte für Amüse­ment. «Was für ein Award?», scherz­te McDonagh und klärte dann auf, dass sein Film durch den briti­schen Sender Channel 4 finan­ziert wurde.

Zehnfach nominier­ter Favorit bleibt zurück

Enttäu­schend verlief der Abend für die Macher des hoch gehan­del­ten Fanta­sy­hits «Every­thing Every­whe­re All At Once». Der verrück­te Film, der in zehn Katego­rien im Rennen war und für elf Oscars nominiert ist, erhielt in London nur einen einzi­gen Bafta-Award für den Schnitt. Mit großer Freude nahm hinge­gen der mexika­ni­sche Filme­ma­cher Guiller­mo Del Toro für sein Stop-Motion-Musical «Pinoc­chio» den Bafta in der Rubrik Anima­ti­ons­film entge­gen. «Anima­ti­on sollte weiter im Gespräch bleiben», sagte Del Toro.

Die in London ansäs­si­ge British Acade­my of Film and Televi­si­on Arts besteht seit 76 Jahren. Moderiert wurde die glamou­rö­se Preis­ver­lei­hung, zu der zahlrei­che inter­na­tio­na­le Stars angereist waren, von dem briti­schen Schau­spie­ler Richard E. Grant («Can You Ever Forgi­ve Me?»), der in der Royal Festi­val Hall scherz­haft um Rollen­an­ge­bo­te warb.

Vor den Augen von Thron­fol­ger Prinz William und Ehefrau Prinzes­sin Kate würdig­te Dame Helen Mirren die im vergan­ge­nen Septem­ber verstor­be­ne Königin Eliza­beth II. Die 77-jähri­ge Mirren hatte 2007 für ihre Rolle als Eliza­beth in dem Drama «The Queen» unter anderem einen Bafta und einen Oscar als Beste Haupt­dar­stel­le­rin erhalten.

Die Bafta-Awards zählen nach den Oscars und den Golden Globes zu den begehr­tes­ten Auszeich­nun­gen der Branche. Nachdem ihr Film bei den Golden Globes leer ausge­gan­gen war, dürften Edward Berger und sein Team nun gespannt auf die Oscars warten. Dort ist «Im Westen nichts Neues» unter anderem als Bester Film und als Bester Inter­na­tio­na­ler Film nominiert. Zwar waren die Baftas in den vergan­ge­nen Jahren nur selten ein Indiz für die Oscars. Aber die Chancen stehen gut, dass das Kriegs­dra­ma auch in Los Angeles etwas mitnimmt.