Der Südwest-CDU droht am Sonntag ein Fiasko. Ihr Rückstand auf Kretsch­manns Grüne ist kurz vor der Wahl laut einer neuen Umfra­ge zweistel­lig. Die Union würde sich gern in eine Neuauf­la­ge von Grün-Schwarz retten. Oder gehen die Grünen ein neues Experi­ment an?

STUTTGART (dpa/lsw) — Kurz vor der Landtags­wahl in Baden-Württem­berg deuten alle Zeichen auf einen klaren Sieg der Grünen und eine schwe­re Schlap­pe für die CDU. Nach dem ZDF-«Politbarometer» vom Donners­tag können die Grünen und Minis­ter­prä­si­dent Winfried Kretsch­mann mit einem Vorsprung von zehn Punkten auf die Union rechnen. Die CDU mit ihrer Spitzen­kan­di­da­tin Susan­ne Eisen­mann muss sich demnach in ihrer einsti­gen Hochburg auf das schlech­tes­te Ergeb­nis in der Geschich­te des Landes einstel­len. Die Christ­de­mo­kra­ten hoffen, dass die Grünen die Koali­ti­on mit ihnen fortset­zen. Doch Kretsch­mann könnte auch eine Ampel mit SPD und FDP versu­chen. Und dann ist womög­lich noch eine ganz neue Option in Reich­wei­te: die Limetten-Koalition.

UMFRAGEN: Die Grünen liegen laut Forschungs­grup­pe Wahlen bei 34 Prozent (minus 1), die CDU schafft erneut nur 24 Prozent. Die FDP kann schon wieder zulegen und liegt bei 11 Prozent (plus 1). Die SPD verharrt auf niedri­gem Niveau: 10 Prozent. Die AfD kommt nicht an ihr Ergeb­nis von vor fünf Jahren heran, aber auf elf Prozent. Die Linke käme mit 3 Prozent wieder nicht in den Landtag. In den jüngs­ten Umfra­gen der Insti­tu­te Insa und Infra­test dimap ist der Abstand zwischen Grünen und CDU aller­dings gerin­ger: zwischen 7 und 8 Punkten. Dennoch: Auch für die Bundes-CDU und ihren neuen Chef Armin Laschet wäre das ein Fehlstart in das Super­wahl­jahr. Zumal die Union in Rhein­land-Pfalz vor der zeitglei­chen Wahl dort hinter der SPD liegt.

KOALITIONEN: Im Südwes­ten hätten Grün-Schwarz und eine Ampel jeweils eine stabi­le Mehrheit. Kretsch­mann hält sich alles offen — nur mit der AfD will er auf keinen Fall. Koali­ti­ons­fra­gen seien «belieb­te Sandkas­ten­spie­le vor der Wahl», sagte der 72-Jähri­ge in einer Spitzen­kan­di­da­ten­run­de im SWR. Für eine Neuauf­la­ge von Grün-Rot wie in Kretsch­manns erster Amtszeit würde es nach der Umfra­ge nicht reichen. Dafür ist ein Bündnis von Grünen und der FDP zumin­dest in Reich­wei­te. FDP-Spitzen­kan­di­dat Hans-Ulrich Rülke hat schon erklärt, die Libera­len würden sich Gesprä­chen über eine sogenann­te Limet­ten-Koali­ti­on nicht verweigern.

POPULARITÄT: Kretsch­mann soll Landes­va­ter bleiben: 70 Prozent hätten laut Umfra­ge lieber den Grünen weiter als Minis­ter­prä­si­dent, nur 13 Prozent wünschen sich Eisen­mann. Beson­ders bemer­kens­wert: Nur 28 Prozent der CDU-Anhän­ger wollen sie als Regie­rungs­chefin, aber 60 Prozent wollen Kretsch­mann behal­ten. Auf den letzten Metern zur Wahl haben sich die beiden noch über die Frage gezofft, ob in den 5. und 6. Klassen ab Montag überall der Abstand von einein­halb Metern einge­hal­ten werden muss. Am Abend nahm der Grüne sie in der SWR-Runde eher halbher­zig gegen Attacken von SPD-Chef Andre­as Stoch in Schutz, der ihr die Note 6 gegeben hatte. Er sei ja auch Lehrer gewesen und könne sich nicht daran erinnern, «dass ich mal eine 6 verteilt hätte. Ein bisschen was kann jeder», sagte Kretsch­mann. Eine kleine Gemeinheit.

MACHTKAMPF: Bei der CDU droht im Fall des vorher­ge­sag­ten Abstur­zes ein Macht­kampf um die künfti­ge Aufstel­lung. Die 56-jähri­ge Eisen­mann, die auch um ihr Direkt­man­dat bangen muss, dürfte schlech­te Karten haben, wenn das CDU-Ergeb­nis weit unter den 27 Prozent von 2016 liegen sollte. Die Minis­te­rin hatte sich im Macht­kampf um die Spitzen­kan­di­da­tur so manche Feinde in der Partei gemacht, als sie mit Hilfe der Frakti­on Vize-Minis­ter­prä­si­dent und Landes­chef Strobl zur Seite dräng­te. Strobl gilt als Vertrau­ter Kretsch­manns und könnte wohl am ehesten Verhand­lun­gen über eine neue grün-schwar­ze Koali­ti­on führen. Die CDU will unbedingt verhin­dern, neben der AfD in der Opposi­ti­on zu landen.

MASKENAFFÄRE: Als wären die Umfra­ge­wer­te nicht schon schlimm genug, muss die CDU auch noch mit der sogenann­ten Masken­af­fä­re fertig werden. Der Mannhei­mer Bundes­tags­ab­ge­ord­ne­te Nikolas Löbel hat einge­räumt, dass seine Firma Provi­sio­nen von rund 250 000 Euro für das Vermit­teln von Kaufver­trä­gen für Corona-Schutz­mas­ken einge­stri­chen hat. Die Folge: Löbel trat aus der CDU aus und verlässt bald den Bundes­tag. Selbst Eisen­mann wollte jüngst nicht ausschlie­ßen, dass die Affäre noch mehr Abgeord­ne­te erfasst. Immer­hin: Laut «Polit­ba­ro­me­ter» wird sich das weniger auf das Wahler­geb­nis auswir­ken. Grund sei, dass ein großer Teil schon per Brief­wahl abgestimmt habe. Und Achtung: Fast zwei Drittel gaben an, dass für ihre Wahl in erster Linie landes­po­li­ti­sche und nicht bundes­po­li­ti­sche Aspek­te entschei­dend seien.

CORONA: Womit wir wieder bei der Pande­mie und dem Krisen­ma­nage­ment wären. Kretsch­mann musste am Donners­tag­abend im SWR zum wieder­hol­ten Mal den holpri­gen Impfstart im Land vertei­di­gen. Man verwal­te eben den Mangel, es gebe zu wenig Impfstoff. Eisen­mann hielt dem grünen Koali­ti­ons­part­ner wieder vor, nicht recht­zei­tig Struk­tu­ren fürs Testen und Impfen aufge­baut zu haben. Alle Spitzen­kan­di­da­ten waren sich einig, dass es schnel­ler gehen muss mit dem Impfen — und wagten auch einen Blick in die Glasku­gel, wann aus ihrer Sicht die Pande­mie vorüber ist. Kretsch­mann rechnet unter gewis­sen Bedin­gun­gen mit einer Rückkehr in die Norma­li­tät zum Ende des Sommers — voraus­ge­setzt, es verbrei­ten sich keine weite­ren Mutan­ten. «Davor bewah­re uns Gott», sagte er. Auch Eisen­mann sagte, sie hoffe, dass die Corona-Krise dann vorbei sei. Man darf gespannt sein, welche Farbkom­bi­na­ti­on dann in Stutt­gart regiert.