NEU DELHI (dpa) — Sowohl bei der Zahl der Infek­tio­nen als auch bei der Zahl der Corona-Toten meldet Indien trauri­ge Höchst­wer­te. Das Gesund­heits­s­sy­tem des riesi­gen Landes steht vor dem Kollaps.

Indien hat erneut einen Höchst­wert an Corona-Neuin­fek­tio­nen verzeich­net. Binnen 24 Stunden wurden nach Angaben des Gesund­heits­mi­nis­te­ri­ums vom Sonntag 349.691 neue Fälle verzeich­net. Dies ist zugleich ein weltwei­ter Tageshöchstwert.

2767 Menschen starben an oder mit Covid-19. Dies ist die bisher höchs­te Todes­zahl in Indien. Den vierten Tag in Folge wurden in Indien mehr als 300.000 Neuin­fek­tio­nen und über 2000 Tote registriert.

Indien hat gut 1,3 Milli­ar­den Einwoh­ner, so dass sich eine vergleichs­wei­se mäßige Sieben-Tage-Inzidenz von rund 132 Fällen pro 100.000 Einwoh­ner ergibt. Das Gesund­heits­sys­tem des Schwel­len­lan­des ist aber völlig überlas­tet. Es fehlt an Betten, antivi­ra­len Medika­men­ten und medizi­ni­schem Sauerstoff.

Kranken­häu­ser wie das Penta­med Hospi­tal in Neu Delhi senden immer wieder SOS-Nachrich­ten zum Sauer­stoff­man­gel. Premier­mi­nis­ter Naren­dra Modi sagte in einer Rundfunk­an­spra­che, die Regie­rung tue alles, um die Einzel­staa­ten im Kampf gegen Covid-19 zu unterstützen.

Indiens hat bisher 16,9 Millio­nen Corona-Infek­tio­nen regis­triert und steht damit weltweit an zweiter Stelle hinter den USA. Aller­dings hat Indien mehr als viermal so viele Einwoh­ner. Exper­ten führen den raschen Anstieg der Fälle auf eine verbrei­te­te Sorglo­sig­keit in der Bevöl­ke­rung und auf neue, gefähr­li­che­re Virus­va­ri­an­ten zurück.

Die Bundes­re­gie­rung will Indien zum Virus­va­ri­an­ten­ge­biet erklä­ren — und zwar ab Montag. In Deutsch­land gilt dann ein weitge­hen­des Einrei­se­ver­bot für Menschen, die sich zuvor in Indien aufge­hal­ten haben, wie die Deutsche Presse-Agentur am Samstag aus Regie­rungs­krei­sen erfuhr. Ausnah­me­re­ge­lun­gen gibt es beispiels­wei­se für Deutsche und für Auslän­der mit Aufent­halts­recht in der Bundes­re­pu­blik. Auch sie müssen aller­dings schon vor der Einrei­se einen negati­ven Corona-Test vorwei­sen und sich nach Ankunft in Quaran­tä­ne begeben.

«Um unsere Impfkam­pa­gne nicht zu gefähr­den, muss der Reise­ver­kehr mit Indien deutlich einge­schränkt werden», sagte Bundes­ge­sund­heits­mi­nis­ter Jens Spahn (CDU) den Zeitun­gen der Funke Medien­grup­pe. In der Bundes­re­gie­rung gibt es nach dpa-Infor­ma­tio­nen auch Überle­gun­gen, den Flugver­kehr mit Indien vorüber­ge­hend zu stoppen. Wie es in Regie­rungs­krei­sen hieß, wird die Entschei­dung darüber im Bundes­ver­kehrs­mi­nis­te­ri­um seit Tagen vorbe­rei­tet. Thema seien nicht nur Direkt­flü­ge, sondern auch Flüge über Airports am Golf sowie am Bospo­rus. Entschie­den sei aber noch nichts.

Nach dpa-Infor­ma­tio­nen hatte sich Bundes­kanz­le­rin Angela Merkel (CDU) zuvor einge­schal­tet und zur Vorsicht aufge­ru­fen — nachdem Indien nach einer entspre­chen­den Einschät­zung des Robert Koch-Insti­tuts zwar als Hochri­si­ko­ge­biet, jedoch noch nicht als Virus­va­ri­an­ten­ge­biet einge­stuft worden war.

Die Regeln für Virus­va­ri­an­ten­ge­bie­te sind deutlich stren­ger: Einrei­sen­de müssen für 14 Tage in Quaran­tä­ne ohne Verkür­zungs­mög­lich­keit. Außer­dem dürfen Flugge­sell­schaf­ten bestimm­te Perso­nen­grup­pen aus diesen Regio­nen nicht beför­dern. Das führt dann meist dazu, dass nur noch wenige Flüge angebo­ten werden.

Die indische Virus-Varian­te B.1.617 steht bei der Weltge­sund­heits­or­ga­ni­sa­ti­on (WHO) unter Beobach­tung. In Deutsch­land ist diese Varian­te bislang kaum aufge­tre­ten. Stand Freitag soll sie bundes­weit in 25 Fällen nachge­wie­sen worden sein.