Nach hefti­gen Debat­ten nimmt das sogenann­te dritte Bevöl­ke­rungs­schutz­ge­setz zur recht­li­chen Neure­ge­lung von Corona-Maßnah­men die wichtigs­ten Hürden. Bundes­tag und Bundes­rat stimm­ten am Mittwoch im Schnell­ver­fah­ren dafür.

236 stimm­ten dagegen, 8 enthiel­ten sich bei der nament­li­chen Abstim­mung. Anschlie­ßend gab es in einer Sonder­sit­zung des Bundes­ra­tes auch von der Mehrheit der Bundes­län­der die Zustim­mung zum sogenann­ten dritten Bevöl­ke­rungs­schutz­ge­setz. Bundes­prä­si­dent Frank-Walter Stein­mei­er fertig­te das Gesetz im Anschluss aus, es kann nun nach Veröf­fent­li­chung im Bundes­ge­setz­blatt Kraft treten.

Bei Protes­ten mehre­rer Tausend Teilneh­mer gegen die Geset­zes­än­de­rung und die staat­li­che Corona-Politik in der Nähe des Bundes­ta­ges kam es am Mittwoch paral­lel zur Debat­te im Parla­ment zu Ausein­an­der­set­zun­gen mit der Polizei und auch zum Einsatz von Wasser­wer­fern. Die Polizei sprach zudem von mehr als 100 Festnahmen.

UNION UND SPD VERTEIDIGEN GESETZ

Bundes­ge­sund­heits­mi­nis­ter Jens Spahn vertei­dig­te in der Debat­te die Corona-Beschrän­kun­gen und warb um weite­res Vertrau­en in das Krisen­ma­nage­ment. Steigen­de Infek­ti­ons­zah­len führten früher oder später zu steigen­dem Leid auf den Inten­siv­sta­tio­nen und zu einem Kontroll­ver­lust, sagte der CDU-Politi­ker. Auch im Bundes­rat warb Spahn für das Gesetz. Die SPD-Gesund­heits­po­li­ti­ke­rin Bärbel Bas wies im Bundes­tag Befürch­tun­gen zurück, dass mit der Reform des Infek­ti­ons­schutz­ge­set­zes Befug­nis­se für Bundes- und Landes­re­gie­run­gen ausge­wei­tet würden. «Genau das Gegen­teil ist der Fall», sagte sie.

AFD SCHEITERT MIT VERSCHIEBUNG

Zum Auftakt der Debat­te hatte die AfD zunächst versucht, das Thema wieder von der Tages­ord­nung zu nehmen, schei­ter­te damit aber am geschlos­se­nen Wider­stand der anderen Fraktio­nen. Der parla­men­ta­ri­sche Geschäfts­füh­rer der AfD-Frakti­on, Bernd Baumann, sagte: «Die heuti­ge Geset­zes­vor­la­ge ist eine Ermäch­ti­gung der Regie­rung, wie es das seit geschicht­li­chen Zeiten nicht mehr gab». Abgeord­ne­te der anderen Fraktio­nen wiesen die Vorwür­fe zurück. Der parla­men­ta­ri­sche Geschäfts­füh­rer der SPD-Frakti­on, Carsten Schnei­der sagte, die AfD spiele mit dem Vergleich mit dem Ermäch­ti­gungs­ge­setz von 1933. «Sie diskre­di­tie­ren nicht nur unsere Demokra­tie, sondern sie machen sie verächt­lich», beton­te er.

BEDENKEN DER OPPOSITION

Redner von FDP, Grünen und Links­par­tei kriti­sier­ten die Reform des Infek­ti­ons­schutz­ge­set­zes dennoch. Die geplan­ten Neure­ge­lun­gen gäben den Regie­run­gen keine Leitplan­ken vor, sondern stell­ten ihnen «einen Freifahrt­schein» aus, sagte FDP-Frakti­ons­chef Chris­ti­an Lindner. Es sei eine demokra­ti­sche Grund­satz­fra­ge, dass niemals Regie­run­gen über solche massi­ven Eingrif­fe in Grund- und Freiheits­rech­te entschei­den dürften, sagte der parla­men­ta­ri­sche Geschäfts­füh­rer der Linken, Jan Korte.

GESETZ SOLL CORONA-MASSNAHMEN KONKRETISIEREN

Ziel des Geset­zes — offizi­ell «drittes Bevöl­ke­rungs­schutz­ge­setz» — ist es unter anderem, bislang per Verord­nung erlas­se­ne Corona-Maßnah­men gesetz­lich zu unter­mau­ern und konkret festzu­schrei­ben. Im Infek­ti­ons­schutz­ge­setz war bisher nur allge­mein von «notwen­di­gen Schutz­maß­nah­men» die Rede, die die «zustän­di­ge Behör­de» treffen kann. Mit der Geset­zes­no­vel­le wird ein neuer Paragraf einge­fügt, der die mögli­chen Schutz­maß­nah­men von Landes­re­gie­run­gen und Behör­den konkret auflis­tet, etwa Abstands­ge­bo­te, Ausgangs- und Kontakt­be­schrän­kun­gen oder Beschrän­kun­gen im Kultur- und Freizeit­be­reich — im wesent­li­chen Maßnah­men, die bereits beim Lockdown im Frühjahr ergrif­fen wurden und teilwei­se auch jetzt beim Teil-Lockdown im Novem­ber gelten.

Festge­schrie­ben im Gesetz wird auch die sogenann­te 7‑Tage-Inzidenz von 35 und 50 Neuin­fek­tio­nen pro 100.000 Einwoh­nern pro Woche, ab denen Schutz­maß­nah­men getrof­fen werden sollen. Vorge­schrie­ben wird zudem, dass Rechts­ver­ord­nun­gen mit Corona-Schutz­maß­nah­men zeitlich auf vier Wochen befris­tet werden. Verlän­ge­run­gen sind aber möglich. Außer­dem müssen die Verord­nun­gen mit einer allge­mei­nen Begrün­dung verse­hen werden.

NEUE REGELN FÜR VERDIENSTAUSFALL

Das Gesetz sieht daneben auch neue Regeln bei Verdienst­aus­fäl­len vor. So sollen Entschä­di­gungs­an­sprü­che für Eltern bis März 2021 verlän­gert und erwei­tert werden, die wegen einer Kinder-Betreu­ung nicht arbei­ten können. Wer eine «vermeid­ba­re Reise» in auslän­di­sche Risiko­ge­bie­te macht, soll dagegen für eine nach Rückkehr nötige Quaran­tä­ne keine Entschä­di­gung für Verdienst­aus­fall bekom­men. Der Bund soll zudem regeln können, dass auch Nicht­ver­si­cher­te Anspruch auf Schutz­imp­fun­gen und Tests haben. Kranken­häu­ser, die Opera­tio­nen ausset­zen, sollen einen finan­zi­el­len Ausgleich bekommen.

Das Infek­ti­ons­schutz­ge­setz war im Zuge der Corona-Pande­mie schon mehrfach refor­miert worden. Gleich zu Beginn im Frühjahr wurde einge­führt, dass der Bundes­tag eine epide­mi­sche Lage von natio­na­ler Tragwei­te feststel­len kann. Der Bundes­tag tat dies damals umgehend. Der Schritt ist laut Infek­ti­ons­schutz­ge­setz Grund­la­ge für Corona-Schutz­maß­nah­men und Sonder­be­fug­nis­se der Regie­rung, um im Kampf gegen die Pande­mie Rechts­ver­ord­nun­gen zu erlas­sen, ohne dass der Bundes­rat zustim­men muss. Das können etwa Reise­re­geln oder Testvor­ga­ben sein. Norma­ler­wei­se ist bei Verord­nun­gen ein Ja der Länder­kam­mer notwen­dig. Am Mittwoch stell­te der Bundes­tag auf Antrag von Union und SPD mehrheit­lich fest, dass eine epide­mi­sche Lage von natio­na­ler Tragwei­te fortbesteht.