WIESBADEN (dpa) — Die Infla­ti­ons­ra­te in Deutsch­land hat sich im vergan­ge­nen Monat zwar leicht abgeschwächt, verweilt jedoch weiter­hin auf hohem Niveau. Der Präsi­dent des Deutschen Insti­tuts für Wirtschafts­for­schung sieht jetzt schon viele Menschen in einer Notsituation.

Dank Tankra­batt und 9‑Euro-Ticket: Trotz des anhal­ten­den Anstiegs der Energie- und Lebens­mit­tel­prei­se hat die Infla­ti­on in Deutsch­land im Juni etwas an Dynamik verloren.

Die Verbrau­cher­prei­se legten nach Angaben des Statis­ti­schen Bundes­am­tes gegen­über dem Vorjah­res­mo­nat um 7,6 Prozent zu. Die Wiesba­de­ner Behör­de bestä­tig­te damit eine erste Schät­zung. Im Mai hatte die Infla­ti­ons­ra­te noch bei 7,9 Prozent gelegen.

Gedämpft wurde der Anstieg der Verbrau­cher­prei­se im Juni von dem zu Monats­be­ginn einge­führ­ten Tankra­batt und dem 9‑Euro-Ticket. Die Bundes­re­gie­rung versucht, die Menschen unter anderem mit diesen auf drei Monate befris­te­ten Maßnah­men zu entlas­ten. Höhere Teuerungs­ra­ten schmä­lern die Kaufkraft von Verbrau­che­rin­nen und Verbrau­chern, weil sich diese für einen Euro weniger leisten können.

Wegen der schwan­ken­den Rohöl­prei­se lassen sich dem Bundes­amt zufol­ge die Auswir­kung des Tankra­batts aller­dings nicht exakt bezif­fern. Insge­samt koste­te Energie im Juni 38,0 Prozent mehr als ein Jahr zuvor. Sprit verteu­er­te sich um 33,2 Prozent, der Preis­auf­trieb schwäch­te sich damit etwas ab. Im Mai waren die Kraft­stoff­prei­se noch um 41,0 Prozent gestie­gen. Leich­tes Heizöl koste­te mehr als doppelt so viel als ein Jahr zuvor (plus 108,5 Prozent). Auch Erdgas (plus 60,7 Prozent) und Strom (plus 22,0 Prozent) verteu­er­ten sich deutlich.

Der Preis­auf­trieb bei Nahrungs­mit­teln beschleu­nig­te sich im Juni auf 12,7 Prozent gegen­über dem Vorjah­res­mo­nat. Im Mai waren die Preise noch um 11,1 Prozent und im April um 8,6 Prozent gestiegen.

DIW-Präsi­dent: Schon viele Menschen in Notsituation

Der Präsi­dent des Deutschen Insti­tuts für Wirtschafts­for­schung (DIW), Marcel Fratz­scher, fordert weite­re Entlas­tun­gen für Gering­ver­die­ner gefor­dert. «Wir haben schon für viele Menschen heute eine Notsi­tua­ti­on. Nicht, weil es eine Knapp­heit gibt — sondern weil die Preise explo­diert sind», sagte Fratz­scher im ZDF-«Morgenmagazin». «Und gerade Menschen mit gerin­gen Einkom­men müssen ja jetzt schon 150, 200 Euro mehr im Monat für Lebens­mit­tel, für Energie — gerade für Gas auch — zahlen.»

Vor dem Hinter­grund der Debat­te über eine drohen­de Gasknapp­heit sagte er: «Wir brauchen gar nicht erst warten auf das Problem. Wir haben schon jetzt eine Krise.»

Die Politik tue noch nicht genug, um Menschen, die wirklich Hilfe benötig­ten, zu entlas­ten, kriti­sier­te Fratz­scher. Bei den bishe­ri­gen Entlas­tungs­pa­ke­ten seien «nicht wirklich die Menschen am unteren Ende gezielt entlas­tet» worden, sondern es sei nach dem Gießkan­nen­prin­zip vorge­gan­gen worden. «Menschen, die Hartz IV, die eine Grund­ren­te erzie­len, die haben keinen Schutz­ma­ch­a­nis­mus», warnte der DIW-Präsi­dent. «Die Menschen, die brauchen jetzt dringend Geld in die Tasche, denn die Situa­ti­on wird nicht besser, sondern eher in den kommen­den Monaten nochmal deutlich schlechter.»