WASHINGTON (dpa) — In den USA ist wegen der Verbin­dun­gen nach China ein Verbot von Tiktok im Gespräch. In Deutsch­land sieht Innen­mi­nis­te­rin Faeser für ein solches Vorge­hen keinen Grundlage.

In der Debat­te um den Kurzvi­deo-Dienst Tiktok sieht Innen­mi­nis­te­rin Nancy Faeser für Deutsch­land keine Grund­la­ge für ein generel­les Verbot der App. Man müsse jedoch verstärkt darüber aufklä­ren, dass es sich bei Tiktok um eine Firma hande­le, bei der «die Daten natür­lich abflie­ßen können», sagte die SPD-Politi­ke­rin Faeser am Mittwoch (Ortszeit) in Washing­ton. In den USA wird derzeit über ein Verbot des vor allem bei Jugend­li­chen belieb­ten Diens­tes disku­tiert. Weltweit hat Tiktok mehr als eine Milli­ar­de Nutzer.

Tiktok steht zuneh­mend unter politi­schem Druck, weil die Platt­form zum aus China stammen­den Bytedance-Konzern gehört. Am Donners­tag sollte sich Firmen­chef Shou Zi Chew Fragen von US-Abgeord­ne­ten im Kongress stellen. Themen der Anhörung im Handels­aus­schuss des Reprä­sen­tan­ten­hau­ses sind die Sicher­heit der Daten sowie der Schutz von Kindern. In den USA hat der Dienst mehr als 150 Millio­nen Nutzer. Auch in Deutsch­land sind er weit verbreitet.

Tiktok ist die einzi­ge auch im Westen erfolg­rei­che Online-Platt­form, die nicht aus den USA stammt. In den USA und Europa gibt es zuneh­mend Sorge, dass chine­si­sche Behör­den und Geheim­diens­te damit Infor­ma­tio­nen von Nutzern sammeln oder Nutzer beein­flus­sen könnten. Die US-Regie­rung fordert nach Medien­be­rich­ten den Ausstieg chine­si­scher Anteilseigner.

Chine­si­sches Unter­neh­men mit Sitz auf den Cayman-Inseln

Tiktok weist solche Vorwür­fe zurück und betont, man sehe sich nicht als Tochter eines chine­si­schen Unter­neh­mens. Bytedance sei zu 60 Prozent im Besitz westli­cher Inves­to­ren. Der Firmen­sitz liege auf den Cayman-Inseln in der Karibik. Kriti­ker kontern, dass die chine­si­schen Gründer bei einem Anteil von 20 Prozent die Kontrol­le dank höherer Stimm­rech­te hielten und Bytedance eine große Zentra­le in Peking habe.

In der App kann man sich von einem kurzen Video zum nächs­ten scrol­len. Ein entschei­den­der Faktor für den Erfolg ist der Software-Algorith­mus, der Clips für jeden Nutzer indivi­du­ell auswählt und ständig an ihre Vorlie­ben anpasst. Dabei wird berück­sich­tigt, ob man ein Video bis zum Schluss angeschaut oder sofort weiter­ge­blät­tert hat. Am Ende hat die Software eine gute Vorstel­lung von den Inter­es­sen der Nutzer. Eine der Sorgen im Westen ist, dass dieser Daten­schatz missbraucht werden könnte.

In den USA, Kanada und Großbri­tan­ni­en ist die App auf Dienst-Handys von Regie­rungs­mit­ar­bei­tern verbo­ten, auch bei der EU-Kommis­si­on. Im US-Kongress ist zudem ein Gesetz in Arbeit, das Präsi­dent Joe Biden die Vollmach­ten für ein komplet­tes Verbot der App geben könnte. Schon Bidens Vorgän­ger Donald Trump hatte versucht, mit einer Verbots­dro­hung einen Verkauf des inter­na­tio­na­len Geschäfts von Tiktok zu erzwin­gen. Er wurde jedoch von US-Gerich­ten gestoppt, die eine mangel­haf­te recht­li­che Grund­la­ge für das Vorge­hen sahen.

Tiktok weist Vorwür­fe zurück

Tiktok betont, man habe nie Daten­an­fra­gen von der chine­si­schen Regie­rung bekom­men und würde solchen auch nicht nachkom­men, weil es dafür keine recht­li­che Grund­la­ge gebe. Der Dienst versucht, die Beden­ken mit Verspre­chen von mehr Trans­pa­renz auszu­räu­men. So sollen Daten europäi­scher Nutzer in drei Rechen­zen­tren in Europa gespei­chert werden. Bisher lagern sie in Singa­pur und die USA. Auch werde ein unabhän­gi­ger Partner den Daten­fluss und den Zugang zu Infor­ma­tio­nen überwa­chen. In den USA lässt Tiktok den Software­code seiner App in einer ähnli­chen Struk­tur vom Software-Konzern Oracle prüfen.

Faeser will allge­mein gegen staat­li­che Einfluss­nah­me aus China vorge­hen. «Wir kommen gerade aus einer starken Abhän­gig­keit von Russland in der Energie­ver­sor­gung. Wir wollen nicht weite­re Abhän­gig­kei­ten schaf­fen», sagte die SPD-Politi­ke­rin. Man achte sehr darauf, dass man staat­li­che Einfluss­nah­me durch China möglichst frühzei­tig erken­ne, beton­te sie mit Blick auf Tiktok. Sie wolle bei ihrem Besuch in den USA auch über die Einfluss­nah­me durch Desin­fo­ma­ti­ons­kam­pa­gnen sprechen, die von Russland und China gesteu­ert würden.