Keine sechs Monate vor den geplan­ten Olympi­schen Spielen in Tokio ist Japans OK-Chef Mori zurück­ge­tre­ten. Ihm wurden abfäl­li­ge Äußerun­gen über Frauen zum Verhäng­nis. Ungewollt hat der 83 Jahre alte Japaner damit das Thema Gleich­be­rech­ti­gung in den Fokus gebracht.

TOKIO (dpa) — Mit dem Rückzug des umstrit­te­nen Organi­sa­ti­ons­chefs wollen Japans Olympia-Gastge­ber den immensen Image­scha­den nach dessen frauen­feind­li­chen Aussa­gen begren­zen und den Fokus wieder auf die schwie­ri­gen Vorbe­rei­tun­gen der Spiele lenken.

Kein halbes Jahr vor dem geplan­ten Start der Sommer­spie­le in Tokio war Yoshiro Mori nach abfäl­li­gen Kommen­ta­ren über Frauen zurück­ge­tre­ten. Das Inter­na­tio­na­le Olympi­sche Komitee sieht die Spiele dadurch aber nicht beein­träch­tigt. «Das IOC wird mit seinem Nachfol­ger weiter­hin Hand in Hand zusam­men­ar­bei­ten, um siche­re und gefahr­lo­se Olympi­sche Spiele in 2021 in Tokio auszu­rich­ten», sagte IOC-Präsi­dent Thomas Bach.

Der Rücktritt Moris soll keine Verzö­ge­run­gen bei der Vorbe­rei­tung der Sommer­spie­le zur Folge haben, die am 23. Juli eröff­net werden sollen. Ein Nachfol­ger werde in Kürze von einer Arbeits­grup­pe bestimmt, sagte OK-Geschäfts­füh­rer Toshiro Muto. Die Arbeits­grup­pe solle je zur Hälfte mit Frauen und Männern besetzt werden, Athle­ten­ver­tre­ter würden eine zentra­le Rolle spielen. Als eine Kandi­da­tin für die Nachfol­ge gilt Olympia-Minis­te­rin Seiko Hashimoto.

Der einfluss­rei­che Funktio­när Mori hatte vergan­ge­ne Woche bei einer Online-Vorstands­sit­zung des OK gesagt, dass Sitzun­gen mit Frauen sich in die Länge zögen, weil die mitein­an­der konkur­rie­ren­den Frauen alle reden wollten. Seither hatte es in Japan und auch inter­na­tio­nal einen Sturm der Entrüs­tung gegeben. Frauen hätten einen starken Sinn für Rivali­tät, war Mori zitiert worden. «Wenn eine von ihnen ihre Hand hebt, denken sie wahrschein­lich, dass sie auch etwas sagen müssen. Und dann sagen alle etwas.» Er bezog sich damit auf Pläne des OK, den Frauen­an­teil im Vorstand von 20 auf 40 Prozent zu erhöhen.

Seine «unange­mes­se­nen» Äußerun­gen hätten «viel Chaos» angerich­tet, sagte Mori nun bei einer Sonder­sit­zung des OK und entschul­dig­te sich. Es sei nicht seine Absicht gewesen, auf Frauen herab­zu­schau­en. In den Medien sei das aber so darge­stellt worden, sagte Mori. Wichtig sei, dass die Spiele statt­fän­den, daher wolle er nicht im Wege stehen.

Der Bürger­meis­ter des Olympi­schen Dorfes, der 84 Jahre alte Saburo Kawabuchi, hatte am Vortag erklärt, Mori habe ihn gebeten, sein Nachfol­ger zu werden. Doch dass die alte Garde die Perso­na­lie wohl hinter verschlos­se­nen Türen regeln wollte, sorgte prompt für Kritik und Rufe nach mehr Trans­pa­renz. Am Freitag ließ Kawabuchi dann wissen, er verzich­te auf die Nachfol­ge Moris. «Die Regie­rung wird weite­re Anstren­gun­gen unter­neh­men, um das Vertrau­en wieder­her­zu­stel­len und das große Konzept der Vielfalt und Harmo­nie im In- und Ausland zu verbrei­ten», sagte Olympia-Minis­te­rin Hashimoto.

Der Eklat drohte das durch diver­se Proble­me wie anfäng­li­che Plagi­ats­vor­wür­fe um das Olympia-Logo, explo­die­ren­de Kosten und die coronabe­ding­te Verschie­bung ohnehin schon belas­te­te Image der Spiele weiter zu beschä­di­gen. Rund 390 freiwil­li­ge Olympia-Helfer zogen sich aus Protest zurück, Unmut gab es auch von Sponso­ren-Seite. Der Skandal wirft ein Schlag­licht auf die Benach­tei­li­gung von Frauen in Japans männer­do­mi­nier­ter Gesell­schaft. In der Politik und in Führungs­eta­gen sind Frauen in Japan stark unterrepräsentiert.

Im Ranking des Weltwirt­schafts­fo­rums zur Gleich­be­rech­ti­gung liegt die Nummer drei der Weltwirt­schaft nur auf Platz 121 von 153. Der Skandal um Mori hat nach Einschät­zung von Beobach­tern das Thema Gleich­be­rech­ti­gung in Japan nun aber stärker ins Bewusst­sein der Öffent­lich­keit gebracht. Das OK beschloss auf seiner Sonder­sit­zung am Freitag, sich künftig stärker für die Gleich­stel­lung der Geschlech­ter einset­zen und die Zahl von Frauen in Führungs­po­si­tio­nen erhöhen zu wollen. Auch dafür solle eine Arbeits­grup­pe einge­setzt werden.

Das IOC bleibe überzeugt «von der siche­ren und erfolg­rei­chen Ausrich­tung» der Spiele in Tokio, hieß es in der Mittei­lung. Bach sagte, er respek­tie­re Moris Entschei­dung und könne die Gründe dafür nachvoll­zie­hen. Japans Olympia-Macher und die Regie­rung hatten laut örtli­chen Medien nicht mit so hefti­gen Reaktio­nen der Öffent­lich­keit und im Ausland gerech­net und gehofft, Mori würde im Amt bleiben können. Auch das IOC hatte das Thema nach Moris Entschul­di­gung zunächst als erledigt betrach­tet, seine Äußerun­gen dann jedoch in einer Stellung­nah­me als «absolut unange­bracht» bezeichnet.

In Umfra­gen sprechen sich mehr als 80 Prozent der befrag­ten Japaner dafür aus, die Spiele angesichts der andau­ern­den Pande­mie erneut zu verschie­ben oder ganz abzusa­gen. Die wegen der Corona-Pande­mie verleg­ten Spiele sollen vom 23. Juli bis 8. August 2021 stattfinden.