BERLIN (dpa) — Wenn Famili­en­mit­glie­der pflege­be­dürf­tig werden, ist das oft eine große Belas­tung — auch in finan­zi­el­ler Hinsicht. Wie könnte der Staat die Betrof­fe­nen unterstützen?

Jede und jeder fünfte pflegen­de Angehö­ri­ge ist laut einer Studie von Armut bedroht. Zu diesem Ergeb­nis kommt das Deutsche Insti­tut für Wirtschafts­for­schung Berlin (DIW Berlin) nach einer Auswer­tung der Daten des sozio­öko­no­mi­schen Panels. Bei pflegen­den Frauen sei sogar rund jede vierte von Armut bedroht (24 Prozent), so das DIW in seiner Studie, die beim Sozial­ver­band VdK am Diens­tag in Berlin präsen­tiert wurde.

Somit sind die Menschen, die Vater, Mutter, Ehepart­ner oder andere Angehö­ri­ge pflegen, deutlich häufi­ger einem Risiko von Armut ausge­setzt als die Bundes­bür­ge­rin­nen und Bürger im Schnitt. Hier liegt das Armuts­ri­si­ko bei 16 Prozent.

Pflegen­de Haushal­te seien zudem häufi­ger Empfän­ger von staat­li­cher Sozial­leis­tun­gen: Mit einem Anteil von rund 55 Prozent sei ihr Anteil um 7 Prozent­punk­te höher als in der Gesamt­be­völ­ke­rung. Laut DIW haben insbe­son­de­re jünge­re Pflege­per­so­nen ein hohes Armuts­ri­si­ko. Bei Perso­nen ab 65 Jahren sei das Armuts­ri­si­ko fast durchschnittlich.

VdK-Präsi­den­tin Verena Bente­le sagte: «Pflegen macht arm! Das ist die erschüt­tern­de Wahrheit, die wir mit diesen Studi­en genau belegen können.» Bente­le forder­te daher die Einfüh­rung eines Gehalts für pflegen­de Angehö­ri­ge. «Die Höhe sollte sich nach dem Aufwand der Pflege richten.» So ein Gehalt würde laut DIW beson­ders Frauen helfen, die bereits ihre Arbeit reduziert oder ganz aufge­ge­ben haben, sowie Eltern von pflege­be­dürf­ti­gen Kindern.

Eigene Zukunft in Gefahr

Laut einer weite­ren Erhebung im Auftrag des VdK haben 49 Prozent aller Pflegen­den nach eigenen Angaben ihre Arbeits­zeit aufgrund der Pflege reduziert. Die Befra­gung hatte der Pflege­wis­sen­schaft­ler Andre­as Büscher von der Hochschu­le Osnabrück durch­ge­führt. Wegen der reduzier­ten Arbeits­zeit verlie­ren die Betrof­fe­nen Renten­punk­te und Gehalt, wie der VdK beton­te. Laut Büscher werden in Deutsch­land insge­samt 3,1 von 4,1 Millio­nen pflege­be­dürf­ti­gen Menschen entwe­der allein von Angehö­ri­gen versorgt oder von Angehö­ri­gen und ambulan­ten Pflegediensten.

Laut der Umfra­ge sind für ein Drittel der Pflegen­den finan­zi­el­le Sorgen ein tägli­cher Wegbe­glei­ter. Viele verzich­te­ten auf profes­sio­nel­le Entlas­tung, weil diese ihre finan­zi­el­le Situa­ti­on noch verschär­fen würde. Über 50 Prozent geben an, Leistun­gen wie Pflege­dienst, Tages‑, Verhin­de­rungs- oder Kurzzeit­pfle­ge nicht weiter in Anspruch zu nehmen, weil sie zu viel dazuzah­len müssten. Bente­le sagte: «Es ist schockie­rend zu sehen, dass aus finan­zi­el­ler Sorge heraus auf profes­sio­nel­le Unter­stüt­zung und Entlas­tung verzich­tet wird.»