HAMBURG (dpa) — Jahrzehn­te­lang galt die Jugend als rebel­lisch. Doch die Mehrheit der jungen Leute träumt laut einer Umfra­ge nicht mehr von einer besse­ren Zukunft, sondern von der Vergangenheit.

Die jünge­ren Menschen in Deutsch­land sehnen sich einer neuen Umfra­ge zufol­ge mehrheit­lich in die Vergan­gen­heit zurück.

56 Prozent der Erwach­se­nen unter 34 Jahren sagten in einer reprä­sen­ta­ti­ven Online-Befra­gung für die Hambur­ger Stiftung für Zukunfts­fra­gen (des Unter­neh­mens British Ameri­can Tobac­co (BAT)), sie würden lieber in der Vergan­gen­heit leben.

Ganz anderes Ergeb­nis vor einem Jahrzehnt

44 Prozent würden die Zukunft bevor­zu­gen. Vor knapp einem Jahrzehnt sah das Ergeb­nis einer ähnli­chen Befra­gung ganz anders aus: Im Jahr 2013 wollten nur 30 Prozent lieber in der Vergan­gen­heit und 70 Prozent in der Zukunft leben.

«Das ist wirklich neu und sehr ungewöhn­lich», sagte der wissen­schaft­li­che Leiter der Stiftung, Ulrich Reinhardt. Die Jugend habe das Leben noch vor sich und sei darum eigent­lich sehr zukunfts­zu­ge­wandt. Mit dem Begriff Vergan­gen­heit würden die Befrag­ten in der Regel ihre eigene Kindheit und Jugend verbinden.

In der mittle­ren Genera­ti­on im Alter zwischen 35 und 54 Jahren stieg der Anteil der Nostal­gi­ker in gerin­ge­rem Maße von 54 auf 66 Prozent. Bei den Älteren ab 55 Jahren sehnen sich laut der Umfra­ge nahezu konstant 68 Prozent in die Vergan­gen­heit zurück. Im Jahr 2013 hatte der Anteil mit dieser Einstel­lung bei 70 Prozent gelegen.

«Weil es früher besser war»

Auf die Frage, warum sie lieber in der Vergan­gen­heit leben wollten, sagten 42 Prozent der Befrag­ten über alle Alters­grup­pen hinweg, früher sei der Zusam­men­halt größer gewesen. 35 Prozent gaben als Grund an, «weil es früher besser war».

Es habe «mehr Sicher­heit und Bestän­dig­keit» gegeben, erklär­ten 34 Prozent. Als weite­re Gründe wurden genannt: «Man war glück­li­cher» (29 Prozent), «weniger Kriege und Krisen» (23), «Umwelt­be­din­gun­gen waren besser» (22) und «Angst vor der Zukunft» (20).

Gerade junge Leute vermiss­ten Zusam­men­halt und Gemein­schaft, sagte Reinhardt. Offen­bar treffe man sich in der weitge­hend digita­len Welt weniger zu Außer-Haus-Aktivitäten.

Corona-Pande­mie hat die Proble­me verstärkt

Vielen sei klar, dass Freun­de auf Facebook oder Insta­gram nicht reich­ten, sagte Reinhardt. «Das ersetzt nicht die Freun­de, auf die man sich auch dann verlas­sen kann, wenn Fragen zum Leben da sind, wenn die Unsicher­heit groß ist und wenn man vielleicht einfach Spaß haben möchte.» In der Corona-Pande­mie habe sich das Problem verstärkt. Der Ukrai­ne-Krieg spiele für die Umfra­ge­er­geb­nis­se dagegen keine große Rolle.

Er habe in Befra­gun­gen immer wieder festge­stellt, dass die junge Genera­ti­on nach Sicher­heit strebe, auch in der Arbeits­welt. «Das Beamten­tum erlebt eine Renais­sance», sagte der Zukunfts­for­scher. In den Jahrzehn­ten davor habe dagegen der Wunsch dominiert, die Welt zum Besse­ren zu verän­dern. Jetzt seien die Unter-34-Jähri­gen zurück­ge­wandt. Kritisch merkte Reinhardt (51) an: «Es ist auch eine Genera­ti­on, die komplett gepam­pert wurde von ihren Eltern.»