Liebe Wochenblatt-Leserinnen und Leser,
ich wollte nie spießig sein. Im Gegenteil: Frei wollte ich sein, im Kopf und überhaupt. Die Welt bereisen, ein kleiner Hippie im Herzen sein. Mit bunten Schlaghosen und grünen Haar-Strähnen. Was ich schon immer super-spießig fand, waren Zäune. Als ob man irgendwie kleinkariert sein Revier markieren muss. Furchtbar.
Jetzt wohne ich ja nach zehn Jahren in der Großstadt und fünf Jahren in der Kleinstadt wieder in dem Dorf, in dem ich aufgewachsen bin. Ob ich will oder nicht: Die Spießigkeit ergreift Besitz von mir. Grüne Haar-Strähnen habe ich schon lange nicht mehr, aus den bunten Schlaghosen bin ich längst rausgewachsen.
Und wisst ihr was? Ich will einen Zaun – Hilfe! Aber es kommt so oft vor, dass Leute über unser Grundstück laufen, dass es mich einfach nervt. Nix mit Kommune und mein Garten ist dein Garten. Mein Garten gehört mir – und damit das alle sehen, gibt es eben einen Zaun. Den stelle ich nicht Frauenpower-mäßig selbst auf, das soll bitte schön der Mann im Haus machen.
Ich backe derweil mit den Kindern Kuchen. Und wisst ihr was: Je länger ich darüber nachdenke, desto schöner finde ich es, ab und zu spießig sein zu dürfen. Im Herzen darf man ja immer Hippie bleiben.
Bis bald,
eure Julia