WIESBADEN (dpa) — In Skandi­na­vi­en ziehen junge Menschen beson­ders früh aus, in vielen südeu­ro­päi­schen Ländern leben sie noch mit über 30 bei den Eltern. Wann wird der Nachwuchs in Deutsch­land flügge? Und wie steht es um Hochzeit und Famili­en­grün­dung? Die Statis­ti­ker geben Antworten.

Fast ein Drittel der jungen Menschen in Deutsch­land hat im vergan­ge­nen Jahr nicht mehr im Haushalt der Eltern gelebt.

«Trotz steigen­der Mietprei­se und der Corona-Pande­mie, die diesen Schritt in den vergan­ge­nen Jahren erschwer­ten, standen 2021 so viele junge Menschen zwischen 15 und 24 Jahren sprich­wört­lich auf eigenen Beinen wie in den vergan­ge­nen zehn Jahren nicht», erklär­te das Statis­ti­sche Bundes­amt in Wiesba­den am Montag.

Die Zeit der Nestho­cker ist vorbei

Insge­samt seien rund 2,6 Millio­nen Menschen in dieser Alters­grup­pe bereits ausge­zo­gen, was einem Anteil von 31,2 Prozent entspricht, wie das Statis­ti­sche Bundes­amt am Montag in Wiesba­den mitteil­te. Zehn Jahre zuvor waren es nur 2,4 Millio­nen (27,5 Prozent) gewesen.

Man könne als Trend ablesen, dass die Zeit der Nestho­cker in Deutsch­land vorbei sei, sagte Jugend­for­scher Klaus Hurrel­mann aus Berlin. «Das ist wirklich bemer­kens­wert: Die jahrzehn­te­lan­ge Phase, dass man sehr spät aus dem Eltern­haus auszieht, die scheint jetzt abzuklin­gen.» Das habe nichts mit einem schlech­te­ren Verhält­nis zu tun, im Gegen­teil: «Die sehr gute Bezie­hung zu den Eltern bleibt bestehen — das zeigen alle Studi­en, dass die ausge­zeich­net ist.» Er werte es eher als Signal, dass die Selbst­stän­dig­keit wieder größer geschrie­ben wird.

Den Daten zufol­ge lassen sich die Söhne mit dem Auszug nach wie vor etwas mehr Zeit als die Töchter: 27,6 Prozent der jungen Männer zwischen 15 und 24 Jahren wohnten zuletzt nicht mehr im «Hotel Mama», unter den jungen Frauen waren es 35,1 Prozent.

Blickt man auf die europa­wei­ten Zahlen, werden große Unter­schie­de deutlich. Beson­ders früh werden Skandi­na­vi­er flügge: So zogen die jungen Schwe­den im Schnitt mit 19 Jahren aus, gefolgt von den Finnen und Dänen (beide rund 21 Jahre). Ganz anders sieht es dagegen im Süden des Konti­nents aus: Am spätes­ten waren die Portu­gie­sen (etwa 34 Jahre) dran, dahin­ter lagen die Kroaten (rund 33 Jahre). In Deutsch­land verlas­sen die jungen Menschen im Schnitt mit fast 24 Jahren das Eltern­haus — drei Jahre früher als im EU-Mittel.

Die Heirat wird immer mehr aufgeschoben

Nach Angaben des Statis­ti­schen Bundes­am­tes ist die Zahl der jungen Eltern in Deutsch­land inner­halb von zehn Jahren deutlich gesun­ken. Nur 2,4 Prozent der 15- bis 24-Jähri­gen hatten im Jahr 2021 Kinder — also 197 000 junge Väter oder Mütter in dieser Alters­grup­pe. Zehn Jahre zuvor waren es noch 327 000 junge Väter oder Mütter (3,7 Prozent).

«Die Famili­en­grün­dung und die Eheschlie­ßung wird immer weiter aufge­scho­ben», sagte Exper­te Hurrel­mann. Auch andere Statis­ti­ken zeigten, dass Frauen bei der Geburt des ersten Kindes immer älter seien. Zwischen dem Auszug aus dem Eltern­haus und der Gründung der eigenen Familie gebe es somit eine zuneh­mend länge­re Phase der Eigenständigkeit.

Auch das Statis­ti­sche Bundes­amt in Wiesba­den gab am Montag aktuel­le Daten zu Ehen in der jungen Genera­ti­on bekannt. «Noch selte­ner als Eltern in der Alters­grup­pe der 15- bis 24-Jähri­gen sind Verhei­ra­te­te oder solche in einer Lebens­part­ner­schaft», hieß es. So sei Ende 2021 ein neuer Tiefst­stand von rund 136 000 verhei­ra­te­ten Menschen in dieser Alters­grup­pe erreicht worden. Zehn Jahre zuvor waren mehr als 246 500 verhei­ra­tet oder in einer Lebenspartnerschaft.

Das Bundes­amt gab die Daten anläss­lich des «Europäi­schen Jahres der Jugend» heraus, das die Europäi­sche Union für 2022 ausge­ru­fen hat. Es soll jungen Menschen mit ihren Meinun­gen und Ideen mehr Gehör verschaf­fen. Die Statis­ti­ker haben sich bei allen Berei­chen (Auszug, Eltern­schaft, Heirat) auf die Alters­grup­pe der 15- bis 24-Jähri­gen bezogen — in Deutsch­land ist Heira­ten per Gesetz aller­dings erst ab dem 18. Lebens­jahr möglich.

Von Jenny Tobien, dpa