BERLIN (dpa) — Für einen Schwan­ger­schafts­ab­bruch gibt es gesetz­li­che Hürden in Deutsch­land. Dazu gehört bislang auch ein weitge­hen­des Verbot für Ärzte, auf Websites über Abbrü­che zu infor­mie­ren. Das soll nun fallen.

Das Bundes­ka­bi­nett hat den Weg für die Abschaf­fung des umstrit­te­nen Paragra­fen 219a freige­macht, der die «Werbung für den Abbruch der Schwan­ger­schaft» verbie­tet. Der Paragraf im Straf­ge­setz­buch soll dem Beschluss vom Mittwoch zufol­ge aufge­ho­ben werden.

Bislang führt er unter anderem dazu, dass Ärztin­nen und Ärzte keine ausführ­li­chen Infor­ma­tio­nen über Schwan­ger­schafts­ab­brü­che öffent­lich anbie­ten können, ohne Straf­ver­fol­gung befürch­ten zu müssen. Der Gesetz­ent­wurf von Bundes­jus­tiz­mi­nis­ter Marco Busch­mann muss nun noch von Bundes­tag und Bundes­rat beraten werden.

Der FDP-Politi­ker nannte es im ZDF-«Morgenmagazin» einen «untrag­ba­ren Zustand», dass das deutsche Recht es Ärztin­nen und Ärzten verbie­te, sachlich zu infor­mie­ren und mit dem Staats­an­walt drohe. Deshalb strei­che man diese Norm. «Es muss sich niemand Sorgen deswe­gen machen. Denn es wird keine Werbung oder so für Schwan­ger­schafts­ab­brü­che geben, wie für Schoko­rie­gel oder Reisen». Das sei recht­lich ausgeschlossen.

Frauen müssten sich über Metho­den und mögli­che Risiken bestmög­lich infor­mie­ren können, erklär­te Busch­mann später. «Für einige Frauen führt der Weg direkt zur Ärztin oder zum Arzt ihres Vertrau­ens. Andere suchen erst eine Ärztin oder einen Arzt sowie Rat im Inter­net. Wir möchten, dass den Frauen in Deutsch­land beide Wege offenstehen.»

Zugleich gebe es weiter­hin gesetz­li­che Regelun­gen gegen «anprei­sen­de und anstö­ßi­ge Werbung». «Niemand muss sich Sorgen machen, dass es hier beispiels­wei­se reiße­ri­sche Werbung für Schwan­ger­schafts­ab­brü­che gibt.» Auch das Niveau an Schutz für ungebo­re­nes Leben ändere sich nicht.

Grund­sätz­li­che Straf­bar­keit bleibt

In Deutsch­land etwa ist ein Schwan­ger­schafts­ab­bruch nach dem umstrit­te­nen Paragra­fen 218 des Straf­ge­setz­bu­ches grund­sätz­lich straf­bar. Für die ersten zwölf Wochen der Schwan­ger­schaft sind Abtrei­bun­gen aber dann entkri­mi­na­li­siert, wenn es vorher eine Beratung gegeben hat, gesund­heit­li­che Gefahr besteht oder die Schwan­ger­schaft infol­ge eines Sexual­de­likts entstan­den ist.

Urtei­le gegen Ärztin­nen und Ärzte wegen «Werbung für den Schwan­ger­schafts­ab­bruch», die aufgrund der noch gülti­gen Regelung nach dem 3. Oktober 1990 ergan­gen sind, sollen zudem aufge­ho­ben und die Verfah­ren einge­stellt werden.

Bundes­frau­en­mi­nis­te­rin Anne Spiegel (Grüne) nannte die Abschaf­fung von Paragraf 219a am Mittwoch «überfäl­lig». «Ärztin­nen und Ärzte sollen künftig über ihre medizi­ni­schen Leistun­gen zu Schwan­ger­schafts­ab­brü­chen infor­mie­ren können, ohne Straf­ver­fol­gung oder Stigma­ti­sie­rung befürch­ten zu müssen. Damit stärken wir das Selbst­be­stim­mungs­recht von Frauen nachhal­tig.» Zudem wolle die aktuel­le Bundes­re­gie­rung eine Kommis­si­on zur repro­duk­ti­ven Selbst­be­stim­mung einset­zen. «Die selbst­be­stimm­te Famili­en­pla­nung ist ein Menschenrecht.»

Bayerns Frauen­mi­nis­te­rin Ulrike Scharf kriti­sier­te hinge­gen die geplan­te Abschaf­fung des Paragra­fen 219a. «Das Selbst­be­stim­mungs­recht von Frauen wird dadurch defini­tiv nicht verbes­sert», erklär­te die CSU-Politi­ke­rin. «Die Frauen, befin­den sich — oft allei­ne — in einer emotio­na­len Ausnah­me­si­tua­ti­on und brauchen Hilfe bei der schwie­ri­gen Entschei­dungs­fin­dung.» Ausführ­li­che Infor­ma­tio­nen von Ärztin­nen und Ärzten, die als gesetz­li­che Berater ausge­schlos­sen seien und den Schwan­ger­schafts­ab­bruch vornäh­men, seien nicht notwen­dig, so Scharf. «Es besteht hier kein Informationsdefizit.»

Kammer­prä­si­dent fordert Schutz für Ärzte

Bundes­ärz­te­kam­mer-Präsi­dent Klaus Reinhardt fordert, dass Ärztin­nen und Ärzte besser vor Abtrei­bungs­geg­nern geschützt werden. «Das Spektrum reicht von anony­men Beschimp­fun­gen und Hass-Postings in den Sozia­len Netzwer­ken bis hin zu selbst­er­nann­ten Lebens­schüt­zern, die persön­lich vor den Praxen auftau­chen», sagte Reinhardt dem Redak­ti­ons­netz­werk Deutsch­land. Es entste­he ein Klima der Bedro­hung, und der Praxis­ab­lauf werde gestört. «Hier ist der Gesetz­ge­ber gefor­dert. Er muss Ärztin­nen und Ärzte besser vor Anfein­dun­gen durch aggres­si­ve Abtrei­bungs­geg­ner schüt­zen», erklär­te Reinhardt.