Kanzler­amts­chef Helge Braun ist überzeugt davon, dass die mutier­te Form des Corona­vi­rus in Deutsch­land die Oberhand gewin­nen wird — und die Infek­ti­ons­zah­len umso dringen­der gesenkt werden müssen. Was heißt das für die Schulen?

Kanzler­amts­chef Helge Braun (CDU) geht davon aus, dass die bislang vor allem in Großbri­tan­ni­en verbrei­te­te Mutati­on des Corona­vi­rus auch in Deutsch­land zur dominan­ten Form werden wird.

«Wir sehen ja momen­tan, dass wir jetzt in mehre­ren Kranken­häu­sern auch schon mit der Mutan­te zu tun haben. Das heißt, das ist bei uns im Land angekom­men, und deshalb wird sie irgend­wann so wie in anderen Ländern auch dann die Führung überneh­men und wird Proble­me machen», sagte Braun in der ARD-Talkshow «Anne Will». «Da bin ich sehr sicher», ergänz­te er auf Nachfrage.

Umso wichti­ger sei es nun, die Infek­ti­ons­zah­len «sehr stark» zu senken und damit eine weite­ren Verbrei­tung der Mutati­on die Grund­la­ge zu entzie­hen, fügte Braun hinzu. «Wir wollen sie so lange wie möglich aus dem Land raushal­ten und da, wo sie schon ist, eben sehr niedrig halten. Das wird man auf Dauer nicht schaf­fen», sagte Braun.

Der Virus-Typ B.1.1.7 war bisher vor allem in Großbri­tan­ni­en aufge­tre­ten. Die Varian­te ist Exper­ten zufol­ge leich­ter übertrag­bar als die bislang vorherr­schen­de. Ob sie auch tödli­cher ist, lässt sich bislang nicht gesichert sagen. Auch in Brasi­li­en und Südafri­ka kursie­ren Virus-Mutatio­nen mit wohl beson­de­rem Risiko.

Der SPD-Gesund­heits­po­li­ti­ker Karl Lauter­bach sagte dazu im «Bild»-Format «Die richti­gen Fragen»: «Man muss davon ausge­hen, dass auf einen Monat betrach­tet diese drei Varian­ten sechs- bis achtfach so anste­ckend sind. Und wenn ich dann die jetzi­gen Zahlen hochrech­ne, dann bin ich schnell bei dem Szena­rio, das Chris­ti­an Drosten vorge­rech­net hat.»

Der Virolo­ge hatte im «Spiegel» mit im schlimms­ten Fall 100.000 Neuin­fek­tio­nen pro Tag bei einem zu frühen Lockdown-Ende gerech­net. Bei den binnen 24 Stunden regis­trier­ten Neuin­fek­tio­nen war bislang mit 33.777 am 18. Dezem­ber der höchs­te Wert gemel­det worden — darin waren jedoch 3500 Nachmel­dun­gen enthal­ten. Seitdem sind die Zahlen deutlich gesunken.

Lauter­bach warnte: «Wir werden einen sehr harten und sehr gut funktio­nie­ren­den Lockdown brauchen, weil die neuen Varian­ten von einem ganz anderen Kaliber sind. Die haben noch einmal ein ganz anderes Bedro­hungs­po­ten­zi­al.» Lauter­bach geht — genau wie Drosten — nicht davon aus, dass der Sommer die Ausbrei­tung des Virus weitge­hend stoppen wird.

Angesichts der Situa­ti­on waren verein­zel­te Forde­run­gen nach einem Lockdown-Ende Mitte Febru­ar am Wochen­en­de abgeblockt worden. «Die Bedro­hungs­la­ge ist noch zu groß», hatte zum Beispiel der neue CDU-Vorsit­zen­de Armin Laschet gesagt.

Trotz­dem hält die Vorsit­zen­de der Kultus­mi­nis­ter­kon­fe­renz, Britta Ernst, erste Schul­öff­nun­gen Anfang Febru­ar für möglich. «Sicher nicht vollstän­dig», schränk­te die branden­bur­gi­sche Bildungs­mi­nis­te­rin in der «Rheini­schen Post» ein. «Aber ich halte das bei entspre­chen­der Infek­ti­ons­la­ge beispiels­wei­se mit Wechsel­un­ter­richt für möglich.» Anfangs könne das auch nur für Abschluss­klas­sen und die ersten Klassen­stu­fen gelten.

«Kein Land sollte auf ein anderes warten müssen, um seine Schulen zu öffnen», sagte die SPD-Politi­ke­rin und verwies auf ein sehr unter­schied­li­ches Infek­ti­ons­ge­sche­hen in den Bundes­län­dern. «Ich finde es richtig, wenn die Länder die Spiel­räu­me, die ihnen die Beschlüs­se bieten, unter­schied­lich nutzen.»

Auf die Frage, ob die Schulen bis Ostern geschlos­sen bleiben, sagte Bildungs­mi­nis­te­rin Anja Karlic­zek (CDU) gegen­über «Bild»: «Je besser wir die Zahlen herun­ter­krie­gen, umso früher können wir öffnen.» Und weiter: «Wichtig ist, dass wir uns jetzt Konzep­te überle­gen und uns dann an den Infek­ti­ons­zah­len orien­tie­ren. Dort wo die Zahlen runter­ge­hen, können wir Präsenz­un­ter­richt machen.» Der Gesund­heits­schutz habe gerade höchs­te Priorität.

Mit Blick auf die wohl noch länger andau­ern­den Einschrän­kun­gen fordert ein breites Bündnis von 36 Gewerk­schaf­ten und Verbän­den eine Anhebung der Regel­sät­ze von Hartz IV und Alters­grund­si­che­rung auf mindes­tens 600 Euro sowie sofor­ti­ge zusätz­li­che Corona-Hilfen für arme Menschen. Zu den Unter­zeich­nern der Forde­rung gehören unter anderem die Gewerk­schaft Verdi, die Gewerk­schaft Erzie­hung und Wissen­schaft, die Awo, der Sozial­ver­band VdK und die Diakonie.

Unter­stüt­zung erhielt das Bündnis von der stell­ver­tre­ten­den SPD-Frakti­ons­vor­sit­zen­den im Bundes­tag, Katja Mast. Die Corona-Pande­mie und ihre Folgen «treffen die Schwächs­ten am stärks­ten», sagte Mast der Deutschen Presse-Agentur. Die SPD habe daher Unter­stüt­zungs­vor­schlä­ge gemacht. Konkret nannte sie einen Vorschlag von Bundes­ar­beits­mi­nis­ter Huber­tus Heil (SPD) für einen finan­zi­el­len Zuschlag für Hilfe­emp­fän­ger, um die nun in einigen Lebens­be­rei­chen erfor­der­li­chen OP- oder FFP2-Masken kaufen zu können. «Außer­ge­wöhn­li­che Umstän­de bedür­fen außer­ge­wöhn­li­cher Maßnah­men — da hat das Bündnis recht. Jetzt muss sich nur noch unser Koali­ti­ons­part­ner bewegen», sagte Mast in Richtung von CDU/CSU.

Die Linke im Bundes­tag fordert indes FFP2-Masken für alle. In einem Antrag für die kommen­de Sitzungs­wo­che steht laut Redak­ti­ons­netz­werk Deutsch­land: «Damit alle Menschen Zugang zu FFP2-Masken bekom­men, hat die Bundes­re­gie­rung sicher­zu­stel­len, dass diese in ausrei­chen­der Zahl zu Verfü­gung stehen und zu bezahl­ba­ren Preisen erhält­lich sind.»